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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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Gestern, Sonntag, hat Casimir Perrier wieder
einen Bubenstreich begangen. An dem Tage, wo
die Kirche seines Glaubens geschlossen ist, wo die
Börse keinen Gottesdienst hält, vergißt er am leich¬
testen Gott und sein Gebot, und folgt seinen bösen
Neigungen. An Börsentagen bedenkt er sich doch noch
etwas, die Renten, das zarte, leicht verletzliche Ge¬
schöpf, durch allzurauhes Wesen zu schrecken. Ich
kenne kein Land in der Welt, ich kenne keine Zeit
in der Geschichte, wo ein Volk unter so schmach¬
voller Herrschaft gestanden, als jetzt das Französische.
Tausendmal, ja zehntausendmal lieber, möchte ich
einen Thron unter dem Galgen errichtet sehen, von
Henkersknechten bedient und von Raben umschmeichelt,
als sehen, wie ein König auf dem Drehstuhle trohnt
und wie sein erster Minister Glück, Ruhm und Ehre
eines großen Volks wie ein Buchhalter unter Soll
und Haben bringt. Ich habe mich nie so sehr er¬
niedriget, vor einem Könige: Vivat! zu schreien;
nicht, da ich als gedankenloses Kind Kaiser Franz
im Krönungszuge gesehen, wo alles schrie; nicht als
Napoleon an mir vorüberzog, den ich mit dem Glau¬
ben eines Jünglings wie einen Gott anstaunte; aber
kehrte morgen Karl X. nach Paris zurück mit seinem


Geſtern, Sonntag, hat Caſimir Perrier wieder
einen Bubenſtreich begangen. An dem Tage, wo
die Kirche ſeines Glaubens geſchloſſen iſt, wo die
Börſe keinen Gottesdienſt hält, vergißt er am leich¬
teſten Gott und ſein Gebot, und folgt ſeinen böſen
Neigungen. An Börſentagen bedenkt er ſich doch noch
etwas, die Renten, das zarte, leicht verletzliche Ge¬
ſchöpf, durch allzurauhes Weſen zu ſchrecken. Ich
kenne kein Land in der Welt, ich kenne keine Zeit
in der Geſchichte, wo ein Volk unter ſo ſchmach¬
voller Herrſchaft geſtanden, als jetzt das Franzöſiſche.
Tauſendmal, ja zehntauſendmal lieber, möchte ich
einen Thron unter dem Galgen errichtet ſehen, von
Henkersknechten bedient und von Raben umſchmeichelt,
als ſehen, wie ein König auf dem Drehſtuhle trohnt
und wie ſein erſter Miniſter Glück, Ruhm und Ehre
eines großen Volks wie ein Buchhalter unter Soll
und Haben bringt. Ich habe mich nie ſo ſehr er¬
niedriget, vor einem Könige: Vivat! zu ſchreien;
nicht, da ich als gedankenloſes Kind Kaiſer Franz
im Krönungszuge geſehen, wo alles ſchrie; nicht als
Napoleon an mir vorüberzog, den ich mit dem Glau¬
ben eines Jünglings wie einen Gott anſtaunte; aber
kehrte morgen Karl X. nach Paris zurück mit ſeinem

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[95/0109] Montag, den 24. Januar. Geſtern, Sonntag, hat Caſimir Perrier wieder einen Bubenſtreich begangen. An dem Tage, wo die Kirche ſeines Glaubens geſchloſſen iſt, wo die Börſe keinen Gottesdienſt hält, vergißt er am leich¬ teſten Gott und ſein Gebot, und folgt ſeinen böſen Neigungen. An Börſentagen bedenkt er ſich doch noch etwas, die Renten, das zarte, leicht verletzliche Ge¬ ſchöpf, durch allzurauhes Weſen zu ſchrecken. Ich kenne kein Land in der Welt, ich kenne keine Zeit in der Geſchichte, wo ein Volk unter ſo ſchmach¬ voller Herrſchaft geſtanden, als jetzt das Franzöſiſche. Tauſendmal, ja zehntauſendmal lieber, möchte ich einen Thron unter dem Galgen errichtet ſehen, von Henkersknechten bedient und von Raben umſchmeichelt, als ſehen, wie ein König auf dem Drehſtuhle trohnt und wie ſein erſter Miniſter Glück, Ruhm und Ehre eines großen Volks wie ein Buchhalter unter Soll und Haben bringt. Ich habe mich nie ſo ſehr er¬ niedriget, vor einem Könige: Vivat! zu ſchreien; nicht, da ich als gedankenloſes Kind Kaiſer Franz im Krönungszuge geſehen, wo alles ſchrie; nicht als Napoleon an mir vorüberzog, den ich mit dem Glau¬ ben eines Jünglings wie einen Gott anſtaunte; aber kehrte morgen Karl X. nach Paris zurück mit ſeinem

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 95. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/109>, abgerufen am 21.11.2024.