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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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Nun laß das viſionäre Höhlenbild dunkler Urzeit und
geh in eine uns weit näher noch lächelnde Sonne hinaus.
Träume dich in die grüne Prärie Nordamerikas, in eine
Lederſtrumpf-Staffage: zu den Irokeſen.

Bei dieſen Indianern haſt oder beſſer geſagt, hatteſt du
noch in unſere Zeit ragend, ein prächtig konſerviertes Beiſpiel
für jene Zerſpaltung des Geſamtvolkes in eine Menge einzelner
Sippen.

Dieſe Sippen ſtehen zwar nicht mehr wie die Einzel¬
maulwürfe auf „Freß dich, freß dich wieder“ miteinander, —
dafür iſt man ſchon zu hoch im Sozialen überhaupt und im
Menſchlichen. Aber ſie bilden trotzdem gewiſſe kleine Völker
noch immer im Volk. Jede Sippe wählt in ſich ihre Häupt¬
linge, begräbt und beerbt in ſich ihre Mitglieder und hält zur
Blutrache zuſammen. Sie hat ihr beſonderes ganz individuelles
Wappen oder Symbol, auf das die Sippenleute ſozuſagen ver¬
eidigt ſind, ihr „Totem“, wie ſie das nennen: irgend ein Tier
etwa, einen Wolf oder Bär oder Büffel; überall wird das
Bild dieſes Wappenungeheuers angebracht, ſein Name iſt das
Freimaurerzeichen, in dem man ſich erkennt.

Hinſichtlich der Ehe aber haſt du da ein feſtes Geſetz.
Jede Sippe unter dem Schutz ihres heiligen Totem beſteht
aus vielen Ehen. Alle dieſe Ehen ſeit grauer Zeit ſind aber
auf folgende merkwürdige Weiſe zu ſtande gekommen.

Es heiratet niemals ein Jüngling oder ein Mädchen in
die eigene Sippe, in den heiligen Kreis des eigenen Totem
hinein.

Niemals nach altgeheiligtem Brauch, der feſte „Moral“
geworden iſt, kann ein Wolfsirokeſe, der den Wolf als Stammes¬
wappen führt, eine Wolfsirokeſin heiraten, niemals ein Büffel¬
mädchen einen Büffeljüngling. Heiraten dürfen unter allen
Umſtänden nur geſchloſſen werden zwiſchen Angehörigen zweier
verſchiedener Sippen. Alſo Bär darf Wolf oder Büffel und
umgekehrt ehelichen, ſo viel er will, — in dieſem einen einzigen

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 218. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/232>, abgerufen am 23.02.2025.