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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

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nur allein stellen, alle Schuld auf mich allein häufen;
das ist ein Pfiff, den sie von irgend einem abgesetz¬
ten Polizei-Diener gelernt. Vielleicht hoffen sie auch
auf diese Weise, mir den Namen des braven Man¬
nes abzulocken, der den Brief geschrieben. O! geht,
geht. Ich bin ein gerader schlichter Mann, aber für
euch bin ich noch zehntausendmal zu schlau.

Der Referendär hat mir auch vorgeworfen, ich
hätte nichts gelernt, ich wäre ein unwissender Mensch!
Oder hat es mir Robert vorgeworfen, oder Pittschaft,
oder ein Anderer? Die vielen Grobheiten haben
mich ganz verwirrt gemacht; daher kann ich unmög¬
lich darüber Buch und Rechnung führen. Ich muß
es mit meinen Gegnern machen, wie es einmal
Schinderhannes mit einem Trupp Juden gemacht, der
ihm in seine Hand gefallen. Er zwang sie alle,
ihre schmutzigen Stiefel auszuziehen; diese warf er
untereinander und befahl ihnen, sie jetzt wieder anzu¬
ziehen. Nun hätte man das Geschrei und Zanken
der Juden hören müssen, wie sie einander in die
Haare fielen und sich die Stiefel aus den Händen
rissen. Schinderhannes stand dabei und hielt sich die
Seiten. Wie kommt es aber, daß mich noch keiner
von euch Schinderhannes genannt? Ihr seyd
doch im S eures Schimpfwörterbuchs und schon über
die Schmeisfliege hinaus. Aber jetzt ist es zu
spät. Wer mich jetzt Schinderhannes nennt, der ist

nur allein ſtellen, alle Schuld auf mich allein häufen;
das iſt ein Pfiff, den ſie von irgend einem abgeſetz¬
ten Polizei-Diener gelernt. Vielleicht hoffen ſie auch
auf dieſe Weiſe, mir den Namen des braven Man¬
nes abzulocken, der den Brief geſchrieben. O! geht,
geht. Ich bin ein gerader ſchlichter Mann, aber für
euch bin ich noch zehntauſendmal zu ſchlau.

Der Referendär hat mir auch vorgeworfen, ich
hätte nichts gelernt, ich wäre ein unwiſſender Menſch!
Oder hat es mir Robert vorgeworfen, oder Pittſchaft,
oder ein Anderer? Die vielen Grobheiten haben
mich ganz verwirrt gemacht; daher kann ich unmög¬
lich darüber Buch und Rechnung führen. Ich muß
es mit meinen Gegnern machen, wie es einmal
Schinderhannes mit einem Trupp Juden gemacht, der
ihm in ſeine Hand gefallen. Er zwang ſie alle,
ihre ſchmutzigen Stiefel auszuziehen; dieſe warf er
untereinander und befahl ihnen, ſie jetzt wieder anzu¬
ziehen. Nun hätte man das Geſchrei und Zanken
der Juden hören müſſen, wie ſie einander in die
Haare fielen und ſich die Stiefel aus den Händen
riſſen. Schinderhannes ſtand dabei und hielt ſich die
Seiten. Wie kommt es aber, daß mich noch keiner
von euch Schinderhannes genannt? Ihr ſeyd
doch im S eures Schimpfwörterbuchs und ſchon über
die Schmeisfliege hinaus. Aber jetzt iſt es zu
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[178/0192] nur allein ſtellen, alle Schuld auf mich allein häufen; das iſt ein Pfiff, den ſie von irgend einem abgeſetz¬ ten Polizei-Diener gelernt. Vielleicht hoffen ſie auch auf dieſe Weiſe, mir den Namen des braven Man¬ nes abzulocken, der den Brief geſchrieben. O! geht, geht. Ich bin ein gerader ſchlichter Mann, aber für euch bin ich noch zehntauſendmal zu ſchlau. Der Referendär hat mir auch vorgeworfen, ich hätte nichts gelernt, ich wäre ein unwiſſender Menſch! Oder hat es mir Robert vorgeworfen, oder Pittſchaft, oder ein Anderer? Die vielen Grobheiten haben mich ganz verwirrt gemacht; daher kann ich unmög¬ lich darüber Buch und Rechnung führen. Ich muß es mit meinen Gegnern machen, wie es einmal Schinderhannes mit einem Trupp Juden gemacht, der ihm in ſeine Hand gefallen. Er zwang ſie alle, ihre ſchmutzigen Stiefel auszuziehen; dieſe warf er untereinander und befahl ihnen, ſie jetzt wieder anzu¬ ziehen. Nun hätte man das Geſchrei und Zanken der Juden hören müſſen, wie ſie einander in die Haare fielen und ſich die Stiefel aus den Händen riſſen. Schinderhannes ſtand dabei und hielt ſich die Seiten. Wie kommt es aber, daß mich noch keiner von euch Schinderhannes genannt? Ihr ſeyd doch im S eures Schimpfwörterbuchs und ſchon über die Schmeisfliege hinaus. Aber jetzt iſt es zu ſpät. Wer mich jetzt Schinderhannes nennt, der iſt

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/192>, abgerufen am 21.11.2024.