von Gagern giebt uns aber über die verborgene Phy¬ siologie der Diplomaten und Aristokraten lehrreiche und nützliche Aufschlüsse. Der große Staatsmann schreibt der kleinen allgemeinen Zeitung über Grie¬ chenland aus Hornau einen Brief. Hornau liegt aber nicht in Griechenland, sondern im Taunus, und ich glaube, daß wir vor zwei Jahren, als wir den Sommer in Soden zugebracht, eines Abends in der Schenke von Hornau Eierkuchen gegessen. Herr von Gagern schreibt: er, Herr von Stein und Ca¬ podistrias, hätten sich in Nassau und Ems oft von Griechenland unterhalten. Ich kann das bezeu¬ gen. In Ems habe ich zwei nach einander folgende Sommer diese Herren sehr oft eifrig mit einan¬ der sprechen hören. Ich hätte aber, ob ich zwar viel gehorcht, nie gedacht, daß von Griechenland die Rede sey. Es schien mir als sprächen sie von ihren eignen Angelegenheiten und denen ihrer Familie. Sie gehörten "zu den wärmsten, und eifrigsten Verthei¬ digern Griechenlands, oder der griechischen Frage." Warum Herr von Gagern das allgemein bekannte Wort Griechenland ganz ohne Noth mit griechische Frage übersetzt, will ich Ihnen erklä¬ ren. Es giebt nichts weichherzigeres, warmblütige¬ res, nervenzarteres, thränenreicheres, kurz gefühlvol¬ leres als ein Diplomat, und ein solcher hat sich sehr in Acht zu nehmen, bei seinen starken und häufigen
von Gagern giebt uns aber über die verborgene Phy¬ ſiologie der Diplomaten und Ariſtokraten lehrreiche und nützliche Aufſchlüſſe. Der große Staatsmann ſchreibt der kleinen allgemeinen Zeitung über Grie¬ chenland aus Hornau einen Brief. Hornau liegt aber nicht in Griechenland, ſondern im Taunus, und ich glaube, daß wir vor zwei Jahren, als wir den Sommer in Soden zugebracht, eines Abends in der Schenke von Hornau Eierkuchen gegeſſen. Herr von Gagern ſchreibt: er, Herr von Stein und Ca¬ podiſtrias, hätten ſich in Naſſau und Ems oft von Griechenland unterhalten. Ich kann das bezeu¬ gen. In Ems habe ich zwei nach einander folgende Sommer dieſe Herren ſehr oft eifrig mit einan¬ der ſprechen hören. Ich hätte aber, ob ich zwar viel gehorcht, nie gedacht, daß von Griechenland die Rede ſey. Es ſchien mir als ſprächen ſie von ihren eignen Angelegenheiten und denen ihrer Familie. Sie gehörten „zu den wärmſten, und eifrigſten Verthei¬ digern Griechenlands, oder der griechiſchen Frage.“ Warum Herr von Gagern das allgemein bekannte Wort Griechenland ganz ohne Noth mit griechiſche Frage überſetzt, will ich Ihnen erklä¬ ren. Es giebt nichts weichherzigeres, warmblütige¬ res, nervenzarteres, thränenreicheres, kurz gefühlvol¬ leres als ein Diplomat, und ein ſolcher hat ſich ſehr in Acht zu nehmen, bei ſeinen ſtarken und häufigen
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von Gagern giebt uns aber über die verborgene Phy¬
ſiologie der Diplomaten und Ariſtokraten lehrreiche
und nützliche Aufſchlüſſe. Der große Staatsmann
ſchreibt der kleinen allgemeinen Zeitung über Grie¬
chenland aus Hornau einen Brief. Hornau liegt
aber nicht in Griechenland, ſondern im Taunus, und
ich glaube, daß wir vor zwei Jahren, als wir den
Sommer in Soden zugebracht, eines Abends in der
Schenke von Hornau Eierkuchen gegeſſen. Herr von
Gagern ſchreibt: er, Herr von Stein und Ca¬
podiſtrias, hätten ſich in Naſſau und Ems oft
von Griechenland unterhalten. Ich kann das bezeu¬
gen. In Ems habe ich zwei nach einander folgende
Sommer dieſe Herren ſehr oft eifrig mit einan¬
der ſprechen hören. Ich hätte aber, ob ich zwar
viel gehorcht, nie gedacht, daß von Griechenland die
Rede ſey. Es ſchien mir als ſprächen ſie von ihren
eignen Angelegenheiten und denen ihrer Familie. Sie
gehörten „zu den wärmſten, und eifrigſten Verthei¬
digern Griechenlands, oder der griechiſchen
Frage.“ Warum Herr von Gagern das allgemein
bekannte Wort Griechenland ganz ohne Noth mit
griechiſche Frage überſetzt, will ich Ihnen erklä¬
ren. Es giebt nichts weichherzigeres, warmblütige¬
res, nervenzarteres, thränenreicheres, kurz gefühlvol¬
leres als ein Diplomat, und ein ſolcher hat ſich ſehr
in Acht zu nehmen, bei ſeinen ſtarken und häufigen
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/117>, abgerufen am 21.11.2024.
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