sten Ueberflusse. Das kostete nichts, das war mit dem Billet zugleich bezahlt. Königliche Diener ser¬ virten auf dem Silbergeschirre des Königs. Am Büf¬ fet unterhielt ich mich sehr. Da stand ich oft und lange; nicht um zu genießen, sondern in den reinsten Absichten, nehmlich um reine Luft einzuathmen. Von den Büffets führten offenstehende Thüren zu zwei Balkons nach der Straße, die nur mit Zelttuch be¬ deckt waren, und zur Küche dienten. Da und nur da allein im ganzen Hause, konnte man frei athmen. Das Schauspiel bei den Büffets war auch ohne dies ergötzlich. Es ist doch etwas Erhabenes, eine so große Menschenmenge essen und trinken zu sehen! Hohe Berge von Kuchen, Torten, Confitüren, Früch¬ ten; Ströme von Limonade, Himbeersaft, Orgeade; ganze Schollen von Eis -- das war in einer Mi¬ nute wie verschwunden, man wußte nicht wo es hin¬ gekommen, es war wie eine Taschenspielerei. Augen¬ blicklich wurde alles wieder ersetzt, erneuert und augenblicklich war alles wieder verschwunden, und so immer fort, und alles in den kleinen Mund hinein! Ich sah, wie ein Offizier der Nationalgarde seinen kriegerischen Muth zeigte, indem er seinen Säbel zog, und damit eine ungeheure Torte zusammen hieb. Er hörte nicht eher auf mit hauen und verschlingen, bis er das Gebiet seines Körpers erweitert hatte. Das
ſten Ueberfluſſe. Das koſtete nichts, das war mit dem Billet zugleich bezahlt. Königliche Diener ſer¬ virten auf dem Silbergeſchirre des Königs. Am Büf¬ fet unterhielt ich mich ſehr. Da ſtand ich oft und lange; nicht um zu genießen, ſondern in den reinſten Abſichten, nehmlich um reine Luft einzuathmen. Von den Büffets führten offenſtehende Thüren zu zwei Balkons nach der Straße, die nur mit Zelttuch be¬ deckt waren, und zur Küche dienten. Da und nur da allein im ganzen Hauſe, konnte man frei athmen. Das Schauſpiel bei den Büffets war auch ohne dies ergötzlich. Es iſt doch etwas Erhabenes, eine ſo große Menſchenmenge eſſen und trinken zu ſehen! Hohe Berge von Kuchen, Torten, Confitüren, Früch¬ ten; Ströme von Limonade, Himbeerſaft, Orgeade; ganze Schollen von Eis — das war in einer Mi¬ nute wie verſchwunden, man wußte nicht wo es hin¬ gekommen, es war wie eine Taſchenſpielerei. Augen¬ blicklich wurde alles wieder erſetzt, erneuert und augenblicklich war alles wieder verſchwunden, und ſo immer fort, und alles in den kleinen Mund hinein! Ich ſah, wie ein Offizier der Nationalgarde ſeinen kriegeriſchen Muth zeigte, indem er ſeinen Säbel zog, und damit eine ungeheure Torte zuſammen hieb. Er hörte nicht eher auf mit hauen und verſchlingen, bis er das Gebiet ſeines Körpers erweitert hatte. Das
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ſten Ueberfluſſe. Das koſtete nichts, das war mit
dem Billet zugleich bezahlt. Königliche Diener ſer¬
virten auf dem Silbergeſchirre des Königs. Am Büf¬
fet unterhielt ich mich ſehr. Da ſtand ich oft und
lange; nicht um zu genießen, ſondern in den reinſten
Abſichten, nehmlich um reine Luft einzuathmen. Von
den Büffets führten offenſtehende Thüren zu zwei
Balkons nach der Straße, die nur mit Zelttuch be¬
deckt waren, und zur Küche dienten. Da und nur
da allein im ganzen Hauſe, konnte man frei athmen.
Das Schauſpiel bei den Büffets war auch ohne dies
ergötzlich. Es iſt doch etwas Erhabenes, eine ſo
große Menſchenmenge eſſen und trinken zu ſehen!
Hohe Berge von Kuchen, Torten, Confitüren, Früch¬
ten; Ströme von Limonade, Himbeerſaft, Orgeade;
ganze Schollen von Eis — das war in einer Mi¬
nute wie verſchwunden, man wußte nicht wo es hin¬
gekommen, es war wie eine Taſchenſpielerei. Augen¬
blicklich wurde alles wieder erſetzt, erneuert und
augenblicklich war alles wieder verſchwunden, und ſo
immer fort, und alles in den kleinen Mund hinein!
Ich ſah, wie ein Offizier der Nationalgarde ſeinen
kriegeriſchen Muth zeigte, indem er ſeinen Säbel zog,
und damit eine ungeheure Torte zuſammen hieb. Er
hörte nicht eher auf mit hauen und verſchlingen, bis
er das Gebiet ſeines Körpers erweitert hatte. Das
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris01_1832/240>, abgerufen am 20.05.2024.
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