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Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

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den er empfangen sie zu verrathen. Ich höre, Sa¬
phir wundert sich daß man ihn nicht bezahlt, und
daß man ihn nicht einmal gebraucht. Wenn man
ihn also bezahlte und doch nicht gebrauchte, würde
er sich um so mehr wundern. Begreift er denn
nicht, daß wenn die Höfe einen unabhängigen Geist
kaufen, dieses gar nicht geschieht um ihn zu verwenden?
Was haben sie solchen nöthig? Es fehlt ihnen an
Knechten nicht. Sie kaufen ihn nur, um ihn zu
zerstören, um die menschliche Würde zu entheiligen,
und frohlocken zu können: "Seht, so sind euere Op¬
positionshelden, euere Liberalen, euere Republikaner!
Für Gold sind sie alle zu haben." Die Royalisten
möchten die Ansicht geltend machen, ein wahrhaft
Liberaler müsse uneigennützig, ein Republikaner tu¬
gendhaft sein. Es ist Schelmerei; sie möchten dem
Liberalismus und dem Republikanismus den Handel
verderben; denn mit so großen Aufopferungen, wird
sich ihnen selten einer ergeben wollen. Ich kann
aber meinen Glaubensgenossen, den Liberalen, zu
ihrer Beruhigung die Versicherung geben, daß unsere
politische Religion uns gar nicht verbietet, nach Her¬
zenslust Egoisten zu sein. Es giebt sehr viele edle
Menschen unter den Royalisten und sehr viele Schufte
unter den Republikanern. Aber das beweist weder
für die Monarchie noch gegen die Republik. Viel¬
leicht fragen Sie mich: wenn das aber so ist, wenn

den er empfangen ſie zu verrathen. Ich höre, Sa¬
phir wundert ſich daß man ihn nicht bezahlt, und
daß man ihn nicht einmal gebraucht. Wenn man
ihn alſo bezahlte und doch nicht gebrauchte, würde
er ſich um ſo mehr wundern. Begreift er denn
nicht, daß wenn die Höfe einen unabhängigen Geiſt
kaufen, dieſes gar nicht geſchieht um ihn zu verwenden?
Was haben ſie ſolchen nöthig? Es fehlt ihnen an
Knechten nicht. Sie kaufen ihn nur, um ihn zu
zerſtören, um die menſchliche Würde zu entheiligen,
und frohlocken zu können: „Seht, ſo ſind euere Op¬
poſitionshelden, euere Liberalen, euere Republikaner!
Für Gold ſind ſie alle zu haben.“ Die Royaliſten
möchten die Anſicht geltend machen, ein wahrhaft
Liberaler müſſe uneigennützig, ein Republikaner tu¬
gendhaft ſein. Es iſt Schelmerei; ſie möchten dem
Liberalismus und dem Republikanismus den Handel
verderben; denn mit ſo großen Aufopferungen, wird
ſich ihnen ſelten einer ergeben wollen. Ich kann
aber meinen Glaubensgenoſſen, den Liberalen, zu
ihrer Beruhigung die Verſicherung geben, daß unſere
politiſche Religion uns gar nicht verbietet, nach Her¬
zensluſt Egoiſten zu ſein. Es giebt ſehr viele edle
Menſchen unter den Royaliſten und ſehr viele Schufte
unter den Republikanern. Aber das beweiſt weder
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[108/0120] den er empfangen ſie zu verrathen. Ich höre, Sa¬ phir wundert ſich daß man ihn nicht bezahlt, und daß man ihn nicht einmal gebraucht. Wenn man ihn alſo bezahlte und doch nicht gebrauchte, würde er ſich um ſo mehr wundern. Begreift er denn nicht, daß wenn die Höfe einen unabhängigen Geiſt kaufen, dieſes gar nicht geſchieht um ihn zu verwenden? Was haben ſie ſolchen nöthig? Es fehlt ihnen an Knechten nicht. Sie kaufen ihn nur, um ihn zu zerſtören, um die menſchliche Würde zu entheiligen, und frohlocken zu können: „Seht, ſo ſind euere Op¬ poſitionshelden, euere Liberalen, euere Republikaner! Für Gold ſind ſie alle zu haben.“ Die Royaliſten möchten die Anſicht geltend machen, ein wahrhaft Liberaler müſſe uneigennützig, ein Republikaner tu¬ gendhaft ſein. Es iſt Schelmerei; ſie möchten dem Liberalismus und dem Republikanismus den Handel verderben; denn mit ſo großen Aufopferungen, wird ſich ihnen ſelten einer ergeben wollen. Ich kann aber meinen Glaubensgenoſſen, den Liberalen, zu ihrer Beruhigung die Verſicherung geben, daß unſere politiſche Religion uns gar nicht verbietet, nach Her¬ zensluſt Egoiſten zu ſein. Es giebt ſehr viele edle Menſchen unter den Royaliſten und ſehr viele Schufte unter den Republikanern. Aber das beweiſt weder für die Monarchie noch gegen die Republik. Viel¬ leicht fragen Sie mich: wenn das aber ſo iſt, wenn

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Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/120>, abgerufen am 21.11.2024.