Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.Von diesen erfuhr sie, Gennaro sei jetzt in Venedig. Von dieſen erfuhr ſie, Gennaro ſei jetzt in Venedig. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0137" n="125"/> Von dieſen erfuhr ſie, Gennaro ſei jetzt in Venedig.<lb/> Sie eilte ihm nach, ſich an ſeinem Angeſichte zu er¬<lb/> freuen. Sie findet ihn ſchlafend, betrachtet ihn lange<lb/> mit Entzücken und weckt ihn endlich durch einen Kuß.<lb/> Gennaro ſchlägt die Augen auf und ſieht angenehm<lb/> überraſcht eine ſchöne Frau zu ſeiner Seite. Zwar<lb/> hat er ſchon eine Liebe, aber das im Schlafe zu¬<lb/> gefallene Glück mag er darum doch nicht verſchmähen.<lb/> Er iſt artig gegen die Schöne und das Heilige ihrer<lb/> zärtlichen Erwiederung ahndet der Jüngling nicht.<lb/> Er geſteht ihr, er fühle ſich durch eine wunderbare<lb/> Gewalt zu ihr hingezogen, ihr könne er alle ſeine<lb/> Geheimniſſe vertrauen. Er erzählt ihr von ſeiner<lb/> unbekannten Mutter, liest ihr die Briefe vor, die<lb/> er durch fremde Hand von ihr erhalten. Lucrecia<lb/> Borgia vergißt alle ihre Verbrechen und iſt einmal<lb/> glücklich, weil ſie ſich ſchuldlos fühlt. Aber von<lb/> dem Balkon des Pallaſtes herab, hat einer der<lb/> Edelleute Lucrecia Borgia erkannt. Er theilt das<lb/> Geheimniß ſeinen Freunden mit. Sie alle hatten<lb/> eine Blutſchuld an ihr zu rächen. Sie ſtürzen mit<lb/> Fackeln in den Garten hinab und wie die Rachegötter<lb/> umringen ſie Lucrecia. Einer tritt nach dem Andern<lb/> hervor, einer ſchreit nach dem Andern: du haſt<lb/> meinen Vater, du haſt meinen Oheim ermordet.<lb/> Lucrecia, ſonſt abgehärtet gegen ſolchen Vorwurf,<lb/> fühlt ſich jetzt zerſchmettert von ihm. Sie kann<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [125/0137]
Von dieſen erfuhr ſie, Gennaro ſei jetzt in Venedig.
Sie eilte ihm nach, ſich an ſeinem Angeſichte zu er¬
freuen. Sie findet ihn ſchlafend, betrachtet ihn lange
mit Entzücken und weckt ihn endlich durch einen Kuß.
Gennaro ſchlägt die Augen auf und ſieht angenehm
überraſcht eine ſchöne Frau zu ſeiner Seite. Zwar
hat er ſchon eine Liebe, aber das im Schlafe zu¬
gefallene Glück mag er darum doch nicht verſchmähen.
Er iſt artig gegen die Schöne und das Heilige ihrer
zärtlichen Erwiederung ahndet der Jüngling nicht.
Er geſteht ihr, er fühle ſich durch eine wunderbare
Gewalt zu ihr hingezogen, ihr könne er alle ſeine
Geheimniſſe vertrauen. Er erzählt ihr von ſeiner
unbekannten Mutter, liest ihr die Briefe vor, die
er durch fremde Hand von ihr erhalten. Lucrecia
Borgia vergißt alle ihre Verbrechen und iſt einmal
glücklich, weil ſie ſich ſchuldlos fühlt. Aber von
dem Balkon des Pallaſtes herab, hat einer der
Edelleute Lucrecia Borgia erkannt. Er theilt das
Geheimniß ſeinen Freunden mit. Sie alle hatten
eine Blutſchuld an ihr zu rächen. Sie ſtürzen mit
Fackeln in den Garten hinab und wie die Rachegötter
umringen ſie Lucrecia. Einer tritt nach dem Andern
hervor, einer ſchreit nach dem Andern: du haſt
meinen Vater, du haſt meinen Oheim ermordet.
Lucrecia, ſonſt abgehärtet gegen ſolchen Vorwurf,
fühlt ſich jetzt zerſchmettert von ihm. Sie kann
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