Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.

Bild:
<< vorherige Seite

der Liberalismus und die Republikanische Verhaftung
die Menschen nicht besser macht, was wird dabei ge¬
wonnen? Darauf erwidere ich Ihnen; der Repu¬
blikanismus macht die Menschen nicht besser aber
den Menschen. Der Egoismus in einer republika¬
nischen Sphäre, ist weder so breit im Raume, noch
so lang in der Zeit, als der Egoismus in einer mo¬
narchischen Sphäre. Nicht so breit -- durch Kor¬
porations-Geist
; nicht so lang -- durch Erb¬
lichkeit
. Er beginnt und endet mit dem Leben, und
tritt nicht über den Kreis der Familie hinaus. In¬
dividuel wie er ist, hat er nicht Raum genug unge¬
heuer, nicht Zeit genug trostlos zu werden für die
bürgerliche Gesellschaft. Die Person hat die
Verantwortlichkeit aller ihrer Handlungen auf sich
allein zu nehmen, und dieses Gefühl wird auch der
lasterhaftesten Natur Schranken setzen. Aber der Adel
hat kein Gewissen; denn er theilt die Schuld mit
den Tausenden seines Standes. Aber der schlechteste
Fürst kann sich gerecht dünken; denn er betrachtet
sich als einen treuen Verwalter, der ein Gut,
das ihm von seinen Vorfahren anvertraut worden,
ungeschmälert seinen Nachkommen überliefern will.
Ich werde Ihnen das ein andersmal, deutlicher
und umständlicher auseinander setzen. Wenn Sie
wißbegierig sind erinnern Sie mich daran; meine

der Liberalismus und die Republikaniſche Verhaftung
die Menſchen nicht beſſer macht, was wird dabei ge¬
wonnen? Darauf erwidere ich Ihnen; der Repu¬
blikanismus macht die Menſchen nicht beſſer aber
den Menſchen. Der Egoismus in einer republika¬
niſchen Sphäre, iſt weder ſo breit im Raume, noch
ſo lang in der Zeit, als der Egoismus in einer mo¬
narchiſchen Sphäre. Nicht ſo breit — durch Kor¬
porations-Geiſt
; nicht ſo lang — durch Erb¬
lichkeit
. Er beginnt und endet mit dem Leben, und
tritt nicht über den Kreis der Familie hinaus. In¬
dividuel wie er iſt, hat er nicht Raum genug unge¬
heuer, nicht Zeit genug troſtlos zu werden für die
bürgerliche Geſellſchaft. Die Perſon hat die
Verantwortlichkeit aller ihrer Handlungen auf ſich
allein zu nehmen, und dieſes Gefühl wird auch der
laſterhafteſten Natur Schranken ſetzen. Aber der Adel
hat kein Gewiſſen; denn er theilt die Schuld mit
den Tauſenden ſeines Standes. Aber der ſchlechteſte
Fürſt kann ſich gerecht dünken; denn er betrachtet
ſich als einen treuen Verwalter, der ein Gut,
das ihm von ſeinen Vorfahren anvertraut worden,
ungeſchmälert ſeinen Nachkommen überliefern will.
Ich werde Ihnen das ein andersmal, deutlicher
und umſtändlicher auseinander ſetzen. Wenn Sie
wißbegierig ſind erinnern Sie mich daran; meine

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0121" n="109"/>
der Liberalismus und die Republikani&#x017F;che Verhaftung<lb/>
die Men&#x017F;chen nicht be&#x017F;&#x017F;er macht, was wird dabei ge¬<lb/>
wonnen? Darauf erwidere ich Ihnen; der Repu¬<lb/>
blikanismus macht <hi rendition="#g">die</hi> Men&#x017F;chen nicht be&#x017F;&#x017F;er aber<lb/><hi rendition="#g">den</hi> Men&#x017F;chen. Der Egoismus in einer republika¬<lb/>
ni&#x017F;chen Sphäre, i&#x017F;t weder &#x017F;o breit im Raume, noch<lb/>
&#x017F;o lang in der Zeit, als der <choice><sic>Egoismrs</sic><corr>Egoismus</corr></choice> in einer mo¬<lb/>
narchi&#x017F;chen Sphäre. Nicht &#x017F;o breit &#x2014; durch <hi rendition="#g">Kor¬<lb/>
porations-Gei&#x017F;t</hi>; nicht &#x017F;o lang &#x2014; durch <hi rendition="#g">Erb¬<lb/>
lichkeit</hi>. Er beginnt und endet mit dem Leben, und<lb/>
tritt nicht über den Kreis der Familie hinaus. In¬<lb/>
dividuel wie er i&#x017F;t, hat er nicht Raum genug unge¬<lb/>
heuer, nicht Zeit genug tro&#x017F;tlos zu werden für die<lb/>
bürgerliche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft. Die <hi rendition="#g">Per&#x017F;on</hi> hat die<lb/>
Verantwortlichkeit aller ihrer Handlungen auf &#x017F;ich<lb/>
allein zu nehmen, und die&#x017F;es Gefühl wird auch der<lb/>
la&#x017F;terhafte&#x017F;ten Natur Schranken &#x017F;etzen. Aber der <hi rendition="#g">Adel</hi><lb/>
hat kein Gewi&#x017F;&#x017F;en; denn er theilt die Schuld mit<lb/>
den Tau&#x017F;enden &#x017F;eines Standes. Aber der &#x017F;chlechte&#x017F;te<lb/><hi rendition="#g">Für&#x017F;t</hi> kann &#x017F;ich gerecht dünken; denn er betrachtet<lb/>
&#x017F;ich als einen treuen Verwalter, der ein Gut,<lb/>
das ihm von &#x017F;einen Vorfahren anvertraut worden,<lb/>
unge&#x017F;chmälert &#x017F;einen Nachkommen überliefern will.<lb/>
Ich werde Ihnen das ein andersmal, deutlicher<lb/>
und um&#x017F;tändlicher auseinander &#x017F;etzen. Wenn Sie<lb/>
wißbegierig &#x017F;ind erinnern Sie mich daran; meine<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[109/0121] der Liberalismus und die Republikaniſche Verhaftung die Menſchen nicht beſſer macht, was wird dabei ge¬ wonnen? Darauf erwidere ich Ihnen; der Repu¬ blikanismus macht die Menſchen nicht beſſer aber den Menſchen. Der Egoismus in einer republika¬ niſchen Sphäre, iſt weder ſo breit im Raume, noch ſo lang in der Zeit, als der Egoismus in einer mo¬ narchiſchen Sphäre. Nicht ſo breit — durch Kor¬ porations-Geiſt; nicht ſo lang — durch Erb¬ lichkeit. Er beginnt und endet mit dem Leben, und tritt nicht über den Kreis der Familie hinaus. In¬ dividuel wie er iſt, hat er nicht Raum genug unge¬ heuer, nicht Zeit genug troſtlos zu werden für die bürgerliche Geſellſchaft. Die Perſon hat die Verantwortlichkeit aller ihrer Handlungen auf ſich allein zu nehmen, und dieſes Gefühl wird auch der laſterhafteſten Natur Schranken ſetzen. Aber der Adel hat kein Gewiſſen; denn er theilt die Schuld mit den Tauſenden ſeines Standes. Aber der ſchlechteſte Fürſt kann ſich gerecht dünken; denn er betrachtet ſich als einen treuen Verwalter, der ein Gut, das ihm von ſeinen Vorfahren anvertraut worden, ungeſchmälert ſeinen Nachkommen überliefern will. Ich werde Ihnen das ein andersmal, deutlicher und umſtändlicher auseinander ſetzen. Wenn Sie wißbegierig ſind erinnern Sie mich daran; meine

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/121
Zitationshilfe: Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834, S. 109. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/boerne_paris06_1834/121>, abgerufen am 21.11.2024.