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Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696.

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Die unterschiedlichen Kennzeichen
keit gebändiget werden. Eine Dame/ die stets auf
ihre Schuldigkeit studiret/ gläubet ehe/ daß sie et-
was begehen könne/ so ihr übeln Nachruff bringet/
als daß sie aus Selbst-Liebe meyne/ sie mache alles
lobwürdig. Dahero die Furcht und das Verlan-
gen allezeit bey einem Frauenzimmer zu finden seyn
sollen. Es muß immer den beständigen Vorsatz ha-
ben/ daß es sich klug aufführen will. Und dazu giebt
die Sittsamkeit das beste Mittel/ wann sie die gros-
se Freyheit der ersten Jahre/ den vielen Gebrauch
angenehmer Gesellschafften/ die offtere Beywoh-
nung allerhand Festinen und Freuden-Mahlen ein-
schrencket. Es muß eine Dame ihre Augen im
Zaum halten/ und die Blicke nicht ohne Mäßi-
gung schiessen lassen. Es soll selbiges nicht frech la-
chen; auch nicht neue facon in ihrem Ausbutzen
haben; keine Gesellschafft frequentiren/ wo nicht
ein Haupt darinnen ist. Keine Freunde annehmen/
als die klug und weise sind. Keine Feinde haben/
als die Bösen. Keine Augen haben zu Beschauung
ihrer Tugenden/ und keine Ohren zu Anhörung ih-
res Lobes.

Nun gehet es zwar schwer her/ daß eine Jungfer
ihrer Selbst-Liebe etwas abziehe: vielmehr schnei-
det sie was von der Sittsamkeit weg. Doch das
beste ist/ daß sich eine Dame eingezogen halte/ und
wenig auskomme: Denn in Gesellschafft findet sie
bald/ daß sie einer lobet/ und das höret das Frauen-
zimmer allzu gerne; ja sie wird verführet/ indem
man auch oft ihren Fehlern als rechtmäßigen Hand-
lungen Beyfall giebet.

Die

Die unterſchiedlichen Kennzeichen
keit gebaͤndiget werden. Eine Dame/ die ſtets auf
ihre Schuldigkeit ſtudiret/ glaͤubet ehe/ daß ſie et-
was begehen koͤnne/ ſo ihr uͤbeln Nachruff bringet/
als daß ſie aus Selbſt-Liebe meyne/ ſie mache alles
lobwuͤrdig. Dahero die Furcht und das Verlan-
gen allezeit bey einem Frauenzimmer zu finden ſeyn
ſollen. Es muß immer den beſtaͤndigen Vorſatz ha-
ben/ daß es ſich klug auffuͤhren will. Und dazu giebt
die Sittſamkeit das beſte Mittel/ wann ſie die groſ-
ſe Freyheit der erſten Jahre/ den vielen Gebrauch
angenehmer Geſellſchafften/ die offtere Beywoh-
nung allerhand Feſtinen und Freuden-Mahlen ein-
ſchrencket. Es muß eine Dame ihre Augen im
Zaum halten/ und die Blicke nicht ohne Maͤßi-
gung ſchieſſen laſſen. Es ſoll ſelbiges nicht frech la-
chen; auch nicht neue facon in ihrem Ausbutzen
haben; keine Geſellſchafft frequentiren/ wo nicht
ein Haupt darinnen iſt. Keine Freunde annehmen/
als die klug und weiſe ſind. Keine Feinde haben/
als die Boͤſen. Keine Augen haben zu Beſchauung
ihrer Tugenden/ und keine Ohren zu Anhoͤrung ih-
res Lobes.

Nun gehet es zwar ſchwer her/ daß eine Jungfer
ihrer Selbſt-Liebe etwas abziehe: vielmehr ſchnei-
det ſie was von der Sittſamkeit weg. Doch das
beſte iſt/ daß ſich eine Dame eingezogen halte/ und
wenig auskomme: Denn in Geſellſchafft findet ſie
bald/ daß ſie einer lobet/ und das hoͤret das Frauen-
zimmer allzu gerne; ja ſie wird verfuͤhret/ indem
man auch oft ihren Fehlern als rechtmaͤßigen Hand-
lungen Beyfall giebet.

Die
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[286/0318] Die unterſchiedlichen Kennzeichen keit gebaͤndiget werden. Eine Dame/ die ſtets auf ihre Schuldigkeit ſtudiret/ glaͤubet ehe/ daß ſie et- was begehen koͤnne/ ſo ihr uͤbeln Nachruff bringet/ als daß ſie aus Selbſt-Liebe meyne/ ſie mache alles lobwuͤrdig. Dahero die Furcht und das Verlan- gen allezeit bey einem Frauenzimmer zu finden ſeyn ſollen. Es muß immer den beſtaͤndigen Vorſatz ha- ben/ daß es ſich klug auffuͤhren will. Und dazu giebt die Sittſamkeit das beſte Mittel/ wann ſie die groſ- ſe Freyheit der erſten Jahre/ den vielen Gebrauch angenehmer Geſellſchafften/ die offtere Beywoh- nung allerhand Feſtinen und Freuden-Mahlen ein- ſchrencket. Es muß eine Dame ihre Augen im Zaum halten/ und die Blicke nicht ohne Maͤßi- gung ſchieſſen laſſen. Es ſoll ſelbiges nicht frech la- chen; auch nicht neue facon in ihrem Ausbutzen haben; keine Geſellſchafft frequentiren/ wo nicht ein Haupt darinnen iſt. Keine Freunde annehmen/ als die klug und weiſe ſind. Keine Feinde haben/ als die Boͤſen. Keine Augen haben zu Beſchauung ihrer Tugenden/ und keine Ohren zu Anhoͤrung ih- res Lobes. Nun gehet es zwar ſchwer her/ daß eine Jungfer ihrer Selbſt-Liebe etwas abziehe: vielmehr ſchnei- det ſie was von der Sittſamkeit weg. Doch das beſte iſt/ daß ſich eine Dame eingezogen halte/ und wenig auskomme: Denn in Geſellſchafft findet ſie bald/ daß ſie einer lobet/ und das hoͤret das Frauen- zimmer allzu gerne; ja ſie wird verfuͤhret/ indem man auch oft ihren Fehlern als rechtmaͤßigen Hand- lungen Beyfall giebet. Die

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Zitationshilfe: Bohse, August: Des Franzöischen Helicons Monat-Früchte. Leipzig, 1696, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bohse_helicon_1696/318>, abgerufen am 21.11.2024.