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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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wickeln und die Mutter dabei ihre Eier dem Vater direkt auf
den Leib legt. Die Hauttaſche hebt alsbald ihre Ränder
ſchützend darüber, und — die Mutter iſt guter Dinge, denn
ihre Mühe iſt vorbei, der Vater aber hat fortan die ganze
Laſt buchſtäblich am Halſe. Er muß die ſüße Bürde tragen,
bis jedes Ei ſich zu einem niedlichen Seefüllen ausgewachſen
hat; erſt dieſe verlaſſen durch eine kleine Öffnung probeweiſe
den Beutel und ſuchen endlich, kühn geworden, ganz das Weite.

Natürlich bedeutet die Schwangerſchaft für den Vater hier
eine wahre Belaſtungszeit, genau wie ſonſt für die Mutter.
Und es giebt andere, ſchon etwas höher ſtehende Tiere, denen
die gleiche Vaterpflicht auferlegt iſt und die wirklich durch dieſe
unerhörte Erſchwerung des Vaterberufs zu einer regelrechten
Zeit des Exils und der Askeſe verurteilt werden.

Was das Seepferd zuerſt vormacht, das treiben nämlich
gewiſſe Kröten ſozuſagen im Großen, und mit der Dimenſion
wachſen die Folgen ins Unheimliche.

Auf der roten Erde Weſtfalens hauſt ein kleiner Lurch,
der wohl der ſpaßhafteſte ſeines ganzen Geſchlechts in Europa
iſt: die Geburtshelferkröte. Ihr Name hängt mit der Miſſion
des Männchens zuſammen. Dieſe kleinen grauen Krötenmänn¬
lein ſind in der Liebeszeit hitzige Geſellen, die tolle Balgereien
miteinander um den Beſitz einer Krötenprinzeſſin vollführen.
Iſt aber endlich der Bund geſchloſſen, ſo bietet der Vater in
treueſter Hingabe ſeinen Rücken als „Bauch“ dar. Es wächſt
ihm jedoch keine Taſche wie dem Seepferdchen. In langer
Schnur haben die Eier nach Krötenbrauch das Licht der Welt
erblickt. Dieſe Schnur wickelt ſich der Krötenvater kunſtvoll
um die Oberſchenkel und zieht mit der offenen Bürde zunächſt
ab. Die ſtrenge Naturgeſchichte verſchweigt nicht, daß bei Mangel
an Vätern bisweilen ein und derſelbe Krötenprinz das Liebes¬
angebinde von drei Prinzeſſinen zugleich fortſchleppt.

Mit dem Schleppen iſt es aber nicht allein gethan. Die
Eier müſſen feucht erhalten werden, denn es ſind waſſer¬

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/245>, abgerufen am 23.02.2025.