Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833.

Bild:
<< vorherige Seite

und war einer tüchtig getroffen, so ging er zum
Schmidt und den andern Tag war alles wieder
gut. Das hundsföttische Pulver war noch nicht
erfunden.

"Nun hört weiter. Die Ritter hatten zwar
große Schlösser, schöne Pferde, viele Jagdhunde und
Knechte; aber sie hatten kein Geld. Woher wollten
sie Geld haben? Sie arbeiteten niemals und ver¬
dienten also nichts. Aber alle Menschen sind Got¬
tes Kinder, und wenn es einen Menschen giebt, der
nichts arbeitet, ist es Christenpflicht, daß der Andere,
welcher arbeitet, ihn ernährt. Die frommen Ritter,
welche Gottes Gebot kannten und ehrten, richteten
sich auch darnach, und so oft sie Geld brauchten,
nahmen sie es von den Arbeitsleuten, die welches hat¬
ten; und das machten sie so. Auf die hohen Thürme
ihrer Burgen stellten sie einen armen Knecht mit ei¬
nem Horn, der mußte Tag und Nacht Acht geben,
und umher schauen, und sobald ein Schiff mit Waa¬
ren den Rhein hinauffuhr, oder ein Wagen auf der
Chaussee kam, um ihre Ladung auf die Frankfurter
Messe zu bringen, stieß der Knecht ins Horn. Die
Ritter, die das Zeichen verstanden, sprangen darauf
vom Tische oder aus dem Bette auf, ergriffen ihr
Schwert und eilten die Burg hinab. Schiff und
Wagen wurde angehalten, Schiffer, Fuhrleute und
Kaufherren wacker durchgebläut, Kisten und Kasten

und war einer tüchtig getroffen, ſo ging er zum
Schmidt und den andern Tag war alles wieder
gut. Das hundsföttiſche Pulver war noch nicht
erfunden.

„Nun hört weiter. Die Ritter hatten zwar
große Schlöſſer, ſchöne Pferde, viele Jagdhunde und
Knechte; aber ſie hatten kein Geld. Woher wollten
ſie Geld haben? Sie arbeiteten niemals und ver¬
dienten alſo nichts. Aber alle Menſchen ſind Got¬
tes Kinder, und wenn es einen Menſchen giebt, der
nichts arbeitet, iſt es Chriſtenpflicht, daß der Andere,
welcher arbeitet, ihn ernährt. Die frommen Ritter,
welche Gottes Gebot kannten und ehrten, richteten
ſich auch darnach, und ſo oft ſie Geld brauchten,
nahmen ſie es von den Arbeitsleuten, die welches hat¬
ten; und das machten ſie ſo. Auf die hohen Thürme
ihrer Burgen ſtellten ſie einen armen Knecht mit ei¬
nem Horn, der mußte Tag und Nacht Acht geben,
und umher ſchauen, und ſobald ein Schiff mit Waa¬
ren den Rhein hinauffuhr, oder ein Wagen auf der
Chauſſee kam, um ihre Ladung auf die Frankfurter
Meſſe zu bringen, ſtieß der Knecht ins Horn. Die
Ritter, die das Zeichen verſtanden, ſprangen darauf
vom Tiſche oder aus dem Bette auf, ergriffen ihr
Schwert und eilten die Burg hinab. Schiff und
Wagen wurde angehalten, Schiffer, Fuhrleute und
Kaufherren wacker durchgebläut, Kiſten und Kaſten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0096" n="82"/>
und war einer tüchtig getroffen, &#x017F;o ging er zum<lb/>
Schmidt und den andern Tag war alles wieder<lb/>
gut. Das hundsfötti&#x017F;che Pulver war noch nicht<lb/>
erfunden.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Nun hört weiter. Die Ritter hatten zwar<lb/>
große Schlö&#x017F;&#x017F;er, &#x017F;chöne Pferde, viele Jagdhunde und<lb/>
Knechte; aber &#x017F;ie hatten kein Geld. Woher wollten<lb/>
&#x017F;ie Geld haben? Sie arbeiteten niemals und ver¬<lb/>
dienten al&#x017F;o nichts. Aber alle Men&#x017F;chen &#x017F;ind Got¬<lb/>
tes Kinder, und wenn es einen Men&#x017F;chen giebt, der<lb/>
nichts arbeitet, i&#x017F;t es Chri&#x017F;tenpflicht, daß der Andere,<lb/>
welcher arbeitet, ihn ernährt. Die frommen Ritter,<lb/>
welche Gottes Gebot kannten und ehrten, richteten<lb/>
&#x017F;ich auch darnach, und &#x017F;o oft &#x017F;ie Geld brauchten,<lb/>
nahmen &#x017F;ie es von den Arbeitsleuten, die welches hat¬<lb/>
ten; und das machten &#x017F;ie &#x017F;o. Auf die hohen Thürme<lb/>
ihrer Burgen &#x017F;tellten &#x017F;ie einen armen Knecht mit ei¬<lb/>
nem Horn, der mußte Tag und Nacht Acht geben,<lb/>
und umher &#x017F;chauen, und &#x017F;obald ein Schiff mit Waa¬<lb/>
ren den Rhein hinauffuhr, oder ein Wagen auf der<lb/>
Chau&#x017F;&#x017F;ee kam, um ihre Ladung auf die Frankfurter<lb/>
Me&#x017F;&#x017F;e zu bringen, &#x017F;tieß der Knecht ins Horn. Die<lb/>
Ritter, die das Zeichen ver&#x017F;tanden, &#x017F;prangen darauf<lb/>
vom Ti&#x017F;che oder aus dem Bette auf, ergriffen ihr<lb/>
Schwert und eilten die Burg hinab. Schiff und<lb/>
Wagen wurde angehalten, Schiffer, Fuhrleute und<lb/>
Kaufherren wacker durchgebläut, Ki&#x017F;ten und Ka&#x017F;ten<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[82/0096] und war einer tüchtig getroffen, ſo ging er zum Schmidt und den andern Tag war alles wieder gut. Das hundsföttiſche Pulver war noch nicht erfunden. „Nun hört weiter. Die Ritter hatten zwar große Schlöſſer, ſchöne Pferde, viele Jagdhunde und Knechte; aber ſie hatten kein Geld. Woher wollten ſie Geld haben? Sie arbeiteten niemals und ver¬ dienten alſo nichts. Aber alle Menſchen ſind Got¬ tes Kinder, und wenn es einen Menſchen giebt, der nichts arbeitet, iſt es Chriſtenpflicht, daß der Andere, welcher arbeitet, ihn ernährt. Die frommen Ritter, welche Gottes Gebot kannten und ehrten, richteten ſich auch darnach, und ſo oft ſie Geld brauchten, nahmen ſie es von den Arbeitsleuten, die welches hat¬ ten; und das machten ſie ſo. Auf die hohen Thürme ihrer Burgen ſtellten ſie einen armen Knecht mit ei¬ nem Horn, der mußte Tag und Nacht Acht geben, und umher ſchauen, und ſobald ein Schiff mit Waa¬ ren den Rhein hinauffuhr, oder ein Wagen auf der Chauſſee kam, um ihre Ladung auf die Frankfurter Meſſe zu bringen, ſtieß der Knecht ins Horn. Die Ritter, die das Zeichen verſtanden, ſprangen darauf vom Tiſche oder aus dem Bette auf, ergriffen ihr Schwert und eilten die Burg hinab. Schiff und Wagen wurde angehalten, Schiffer, Fuhrleute und Kaufherren wacker durchgebläut, Kiſten und Kaſten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/96
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 4. Offenbach, 1833, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris04_1833/96>, abgerufen am 21.11.2024.