Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.Montag, den 24. Januar. Gestern, Sonntag, hat Casimir Perrier wieder Montag, den 24. Januar. Geſtern, Sonntag, hat Caſimir Perrier wieder <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0109" n="95"/> <div> <dateline> <hi rendition="#right">Montag, den 24. Januar.</hi> </dateline><lb/> <p>Geſtern, Sonntag, hat Caſimir Perrier wieder<lb/> einen Bubenſtreich begangen. An dem Tage, wo<lb/> die Kirche ſeines Glaubens geſchloſſen iſt, wo die<lb/> Börſe keinen Gottesdienſt hält, vergißt er am leich¬<lb/> teſten Gott und ſein Gebot, und folgt ſeinen böſen<lb/> Neigungen. An Börſentagen bedenkt er ſich doch noch<lb/> etwas, die Renten, das zarte, leicht verletzliche Ge¬<lb/> ſchöpf, durch allzurauhes Weſen zu ſchrecken. Ich<lb/> kenne kein Land in der Welt, ich kenne keine Zeit<lb/> in der Geſchichte, wo ein Volk unter ſo ſchmach¬<lb/> voller Herrſchaft geſtanden, als jetzt das Franzöſiſche.<lb/> Tauſendmal, ja zehntauſendmal lieber, möchte ich<lb/> einen Thron unter dem Galgen errichtet ſehen, von<lb/> Henkersknechten bedient und von Raben umſchmeichelt,<lb/> als ſehen, wie ein König auf dem Drehſtuhle trohnt<lb/> und wie ſein erſter Miniſter Glück, Ruhm und Ehre<lb/> eines großen Volks wie ein Buchhalter unter Soll<lb/> und Haben bringt. Ich habe mich nie ſo ſehr er¬<lb/> niedriget, vor einem Könige: <hi rendition="#g">Vivat</hi>! zu ſchreien;<lb/> nicht, da ich als gedankenloſes Kind Kaiſer Franz<lb/> im Krönungszuge geſehen, wo alles ſchrie; nicht als<lb/> Napoleon an mir vorüberzog, den ich mit dem Glau¬<lb/> ben eines Jünglings wie einen Gott anſtaunte; aber<lb/> kehrte morgen Karl <hi rendition="#aq">X</hi>. nach Paris zurück mit ſeinem<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [95/0109]
Montag, den 24. Januar.
Geſtern, Sonntag, hat Caſimir Perrier wieder
einen Bubenſtreich begangen. An dem Tage, wo
die Kirche ſeines Glaubens geſchloſſen iſt, wo die
Börſe keinen Gottesdienſt hält, vergißt er am leich¬
teſten Gott und ſein Gebot, und folgt ſeinen böſen
Neigungen. An Börſentagen bedenkt er ſich doch noch
etwas, die Renten, das zarte, leicht verletzliche Ge¬
ſchöpf, durch allzurauhes Weſen zu ſchrecken. Ich
kenne kein Land in der Welt, ich kenne keine Zeit
in der Geſchichte, wo ein Volk unter ſo ſchmach¬
voller Herrſchaft geſtanden, als jetzt das Franzöſiſche.
Tauſendmal, ja zehntauſendmal lieber, möchte ich
einen Thron unter dem Galgen errichtet ſehen, von
Henkersknechten bedient und von Raben umſchmeichelt,
als ſehen, wie ein König auf dem Drehſtuhle trohnt
und wie ſein erſter Miniſter Glück, Ruhm und Ehre
eines großen Volks wie ein Buchhalter unter Soll
und Haben bringt. Ich habe mich nie ſo ſehr er¬
niedriget, vor einem Könige: Vivat! zu ſchreien;
nicht, da ich als gedankenloſes Kind Kaiſer Franz
im Krönungszuge geſehen, wo alles ſchrie; nicht als
Napoleon an mir vorüberzog, den ich mit dem Glau¬
ben eines Jünglings wie einen Gott anſtaunte; aber
kehrte morgen Karl X. nach Paris zurück mit ſeinem
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |