anders werden. Keine Schonung mehr, nicht im Handeln, nicht im Reden. Liegt die Freiheit hinter einem Meere von Blut -- wir holen sie; liegt sie tief im Kothe versenkt, wir holen sie auch. Darum siegt die Bosheit überall, darum wissen Dummheit und Gemeinheit immer den Vorsprung zu gewinnen, weil sie den kürzesten Weg zum Ziele nehmen, un¬ bekümmert, ob er rein sei oder schmutzig. Sie hält die Reinlichkeit nicht ab, sie gebrauchen selbst edle Mittel, wenn etwas Schlechtes dadurch zu erreichen, und wir sollten den Koth meiden, auch wenn er zum Guten führt? Wir suchen reinliche Umwege, ver¬ lieren die Zeit und alles; denn wo wir auch den Feind einholen, wo und wenn wir auch zu ihm stoßen, wir finden ihn immer im Schlamme, den wir früher oder später durchwaten müssen, wollen wir siegen für das Recht. Was andere thun für die Tyrannei, warum sollen wir es nicht für die Frei¬ heit thun? Schwert gegen Schwert, List gegen List, Koth gegen Koth, Hundegebell gegen Hundegebell. Heine sagt: auch die Freiheit müsse ihre Jesuiten haben; ich sage das auch. Aber nicht das allein, die Freiheit muß alles haben, was im Lager der Tyrannei zu finden: Stück-Knechte, Rothmäntel, Baschkiren, Marodeurs, Paukenschläger und Tro߬ buben. Lernen wir begreifen, daß die Tyrannen nur solche Waffen fürchten, die sie selbst gebrauchen; denn
anders werden. Keine Schonung mehr, nicht im Handeln, nicht im Reden. Liegt die Freiheit hinter einem Meere von Blut — wir holen ſie; liegt ſie tief im Kothe verſenkt, wir holen ſie auch. Darum ſiegt die Bosheit überall, darum wiſſen Dummheit und Gemeinheit immer den Vorſprung zu gewinnen, weil ſie den kürzeſten Weg zum Ziele nehmen, un¬ bekümmert, ob er rein ſei oder ſchmutzig. Sie hält die Reinlichkeit nicht ab, ſie gebrauchen ſelbſt edle Mittel, wenn etwas Schlechtes dadurch zu erreichen, und wir ſollten den Koth meiden, auch wenn er zum Guten führt? Wir ſuchen reinliche Umwege, ver¬ lieren die Zeit und alles; denn wo wir auch den Feind einholen, wo und wenn wir auch zu ihm ſtoßen, wir finden ihn immer im Schlamme, den wir früher oder ſpäter durchwaten müſſen, wollen wir ſiegen für das Recht. Was andere thun für die Tyrannei, warum ſollen wir es nicht für die Frei¬ heit thun? Schwert gegen Schwert, Liſt gegen Liſt, Koth gegen Koth, Hundegebell gegen Hundegebell. Heine ſagt: auch die Freiheit müſſe ihre Jeſuiten haben; ich ſage das auch. Aber nicht das allein, die Freiheit muß alles haben, was im Lager der Tyrannei zu finden: Stück-Knechte, Rothmäntel, Baſchkiren, Marodeurs, Paukenſchläger und Tro߬ buben. Lernen wir begreifen, daß die Tyrannen nur ſolche Waffen fürchten, die ſie ſelbſt gebrauchen; denn
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anders werden. Keine Schonung mehr, nicht im
Handeln, nicht im Reden. Liegt die Freiheit hinter
einem Meere von Blut — wir holen ſie; liegt ſie
tief im Kothe verſenkt, wir holen ſie auch. Darum
ſiegt die Bosheit überall, darum wiſſen Dummheit
und Gemeinheit immer den Vorſprung zu gewinnen,
weil ſie den kürzeſten Weg zum Ziele nehmen, un¬
bekümmert, ob er rein ſei oder ſchmutzig. Sie hält
die Reinlichkeit nicht ab, ſie gebrauchen ſelbſt edle
Mittel, wenn etwas Schlechtes dadurch zu erreichen,
und wir ſollten den Koth meiden, auch wenn er zum
Guten führt? Wir ſuchen reinliche Umwege, ver¬
lieren die Zeit und alles; denn wo wir auch den
Feind einholen, wo und wenn wir auch zu ihm
ſtoßen, wir finden ihn immer im Schlamme, den wir
früher oder ſpäter durchwaten müſſen, wollen wir
ſiegen für das Recht. Was andere thun für die
Tyrannei, warum ſollen wir es nicht für die Frei¬
heit thun? Schwert gegen Schwert, Liſt gegen Liſt,
Koth gegen Koth, Hundegebell gegen Hundegebell.
Heine ſagt: auch die Freiheit müſſe ihre Jeſuiten
haben; ich ſage das auch. Aber nicht das allein,
die Freiheit muß alles haben, was im Lager der
Tyrannei zu finden: Stück-Knechte, Rothmäntel,
Baſchkiren, Marodeurs, Paukenſchläger und Tro߬
buben. Lernen wir begreifen, daß die Tyrannen nur
ſolche Waffen fürchten, die ſie ſelbſt gebrauchen; denn
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/133>, abgerufen am 21.11.2024.
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