Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.seine Schmerzen, seine Genesung, seinen Arzt und Figaro's Hochzeit war eine Welt-Komödie, bil¬ ſeine Schmerzen, ſeine Geneſung, ſeinen Arzt und Figaro's Hochzeit war eine Welt-Komödie, bil¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0044" n="32"/> ſeine Schmerzen, ſeine Geneſung, ſeinen Arzt und<lb/> ſeine Geſundheit vergeſſen. Jener Figaro, jenes<lb/> große Zeughaus voll Spott, Tadel, Witz, Humor<lb/> und Satyre, daß einſt eine Welt gegen eine Welt<lb/> bewaffnete, was iſt aus ihm geworden? verſchmäh¬<lb/> tes Kinderſpielwerk; das erwachſene Volk hat keine<lb/> Freude mehr daran. Wo ſonſt der Sturm des Bei¬<lb/> falls tobte, da war es ſtill; man klatſchte nicht,<lb/> man lächelte kaum. 1785 kam das Stück auf die<lb/> Bühne, 1789 wurde es unter freiem Himmel aufge¬<lb/> führt. Beaumarchais hatte die Möbels der Monar¬<lb/> chie mit zarter Pfauenfeder leicht abgeſtäupt; fünf<lb/> Jahre ſpäter zerſchlug die Nationalverſammlung die<lb/> Möbels, und bald ſtürzte das leere Haus zuſammen.<lb/> Staub iſt die Schminke jeder alten Monarchie; den<lb/> fort, und man ſieht ihre Runzeln, ihr garſtiges Per¬<lb/> gament, und ſie wird ein Spott der Jugend.</p><lb/> <p>Figaro's Hochzeit war eine Welt-Komödie, bil¬<lb/> dete Epoche in der großen und majeſtätiſchen Geſchichte<lb/> Frankreichs. Und kömmt mir einer und kauderwelſcht<lb/> von Demagogen, von Volksverführern, von Zeitungs¬<lb/> ſchreibern, von Lügenverbreitern, von Revolutios-Fa¬<lb/> brikanten: ſo will ich ihm beweiſen, bis er roth<lb/> wird, daß Ludwig <hi rendition="#aq">XIV</hi>. indem er die Aufführung<lb/> des Tartüffe, und Ludwig <hi rendition="#aq">XVI</hi>. indem er die Auf¬<lb/> führung des Figaro geſtattete — jener der Geiſtlich¬<lb/> keit, dieſer dem Adel die erſte Wunde beigebracht,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [32/0044]
ſeine Schmerzen, ſeine Geneſung, ſeinen Arzt und
ſeine Geſundheit vergeſſen. Jener Figaro, jenes
große Zeughaus voll Spott, Tadel, Witz, Humor
und Satyre, daß einſt eine Welt gegen eine Welt
bewaffnete, was iſt aus ihm geworden? verſchmäh¬
tes Kinderſpielwerk; das erwachſene Volk hat keine
Freude mehr daran. Wo ſonſt der Sturm des Bei¬
falls tobte, da war es ſtill; man klatſchte nicht,
man lächelte kaum. 1785 kam das Stück auf die
Bühne, 1789 wurde es unter freiem Himmel aufge¬
führt. Beaumarchais hatte die Möbels der Monar¬
chie mit zarter Pfauenfeder leicht abgeſtäupt; fünf
Jahre ſpäter zerſchlug die Nationalverſammlung die
Möbels, und bald ſtürzte das leere Haus zuſammen.
Staub iſt die Schminke jeder alten Monarchie; den
fort, und man ſieht ihre Runzeln, ihr garſtiges Per¬
gament, und ſie wird ein Spott der Jugend.
Figaro's Hochzeit war eine Welt-Komödie, bil¬
dete Epoche in der großen und majeſtätiſchen Geſchichte
Frankreichs. Und kömmt mir einer und kauderwelſcht
von Demagogen, von Volksverführern, von Zeitungs¬
ſchreibern, von Lügenverbreitern, von Revolutios-Fa¬
brikanten: ſo will ich ihm beweiſen, bis er roth
wird, daß Ludwig XIV. indem er die Aufführung
des Tartüffe, und Ludwig XVI. indem er die Auf¬
führung des Figaro geſtattete — jener der Geiſtlich¬
keit, dieſer dem Adel die erſte Wunde beigebracht,
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