Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

kommen kann und gleich nach der Geburt
stirbt. Da ist es doch in unserm guten Va¬
terlande besser; da steht die Gegenwart mit
ihrem dicken Bauche und breiten Rücken fest
auf den Beinen, und nimmt so viel Platz ein,
daß nicht die schmalste Zukunft vorbei kann.
Gestern las ich das Verzeichniß der in diesem
Herbste erschienenen neuen deutschen Bücher.
Hundert und mehr Schriften über die Cholera!
Ich bekam Leibschmerzen nur vom Lesen des
Catalogs. Sonst habe ich nichts von Bedeu¬
tung angezeigt gefunden, ausser dem folgen¬
den Werke, wornach ich sehr schmachte. Es
ist wahrscheinlich eine Satyre gegen den deut¬
schen Bundestag; denn unsere maliziösen Lands¬
leute, man kann es nicht leugnen, misbrau¬
chen die Preßfreiheit gar zu arg. Das Buch
hat den Titel: "Das Schabbes-gärtle von
unnere Leut; eppes mit e Rorität Geblumes
füre Brautschmuck. E Chetisch meloche,

kommen kann und gleich nach der Geburt
ſtirbt. Da iſt es doch in unſerm guten Va¬
terlande beſſer; da ſteht die Gegenwart mit
ihrem dicken Bauche und breiten Ruͤcken feſt
auf den Beinen, und nimmt ſo viel Platz ein,
daß nicht die ſchmalſte Zukunft vorbei kann.
Geſtern las ich das Verzeichniß der in dieſem
Herbſte erſchienenen neuen deutſchen Buͤcher.
Hundert und mehr Schriften uͤber die Cholera!
Ich bekam Leibſchmerzen nur vom Leſen des
Catalogs. Sonſt habe ich nichts von Bedeu¬
tung angezeigt gefunden, auſſer dem folgen¬
den Werke, wornach ich ſehr ſchmachte. Es
iſt wahrſcheinlich eine Satyre gegen den deut¬
ſchen Bundestag; denn unſere malizioͤſen Lands¬
leute, man kann es nicht leugnen, misbrau¬
chen die Preßfreiheit gar zu arg. Das Buch
hat den Titel: „Das Schabbes-gaͤrtle von
unnere Leut; eppes mit e Roritaͤt Geblumes
fuͤre Brautschmuck. E Chetisch meloche,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0134" n="120"/>
kommen kann und gleich nach der Geburt<lb/>
&#x017F;tirbt. Da i&#x017F;t es doch in un&#x017F;erm guten Va¬<lb/>
terlande be&#x017F;&#x017F;er; da &#x017F;teht die Gegenwart mit<lb/>
ihrem dicken Bauche und breiten Ru&#x0364;cken fe&#x017F;t<lb/>
auf den Beinen, und nimmt &#x017F;o viel Platz ein,<lb/>
daß nicht die &#x017F;chmal&#x017F;te Zukunft vorbei kann.<lb/>
Ge&#x017F;tern las ich das Verzeichniß der in die&#x017F;em<lb/>
Herb&#x017F;te er&#x017F;chienenen neuen deut&#x017F;chen Bu&#x0364;cher.<lb/>
Hundert und mehr Schriften u&#x0364;ber die Cholera!<lb/>
Ich bekam Leib&#x017F;chmerzen nur vom Le&#x017F;en des<lb/>
Catalogs. Son&#x017F;t habe ich nichts von Bedeu¬<lb/>
tung angezeigt gefunden, au&#x017F;&#x017F;er dem folgen¬<lb/>
den Werke, wornach ich &#x017F;ehr &#x017F;chmachte. Es<lb/>
i&#x017F;t wahr&#x017F;cheinlich eine Satyre gegen den deut¬<lb/>
&#x017F;chen Bundestag; denn un&#x017F;ere malizio&#x0364;&#x017F;en Lands¬<lb/>
leute, man kann es nicht leugnen, misbrau¬<lb/>
chen die Preßfreiheit gar zu arg. Das Buch<lb/>
hat den Titel: <hi rendition="#aq">&#x201E;Das Schabbes-ga&#x0364;rtle von<lb/>
unnere Leut; eppes mit e Rorita&#x0364;t Geblumes<lb/>
fu&#x0364;re Brautschmuck. E Chetisch meloche,<lb/></hi></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[120/0134] kommen kann und gleich nach der Geburt ſtirbt. Da iſt es doch in unſerm guten Va¬ terlande beſſer; da ſteht die Gegenwart mit ihrem dicken Bauche und breiten Ruͤcken feſt auf den Beinen, und nimmt ſo viel Platz ein, daß nicht die ſchmalſte Zukunft vorbei kann. Geſtern las ich das Verzeichniß der in dieſem Herbſte erſchienenen neuen deutſchen Buͤcher. Hundert und mehr Schriften uͤber die Cholera! Ich bekam Leibſchmerzen nur vom Leſen des Catalogs. Sonſt habe ich nichts von Bedeu¬ tung angezeigt gefunden, auſſer dem folgen¬ den Werke, wornach ich ſehr ſchmachte. Es iſt wahrſcheinlich eine Satyre gegen den deut¬ ſchen Bundestag; denn unſere malizioͤſen Lands¬ leute, man kann es nicht leugnen, misbrau¬ chen die Preßfreiheit gar zu arg. Das Buch hat den Titel: „Das Schabbes-gaͤrtle von unnere Leut; eppes mit e Roritaͤt Geblumes fuͤre Brautschmuck. E Chetisch meloche,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/134
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 3. Paris, 1833, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris03_1833/134>, abgerufen am 09.11.2024.