Börne, Ludwig: Briefe aus Paris. Bd. 6. Paris, 1834.duldig behandeln lassen; aber wie einen Schulbuben Und warum sind sie Schulbuben, wo sie sich In Cassel feierten sie den Jahrestag der Ver¬ duldig behandeln laſſen; aber wie einen Schulbuben Und warum ſind ſie Schulbuben, wo ſie ſich In Caſſel feierten ſie den Jahrestag der Ver¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0091" n="79"/> duldig behandeln laſſen; aber wie einen Schulbuben<lb/> — nie.</p><lb/> <p>Und warum ſind ſie Schulbuben, wo ſie ſich<lb/> die Schwächeren fühlen? Weil ſie Schulmeiſter ſind<lb/> wo die Stärkeren; der ganze Unterſchied beſteht nur<lb/> in den Jahren. Ihre Frömmigkeit, ihre Sentimen¬<lb/> talität richtet ſie zu Grunde. Vor lauter Begeiſte¬<lb/> rung für das Gute, verlieren ſie den Geiſt es zu<lb/> Stande zu bringen. Thränen der Menſchenliebe und<lb/> Rührung verdunkeln ihnen den Blick, und der dümmſte<lb/> Jäger kann ſie dann mit Händen fangen. So ein<lb/> edler Deputirter ſitzt, ohne es zu merken, wie ein<lb/> Falk auf der Fauſt ſeines gnädigen Herrn und zeigt<lb/> ſich etwas hoch oben in der Luft, was der gnädige<lb/> Herr mit ſeinem Geſchoſſe nicht erreichen kann,<lb/> nimmt er ihm die Kappe ab und läßt ihn ſteigen.<lb/> Das edle Thier ſteigt, ſteigt, ſteigt, holt aus den<lb/> Wolken ein Täubchen herab, und den Blick von der<lb/> Sonne geblendet, gewahrt er gar nicht, daß er wieder<lb/> zur alten Fauſt zurückkehrt und man ihm die Kappe<lb/> von neuem über die Augen gezogen. Dann lachen<lb/> die Junker verſtohlen.</p><lb/> <p>In Caſſel feierten ſie den Jahrestag der Ver¬<lb/> faſſung und ſchrieben am folgenden Tage: „<hi rendition="#g">Tau¬<lb/> ſend ſtille Gebete und Wünſche für ſie ſtei¬<lb/> gen zu dem Ewigen</hi>.“ Aber der Ewige ſelbſt,<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [79/0091]
duldig behandeln laſſen; aber wie einen Schulbuben
— nie.
Und warum ſind ſie Schulbuben, wo ſie ſich
die Schwächeren fühlen? Weil ſie Schulmeiſter ſind
wo die Stärkeren; der ganze Unterſchied beſteht nur
in den Jahren. Ihre Frömmigkeit, ihre Sentimen¬
talität richtet ſie zu Grunde. Vor lauter Begeiſte¬
rung für das Gute, verlieren ſie den Geiſt es zu
Stande zu bringen. Thränen der Menſchenliebe und
Rührung verdunkeln ihnen den Blick, und der dümmſte
Jäger kann ſie dann mit Händen fangen. So ein
edler Deputirter ſitzt, ohne es zu merken, wie ein
Falk auf der Fauſt ſeines gnädigen Herrn und zeigt
ſich etwas hoch oben in der Luft, was der gnädige
Herr mit ſeinem Geſchoſſe nicht erreichen kann,
nimmt er ihm die Kappe ab und läßt ihn ſteigen.
Das edle Thier ſteigt, ſteigt, ſteigt, holt aus den
Wolken ein Täubchen herab, und den Blick von der
Sonne geblendet, gewahrt er gar nicht, daß er wieder
zur alten Fauſt zurückkehrt und man ihm die Kappe
von neuem über die Augen gezogen. Dann lachen
die Junker verſtohlen.
In Caſſel feierten ſie den Jahrestag der Ver¬
faſſung und ſchrieben am folgenden Tage: „Tau¬
ſend ſtille Gebete und Wünſche für ſie ſtei¬
gen zu dem Ewigen.“ Aber der Ewige ſelbſt,
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