Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 2. Hamburg, 1832.mit Mühe konnte man ihn heraus holen; ihn hätte ll. 7
mit Mühe konnte man ihn heraus holen; ihn hätte ll. 7
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0111" n="97"/> mit Mühe konnte man ihn heraus holen; ihn hätte<lb/> dort der hinein geſchüttete Kalk verbrannt, noch ehe<lb/> ihn die Erde bedeckt. Das war der Hund, den das Volk<lb/> nachher Medor nannte. Während der Schlacht ſtand<lb/> er ſeinem Herrn immer zur Seite, er wurde ſelbſt<lb/> verwundet. Seit dem Tode ſeines Herrn verließ er<lb/> die Gräber nicht mehr, umjammerte Tag und Nacht<lb/> die hölzerne Wand, welche den engen Kirchhof ein¬<lb/> ſchloß, oder lief heulend am Louvre hin und her.<lb/> Keiner achtete auf Medor, denn keiner kannte ihn<lb/> und errieth ſeinen Schmerz. Sein Herr war wohl<lb/> ein Fremder, der in jenen Tagen erſt nach Paris ge¬<lb/> kommen, hatte unbemerkt für die Freiheit ſeines Va¬<lb/> terlandes gekämpft und geblutet, und war ohne Na¬<lb/> men begraben worden. Erſt nach einigen Wochen<lb/> ward man aufmerkſamer auf Medor. Er war ab¬<lb/> gemagert bis zum Gerippe und mit eiternden Wun¬<lb/> den bedeckt. Man gab ihm Nahrung, er nahm ſie<lb/> lange nicht. Endlich gelang es dem beharrlichen Mit¬<lb/> leid einer guten Bürgersfrau, Medors Gram zu lin¬<lb/> dern. Sie nahm ihn zu ſich, verband und heilte<lb/> ſeine Wunden, und ſtärkte ihn wieder. Medor iſt<lb/> ruhiger geworden, aber ſein Herz liegt im Grabe bei<lb/> ſeinem Herrn, wohin ihn ſeine Pflegerin nach ſeiner<lb/> Wiederherſtellung geführt, und das er ſeit ſieben<lb/> Monaten nicht verlaſſen. Schon mehrere Male<lb/> wurde er von habſüchtigen Menſchen an reiche Freunde<lb/> <fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#aq">ll.</hi> 7<lb/></fw> </p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [97/0111]
mit Mühe konnte man ihn heraus holen; ihn hätte
dort der hinein geſchüttete Kalk verbrannt, noch ehe
ihn die Erde bedeckt. Das war der Hund, den das Volk
nachher Medor nannte. Während der Schlacht ſtand
er ſeinem Herrn immer zur Seite, er wurde ſelbſt
verwundet. Seit dem Tode ſeines Herrn verließ er
die Gräber nicht mehr, umjammerte Tag und Nacht
die hölzerne Wand, welche den engen Kirchhof ein¬
ſchloß, oder lief heulend am Louvre hin und her.
Keiner achtete auf Medor, denn keiner kannte ihn
und errieth ſeinen Schmerz. Sein Herr war wohl
ein Fremder, der in jenen Tagen erſt nach Paris ge¬
kommen, hatte unbemerkt für die Freiheit ſeines Va¬
terlandes gekämpft und geblutet, und war ohne Na¬
men begraben worden. Erſt nach einigen Wochen
ward man aufmerkſamer auf Medor. Er war ab¬
gemagert bis zum Gerippe und mit eiternden Wun¬
den bedeckt. Man gab ihm Nahrung, er nahm ſie
lange nicht. Endlich gelang es dem beharrlichen Mit¬
leid einer guten Bürgersfrau, Medors Gram zu lin¬
dern. Sie nahm ihn zu ſich, verband und heilte
ſeine Wunden, und ſtärkte ihn wieder. Medor iſt
ruhiger geworden, aber ſein Herz liegt im Grabe bei
ſeinem Herrn, wohin ihn ſeine Pflegerin nach ſeiner
Wiederherſtellung geführt, und das er ſeit ſieben
Monaten nicht verlaſſen. Schon mehrere Male
wurde er von habſüchtigen Menſchen an reiche Freunde
ll. 7
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