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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900.

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angeschlossen werden. Dieses Weib ist in der That kein Götter¬
vogel, sondern ein einfacher Starmatz von Neu-Guinea.

Bei dem kleinen Juwel des Königsparadiesvogels ist die
Überraschung beinah noch derber. Das Weibchen ist oben erd¬
braun mit einem kaum merkbaren Anflug von Orangerot, unten
gelblich braun mit etwas dunklerer Zeichnung -- ein Spatz
statt eines Paradiesvogels. Man meint, ein Hofmann in über¬
schwänglicher Pracht eines brandroten Fracks, weißer Seiden¬
weste, grüner Ordensbänder und langer goldbetreßter Schöße
habe jählings eine braune Nonnenkutte übergeworfen. Diese
Nonne ist Zeit ihres Lebens der weibliche Königsparadiesvogel.
Es bleibt nichts anderes übrig, als sich zu sagen, daß in
diesem Falle nicht nur ein kolossaler Unterschied zwischen den
Geschlechtern waltet, sondern auch ein gröbster Unterschied gerade
der ästhetischen Begabung, der Schönheit. Der männliche Vogel
ist schön bis zu einem Maße, daß die Sprache selbst des kunst¬
verwöhnten Menschen in paradiesischen Bildern schwelgt. Und
der weibliche Vogel ist einfach ein Starmatz oder Spatz, dessen
höchste Farbenvergleichung ein Bild wie "Kaffee" ausspricht.

Wo heute eine "Frauenbewegung" besteht, da hört man
so oft das Wörtchen Ungerechtigkeit. Es giebt in der That
ein ganzes Sündenregister der Punkte, in denen die Frau in
der Kulturgeschichte ungerecht behandelt worden ist, und zwar
wesentlich Ungerechtigkeiten, die in einer Zurücksetzung gegen den
Mann bestehen. Was wollen aber alle diese Vergewaltigungen,
die uns vom "Menschentier" grauslich erzählt werden, wohl
besagen gegen die scheußliche Minderwertung des Weibes, die
anscheinend von Mutter Natur hier bei den Paradiesiern von
Neu-Guinea verübt worden ist.

Der Mann in einer Pracht, als habe Rafael ihn gekleidet,
und das arme Weiblein ewige Karthäuserin!

Nun dazu noch das Unheimlichste, hergenommen aus jener
früheren Betrachtung der Laubenvögel. Diese Paradieskinder
im Urwald Neu-Guineas besitzen in ihrem Vogelverstande Sinn

angeſchloſſen werden. Dieſes Weib iſt in der That kein Götter¬
vogel, ſondern ein einfacher Starmatz von Neu-Guinea.

Bei dem kleinen Juwel des Königsparadiesvogels iſt die
Überraſchung beinah noch derber. Das Weibchen iſt oben erd¬
braun mit einem kaum merkbaren Anflug von Orangerot, unten
gelblich braun mit etwas dunklerer Zeichnung — ein Spatz
ſtatt eines Paradiesvogels. Man meint, ein Hofmann in über¬
ſchwänglicher Pracht eines brandroten Fracks, weißer Seiden¬
weſte, grüner Ordensbänder und langer goldbetreßter Schöße
habe jählings eine braune Nonnenkutte übergeworfen. Dieſe
Nonne ist Zeit ihres Lebens der weibliche Königsparadiesvogel.
Es bleibt nichts anderes übrig, als ſich zu ſagen, daß in
dieſem Falle nicht nur ein koloſſaler Unterſchied zwiſchen den
Geſchlechtern waltet, ſondern auch ein gröbſter Unterſchied gerade
der äſthetiſchen Begabung, der Schönheit. Der männliche Vogel
iſt ſchön bis zu einem Maße, daß die Sprache ſelbſt des kunſt¬
verwöhnten Menſchen in paradieſiſchen Bildern ſchwelgt. Und
der weibliche Vogel iſt einfach ein Starmatz oder Spatz, deſſen
höchſte Farbenvergleichung ein Bild wie „Kaffee“ ausſpricht.

Wo heute eine „Frauenbewegung“ beſteht, da hört man
ſo oft das Wörtchen Ungerechtigkeit. Es giebt in der That
ein ganzes Sündenregiſter der Punkte, in denen die Frau in
der Kulturgeſchichte ungerecht behandelt worden iſt, und zwar
weſentlich Ungerechtigkeiten, die in einer Zurückſetzung gegen den
Mann beſtehen. Was wollen aber alle dieſe Vergewaltigungen,
die uns vom „Menſchentier“ grauslich erzählt werden, wohl
beſagen gegen die ſcheußliche Minderwertung des Weibes, die
anſcheinend von Mutter Natur hier bei den Paradieſiern von
Neu-Guinea verübt worden iſt.

Der Mann in einer Pracht, als habe Rafael ihn gekleidet,
und das arme Weiblein ewige Karthäuſerin!

Nun dazu noch das Unheimlichſte, hergenommen aus jener
früheren Betrachtung der Laubenvögel. Dieſe Paradieskinder
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[366/0382] angeſchloſſen werden. Dieſes Weib iſt in der That kein Götter¬ vogel, ſondern ein einfacher Starmatz von Neu-Guinea. Bei dem kleinen Juwel des Königsparadiesvogels iſt die Überraſchung beinah noch derber. Das Weibchen iſt oben erd¬ braun mit einem kaum merkbaren Anflug von Orangerot, unten gelblich braun mit etwas dunklerer Zeichnung — ein Spatz ſtatt eines Paradiesvogels. Man meint, ein Hofmann in über¬ ſchwänglicher Pracht eines brandroten Fracks, weißer Seiden¬ weſte, grüner Ordensbänder und langer goldbetreßter Schöße habe jählings eine braune Nonnenkutte übergeworfen. Dieſe Nonne ist Zeit ihres Lebens der weibliche Königsparadiesvogel. Es bleibt nichts anderes übrig, als ſich zu ſagen, daß in dieſem Falle nicht nur ein koloſſaler Unterſchied zwiſchen den Geſchlechtern waltet, ſondern auch ein gröbſter Unterſchied gerade der äſthetiſchen Begabung, der Schönheit. Der männliche Vogel iſt ſchön bis zu einem Maße, daß die Sprache ſelbſt des kunſt¬ verwöhnten Menſchen in paradieſiſchen Bildern ſchwelgt. Und der weibliche Vogel iſt einfach ein Starmatz oder Spatz, deſſen höchſte Farbenvergleichung ein Bild wie „Kaffee“ ausſpricht. Wo heute eine „Frauenbewegung“ beſteht, da hört man ſo oft das Wörtchen Ungerechtigkeit. Es giebt in der That ein ganzes Sündenregiſter der Punkte, in denen die Frau in der Kulturgeſchichte ungerecht behandelt worden iſt, und zwar weſentlich Ungerechtigkeiten, die in einer Zurückſetzung gegen den Mann beſtehen. Was wollen aber alle dieſe Vergewaltigungen, die uns vom „Menſchentier“ grauslich erzählt werden, wohl beſagen gegen die ſcheußliche Minderwertung des Weibes, die anſcheinend von Mutter Natur hier bei den Paradieſiern von Neu-Guinea verübt worden iſt. Der Mann in einer Pracht, als habe Rafael ihn gekleidet, und das arme Weiblein ewige Karthäuſerin! Nun dazu noch das Unheimlichſte, hergenommen aus jener früheren Betrachtung der Laubenvögel. Dieſe Paradieskinder im Urwald Neu-Guineas beſitzen in ihrem Vogelverſtande Sinn

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 2. Leipzig, 1900, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben02_1900/382>, abgerufen am 22.11.2024.