Robert, an den Rest seiner Rede denkend, sagte schmerz¬ lich lächlend: Herr, dein Wille geschehe! Sie führ¬ ten mich zurück. Bald kam ein Mann, wir blie¬ ben stehen, und Hering sagte: Justizrath! Börne! Der Justizrath erstarrte und sagte: Börne? Sontag -- göttlich! Das wiederholte sich alle zehn Schritte, bis unter die Stechbahn. Diesesmal aber waren es lauter Justizräthe. Endlich traten wir bei Justi ein, und dort wurde ich im Namen der preußischen Mon¬ archie von deren Stellvertretern mit Pfannkuchen, Chocolade und Madera bewirthet. Hering überreichte mir den ersten Pfannkuchen auf silbernem Teller, und sprach: Börne! Dieser Pfannkuchen ist ein Bild Ih¬ rer schönen Seele! Darüber mußte ich aber in ein so unbändiges Lachen ausbrechen, daß ich die Choco¬ lade umstieß, die herabfloß und mir ein ganz neues schwarzes Kleid zu Grunde richtete, das mir am nehmlichen Morgen erst der Schneider gebracht hatte. Denn am Tage vorher, den zweiten meiner Ankunft in Berlin, waren mir meine Kleider aus dem Zim¬ mer gestohlen worden, woraus ich erkannte, daß Preußen wirklich eine von republikanischen Institu¬ tionen umgebene Monarchie sei; denn je freier ein Volk, je schlechter ist seine Polizei. In Paris wurde mir nie etwas gestohlen.
Und diese Menschen, die mir einen Purpur¬ mantel umgeworfen, mich unter den Linden im
Robert, an den Reſt ſeiner Rede denkend, ſagte ſchmerz¬ lich lächlend: Herr, dein Wille geſchehe! Sie führ¬ ten mich zurück. Bald kam ein Mann, wir blie¬ ben ſtehen, und Hering ſagte: Juſtizrath! Börne! Der Juſtizrath erſtarrte und ſagte: Börne? Sontag — göttlich! Das wiederholte ſich alle zehn Schritte, bis unter die Stechbahn. Dieſesmal aber waren es lauter Juſtizräthe. Endlich traten wir bei Juſti ein, und dort wurde ich im Namen der preußiſchen Mon¬ archie von deren Stellvertretern mit Pfannkuchen, Chocolade und Madera bewirthet. Hering überreichte mir den erſten Pfannkuchen auf ſilbernem Teller, und ſprach: Börne! Dieſer Pfannkuchen iſt ein Bild Ih¬ rer ſchönen Seele! Darüber mußte ich aber in ein ſo unbändiges Lachen ausbrechen, daß ich die Choco¬ lade umſtieß, die herabfloß und mir ein ganz neues ſchwarzes Kleid zu Grunde richtete, das mir am nehmlichen Morgen erſt der Schneider gebracht hatte. Denn am Tage vorher, den zweiten meiner Ankunft in Berlin, waren mir meine Kleider aus dem Zim¬ mer geſtohlen worden, woraus ich erkannte, daß Preußen wirklich eine von republikaniſchen Inſtitu¬ tionen umgebene Monarchie ſei; denn je freier ein Volk, je ſchlechter iſt ſeine Polizei. In Paris wurde mir nie etwas geſtohlen.
Und dieſe Menſchen, die mir einen Purpur¬ mantel umgeworfen, mich unter den Linden im
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Robert, an den Reſt ſeiner Rede denkend, ſagte ſchmerz¬
lich lächlend: Herr, dein Wille geſchehe! Sie führ¬
ten mich zurück. Bald kam ein Mann, wir blie¬
ben ſtehen, und Hering ſagte: Juſtizrath! Börne!
Der Juſtizrath erſtarrte und ſagte: Börne? Sontag
— göttlich! Das wiederholte ſich alle zehn Schritte,
bis unter die Stechbahn. Dieſesmal aber waren es
lauter Juſtizräthe. Endlich traten wir bei Juſti ein,
und dort wurde ich im Namen der preußiſchen Mon¬
archie von deren Stellvertretern mit Pfannkuchen,
Chocolade und Madera bewirthet. Hering überreichte
mir den erſten Pfannkuchen auf ſilbernem Teller, und
ſprach: Börne! Dieſer Pfannkuchen iſt ein Bild Ih¬
rer ſchönen Seele! Darüber mußte ich aber in ein
ſo unbändiges Lachen ausbrechen, daß ich die Choco¬
lade umſtieß, die herabfloß und mir ein ganz neues
ſchwarzes Kleid zu Grunde richtete, das mir am
nehmlichen Morgen erſt der Schneider gebracht hatte.
Denn am Tage vorher, den zweiten meiner Ankunft
in Berlin, waren mir meine Kleider aus dem Zim¬
mer geſtohlen worden, woraus ich erkannte, daß
Preußen wirklich eine von republikaniſchen Inſtitu¬
tionen umgebene Monarchie ſei; denn je freier ein
Volk, je ſchlechter iſt ſeine Polizei. In Paris
wurde mir nie etwas geſtohlen.
Und dieſe Menſchen, die mir einen Purpur¬
mantel umgeworfen, mich unter den Linden im
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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/190>, abgerufen am 16.02.2025.
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