Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.penträger und Hofhanswürste. Man hätte gerne ge¬ Unter allen Figuren waren nur drei, die mich penträger und Hofhanswürſte. Man hätte gerne ge¬ Unter allen Figuren waren nur drei, die mich <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0107" n="93"/> penträger und Hofhanswürſte. Man hätte gerne ge¬<lb/> ſehen, daß ſeine Marſchälle ſich ſtolz auf ihre Schwer¬<lb/> ter ſtützten und mit unterdrücktem Spotte auf die ge¬<lb/> fälligen Cardinäle blickten. Aber ſie trugen Degen<lb/> wie die Kammerherren, und waren geputzt wie die<lb/> Hofnarren. Die Portraits ſind alle geiſtreich, das<lb/> iſt wahr: aber es hat Jeder ſein eigenes Geſicht,<lb/> Keiner ein Krönungsgeſicht. Jeder ſucht ſeine Ge¬<lb/> fühle zu unterdrücken, das ſiehet man deutlich. Herz<lb/> und Augen gehen weit aus einander.</p><lb/> <p>Unter allen Figuren waren nur drei, die mich<lb/> anzogen. Napoleons Schweſter, damals Großher¬<lb/> zogin von Berg, ſpäter Königin von Neapel. Sie<lb/> ſiehet ihrem Bruder ganz ungemein ähnlich, nur ſind<lb/> ihre Züge edler und zeigen den ſchönen Stolz des<lb/> Sieges, den man in den Zügen des Kaiſers verge¬<lb/> bens ſucht. Dann: der Papſt. Er ſitzt ſo bedeu¬<lb/> tend abgeſpannt und duldend in ſeinem Seſſel, wie<lb/> eine gläubige und kränkliche Seele, die Gott nicht<lb/> blos anbetet in dem, was er thut, ſondern auch in<lb/> dem, was er nicht thut, geſchehen läßt. Endlich<lb/> Talleyrand. Ich habe ihn nie geſehen, nicht einmal<lb/> gemalt. Ein Geſicht von Bronze, eine Marmor¬<lb/> platte, auf der mit eiſernen Buchſtaben die Nothwen¬<lb/> digkeit geſchrieben iſt. Ich habe nie begreifen kön¬<lb/> nen, wie noch alle Menſchen aller Zeiten ſo dieſen<lb/> Mann verkannt! Daß ſie ihn geläſtert, iſt ſchön, aber<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [93/0107]
penträger und Hofhanswürſte. Man hätte gerne ge¬
ſehen, daß ſeine Marſchälle ſich ſtolz auf ihre Schwer¬
ter ſtützten und mit unterdrücktem Spotte auf die ge¬
fälligen Cardinäle blickten. Aber ſie trugen Degen
wie die Kammerherren, und waren geputzt wie die
Hofnarren. Die Portraits ſind alle geiſtreich, das
iſt wahr: aber es hat Jeder ſein eigenes Geſicht,
Keiner ein Krönungsgeſicht. Jeder ſucht ſeine Ge¬
fühle zu unterdrücken, das ſiehet man deutlich. Herz
und Augen gehen weit aus einander.
Unter allen Figuren waren nur drei, die mich
anzogen. Napoleons Schweſter, damals Großher¬
zogin von Berg, ſpäter Königin von Neapel. Sie
ſiehet ihrem Bruder ganz ungemein ähnlich, nur ſind
ihre Züge edler und zeigen den ſchönen Stolz des
Sieges, den man in den Zügen des Kaiſers verge¬
bens ſucht. Dann: der Papſt. Er ſitzt ſo bedeu¬
tend abgeſpannt und duldend in ſeinem Seſſel, wie
eine gläubige und kränkliche Seele, die Gott nicht
blos anbetet in dem, was er thut, ſondern auch in
dem, was er nicht thut, geſchehen läßt. Endlich
Talleyrand. Ich habe ihn nie geſehen, nicht einmal
gemalt. Ein Geſicht von Bronze, eine Marmor¬
platte, auf der mit eiſernen Buchſtaben die Nothwen¬
digkeit geſchrieben iſt. Ich habe nie begreifen kön¬
nen, wie noch alle Menſchen aller Zeiten ſo dieſen
Mann verkannt! Daß ſie ihn geläſtert, iſt ſchön, aber
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