Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 1. Hamburg, 1832.und jubelten auf das ausgelassenste, und es herrscht und jubelten auf das ausgelaſſenſte, und es herrſcht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0036" n="22"/> und jubelten auf das ausgelaſſenſte, und es herrſcht<lb/> in meinem Kopfe ein Gedränge von Scherz und<lb/> Ernſt, von dummen und klugen Dingen, daß die<lb/> Welt um mir her ſchwindelte. Was hörte, bemerkte,<lb/> beobachtete, ſprach ich da nicht alles! Es waren<lb/> Wolkenbrüche von Einfällen, und ich hätte hundert<lb/> Jahrgänge des Morgenblatts damit ausfüllen kön¬<lb/> nen, und hätte die Zenſur nichts geſtrichen, tauſend<lb/> Jahrgänge. Wie hat ſich das aber geändert! ..<lb/> Ich ſitze ohne Theilnahme im Wagen, ſtumm wie<lb/> ein Staatsgefangener in Oeſtreich und taub wie das<lb/> Gewiſſen eines Königs. In der Jugend bemerkt<lb/> man mehr die Verſchiedenheiten der Menſchen und<lb/> Länder, und das eine Licht gibt tauſend Farben, im<lb/> Alter, mehr die Aehnlichkeiten, alles iſt grau, und<lb/> man ſchläft leicht dabei ein. Ich kann jetzt einen<lb/> ganzen Tag reiſen ohne an etwas zu denken. Fand<lb/> ich doch auf dem langen Weg von Strasburg hier¬<lb/> her nichts weiter in mein Tagebuch zu ſchreiben, als<lb/> die Bemerkung, daß ich in Lothringen mit ſechs Pfer¬<lb/> den habe pflügen ſehen und daß mein Kutſcher Stun¬<lb/> denlang mit Konrad von der Preßfreiheit und den<lb/> Ordonnanzen mit einem Eifer geſprochen als wäre<lb/> von Hafer und Stroh die Rede. Und ſelbſt dieſes<lb/> wenige ſchrieb ich nur kurz und trocken nieder, ohne<lb/> alle ſatiriſche Bemerkungen gegen die Miethkutſcher<lb/> in der großen <hi rendition="#g">Eſchenheimer Gaſſe</hi>, in der<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [22/0036]
und jubelten auf das ausgelaſſenſte, und es herrſcht
in meinem Kopfe ein Gedränge von Scherz und
Ernſt, von dummen und klugen Dingen, daß die
Welt um mir her ſchwindelte. Was hörte, bemerkte,
beobachtete, ſprach ich da nicht alles! Es waren
Wolkenbrüche von Einfällen, und ich hätte hundert
Jahrgänge des Morgenblatts damit ausfüllen kön¬
nen, und hätte die Zenſur nichts geſtrichen, tauſend
Jahrgänge. Wie hat ſich das aber geändert! ..
Ich ſitze ohne Theilnahme im Wagen, ſtumm wie
ein Staatsgefangener in Oeſtreich und taub wie das
Gewiſſen eines Königs. In der Jugend bemerkt
man mehr die Verſchiedenheiten der Menſchen und
Länder, und das eine Licht gibt tauſend Farben, im
Alter, mehr die Aehnlichkeiten, alles iſt grau, und
man ſchläft leicht dabei ein. Ich kann jetzt einen
ganzen Tag reiſen ohne an etwas zu denken. Fand
ich doch auf dem langen Weg von Strasburg hier¬
her nichts weiter in mein Tagebuch zu ſchreiben, als
die Bemerkung, daß ich in Lothringen mit ſechs Pfer¬
den habe pflügen ſehen und daß mein Kutſcher Stun¬
denlang mit Konrad von der Preßfreiheit und den
Ordonnanzen mit einem Eifer geſprochen als wäre
von Hafer und Stroh die Rede. Und ſelbſt dieſes
wenige ſchrieb ich nur kurz und trocken nieder, ohne
alle ſatiriſche Bemerkungen gegen die Miethkutſcher
in der großen Eſchenheimer Gaſſe, in der
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