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Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903.

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überhaupt rechnen. So wenig aber die Erfindung ein so
ganz Großes war, so wenig brauchte das Wiederentkleiden ein
besonders großer Abfallsakt zu sein. Es wäre wohl nur einer
gewesen unter vielen, die diese Naturvölker auf Wanderungen
durchgemacht haben.

Die wesentliche Frage, auf die sich alles konzentriert, ist,
ob man ein Herabwandern sämtlicher Menschenrassen dieser Erde
von der Eiszeit-Gegend der Nordhalbkugel während oder gar
nach dieser Eiszeit annehmen will. Es läuft das auf die große,
eigentlich von nirgendwoher noch direkt diskutierbare Frage
hinaus, ob man sich die Entstehung des Menschen irgendwo
lokalisiert denken will. Grade dann sehe ich aber keine andere
Denkbarkeit, wie ich dir früher schon sagte, als das Heimats¬
zentrum der höheren tertiären Säugerwelt: also die Nordhalb¬
kugel bis in die wirklichen Eiszeitorte hinauf. Mit dem süd¬
lichen Abströmen dieser Tierwelt sind, wie schon erwähnt, viel¬
leicht Teile der allerältesten Menschheit südwärts bereits mit¬
geströmt: haarige Affenmenschen das noch, von denen sich aber
lebend nichts bis heute erhalten hat. Das, was eigentlich
Mensch in unserem Kultursinne werden sollte, aber war eben
dadurch gekennzeichnet, daß es zunächst im Norden blieb. Im
Zwange der Kälteperiode errang es seine erste Kultur: Herd¬
flamme, Waffe, Kleidung. Das Affenfell ging dabei in jenem
Sinne allmählich verloren. Aber nun war die Eiszeit zweifel¬
los sehr lang. Ihre Wirkungen auf den Menschen können
ganz früh schon in ihrer Vorepoche, ihrer Inkubationszeit
so zu sagen, angefangen haben. Als zum erstenmal die Gletscher
dann wirklich als Binneneis grönlandhaft über Europa, Nord¬
asien und Nordamerika standen, mochte der Enthaarungsprozeß
längst vollzogen sein. Da in der Raumnot ging dann wohl
ein erstes neues Abströmen von Menschen -- diesmal von
ersten echten Menschen, nach Süden los. Das mag sich in
der Länge und den Wechseln der Eiszeit unzählige Male neu
vollzogen haben. Immer flossen weichere, widerstandsunfähigere

überhaupt rechnen. So wenig aber die Erfindung ein ſo
ganz Großes war, ſo wenig brauchte das Wiederentkleiden ein
beſonders großer Abfallsakt zu ſein. Es wäre wohl nur einer
geweſen unter vielen, die dieſe Naturvölker auf Wanderungen
durchgemacht haben.

Die weſentliche Frage, auf die ſich alles konzentriert, iſt,
ob man ein Herabwandern ſämtlicher Menſchenraſſen dieſer Erde
von der Eiszeit-Gegend der Nordhalbkugel während oder gar
nach dieſer Eiszeit annehmen will. Es läuft das auf die große,
eigentlich von nirgendwoher noch direkt diskutierbare Frage
hinaus, ob man ſich die Entſtehung des Menſchen irgendwo
lokaliſiert denken will. Grade dann ſehe ich aber keine andere
Denkbarkeit, wie ich dir früher ſchon ſagte, als das Heimats¬
zentrum der höheren tertiären Säugerwelt: alſo die Nordhalb¬
kugel bis in die wirklichen Eiszeitorte hinauf. Mit dem ſüd¬
lichen Abſtrömen dieſer Tierwelt ſind, wie ſchon erwähnt, viel¬
leicht Teile der allerälteſten Menſchheit ſüdwärts bereits mit¬
geſtrömt: haarige Affenmenſchen das noch, von denen ſich aber
lebend nichts bis heute erhalten hat. Das, was eigentlich
Menſch in unſerem Kulturſinne werden ſollte, aber war eben
dadurch gekennzeichnet, daß es zunächſt im Norden blieb. Im
Zwange der Kälteperiode errang es ſeine erſte Kultur: Herd¬
flamme, Waffe, Kleidung. Das Affenfell ging dabei in jenem
Sinne allmählich verloren. Aber nun war die Eiszeit zweifel¬
los ſehr lang. Ihre Wirkungen auf den Menſchen können
ganz früh ſchon in ihrer Vorepoche, ihrer Inkubationszeit
ſo zu ſagen, angefangen haben. Als zum erſtenmal die Gletſcher
dann wirklich als Binneneis grönlandhaft über Europa, Nord¬
aſien und Nordamerika ſtanden, mochte der Enthaarungsprozeß
längſt vollzogen ſein. Da in der Raumnot ging dann wohl
ein erſtes neues Abſtrömen von Menſchen — diesmal von
erſten echten Menſchen, nach Süden los. Das mag ſich in
der Länge und den Wechſeln der Eiszeit unzählige Male neu
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[79/0093] überhaupt rechnen. So wenig aber die Erfindung ein ſo ganz Großes war, ſo wenig brauchte das Wiederentkleiden ein beſonders großer Abfallsakt zu ſein. Es wäre wohl nur einer geweſen unter vielen, die dieſe Naturvölker auf Wanderungen durchgemacht haben. Die weſentliche Frage, auf die ſich alles konzentriert, iſt, ob man ein Herabwandern ſämtlicher Menſchenraſſen dieſer Erde von der Eiszeit-Gegend der Nordhalbkugel während oder gar nach dieſer Eiszeit annehmen will. Es läuft das auf die große, eigentlich von nirgendwoher noch direkt diskutierbare Frage hinaus, ob man ſich die Entſtehung des Menſchen irgendwo lokaliſiert denken will. Grade dann ſehe ich aber keine andere Denkbarkeit, wie ich dir früher ſchon ſagte, als das Heimats¬ zentrum der höheren tertiären Säugerwelt: alſo die Nordhalb¬ kugel bis in die wirklichen Eiszeitorte hinauf. Mit dem ſüd¬ lichen Abſtrömen dieſer Tierwelt ſind, wie ſchon erwähnt, viel¬ leicht Teile der allerälteſten Menſchheit ſüdwärts bereits mit¬ geſtrömt: haarige Affenmenſchen das noch, von denen ſich aber lebend nichts bis heute erhalten hat. Das, was eigentlich Menſch in unſerem Kulturſinne werden ſollte, aber war eben dadurch gekennzeichnet, daß es zunächſt im Norden blieb. Im Zwange der Kälteperiode errang es ſeine erſte Kultur: Herd¬ flamme, Waffe, Kleidung. Das Affenfell ging dabei in jenem Sinne allmählich verloren. Aber nun war die Eiszeit zweifel¬ los ſehr lang. Ihre Wirkungen auf den Menſchen können ganz früh ſchon in ihrer Vorepoche, ihrer Inkubationszeit ſo zu ſagen, angefangen haben. Als zum erſtenmal die Gletſcher dann wirklich als Binneneis grönlandhaft über Europa, Nord¬ aſien und Nordamerika ſtanden, mochte der Enthaarungsprozeß längſt vollzogen ſein. Da in der Raumnot ging dann wohl ein erſtes neues Abſtrömen von Menſchen — diesmal von erſten echten Menſchen, nach Süden los. Das mag ſich in der Länge und den Wechſeln der Eiszeit unzählige Male neu vollzogen haben. Immer floſſen weichere, widerſtandsunfähigere

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Zitationshilfe: Bölsche, Wilhelm: Das Liebesleben in der Natur. Bd. 3. Leipzig, 1903, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boelsche_liebesleben03_1903/93>, abgerufen am 21.11.2024.