Boltzmann, Ludwig: Vorlesungen über Gastheorie. Bd. 1. Leipzig, 1896.I. Abschnitt. [Gleich. 91] auch erhält, wenn man statt dieser Abstossungskraft eine inpassender Weise von der Entfernung abhängige lediglich an- ziehende Kraft setzt, wobei dann auch die Dissociationserschei- nungen und der bekannte Joule-Thomson'sche Versuch er- klärt werden können. Bei unserer Unbekanntschaft mit der Natur der Moleküle sind natürlich alle diese Anschauungen als blosse mechanische Analogien zu betrachten, welche man, so lange das Experiment nicht entschieden hat, als gleich- berechtigt ansehen muss. Jedenfalls aber ist es wahrschein- lich, dass der Durchmesser eines Moleküls keine scharf definirte Grösse ist. Aber trotzdem müssen sich die Nachbarmoleküle im flüssigen Zustande stets in solchen Distanzen befinden, wo sie schon stark auf einander wirken, so dass das Zusammenwirken von mehr als zweien nicht mehr ein Ausnahmefall ist, also in Distanzen, die von derselben Grössenordnung sind, wie die- jenigen, in denen bei Gasmolekülen schon eine bedeutende Ablenkung von der geradlinigen Bahn eintritt. Die im Vor- hergehenden mit s und s bezeichneten Grössen stellen bei dieser Anschauungsweise nichts anderes dar, als die Grössen- ordnung dieser Distanzen. Wir wollen, um uns in der Rech- nung consequent zu bleiben, zunächst wieder zur Annahme zurückkehren, dass die Moleküle fast undeformirbare elastische Kugeln seien. Dann folgt aus der letzten Formel für den Reibungscoefficienten, dass derselbe für verschiedene Gase bei gleicher Temperatur der Quadratwurzel aus der Masse eines Moleküls direct und dem Quadrate seines Durchmessers ver- kehrt proportional ist. § 13. Wärmeleitung und Diffusion der Gase. Um aus Formel 88 die Wärmeleitung zu berechnen, haben I. Abschnitt. [Gleich. 91] auch erhält, wenn man statt dieser Abstossungskraft eine inpassender Weise von der Entfernung abhängige lediglich an- ziehende Kraft setzt, wobei dann auch die Dissociationserschei- nungen und der bekannte Joule-Thomson’sche Versuch er- klärt werden können. Bei unserer Unbekanntschaft mit der Natur der Moleküle sind natürlich alle diese Anschauungen als blosse mechanische Analogien zu betrachten, welche man, so lange das Experiment nicht entschieden hat, als gleich- berechtigt ansehen muss. Jedenfalls aber ist es wahrschein- lich, dass der Durchmesser eines Moleküls keine scharf definirte Grösse ist. Aber trotzdem müssen sich die Nachbarmoleküle im flüssigen Zustande stets in solchen Distanzen befinden, wo sie schon stark auf einander wirken, so dass das Zusammenwirken von mehr als zweien nicht mehr ein Ausnahmefall ist, also in Distanzen, die von derselben Grössenordnung sind, wie die- jenigen, in denen bei Gasmolekülen schon eine bedeutende Ablenkung von der geradlinigen Bahn eintritt. Die im Vor- hergehenden mit s und σ bezeichneten Grössen stellen bei dieser Anschauungsweise nichts anderes dar, als die Grössen- ordnung dieser Distanzen. Wir wollen, um uns in der Rech- nung consequent zu bleiben, zunächst wieder zur Annahme zurückkehren, dass die Moleküle fast undeformirbare elastische Kugeln seien. Dann folgt aus der letzten Formel für den Reibungscoëfficienten, dass derselbe für verschiedene Gase bei gleicher Temperatur der Quadratwurzel aus der Masse eines Moleküls direct und dem Quadrate seines Durchmessers ver- kehrt proportional ist. § 13. 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I. Abschnitt. [Gleich. 91]
auch erhält, wenn man statt dieser Abstossungskraft eine in
passender Weise von der Entfernung abhängige lediglich an-
ziehende Kraft setzt, wobei dann auch die Dissociationserschei-
nungen und der bekannte Joule-Thomson’sche Versuch er-
klärt werden können. Bei unserer Unbekanntschaft mit der
Natur der Moleküle sind natürlich alle diese Anschauungen
als blosse mechanische Analogien zu betrachten, welche man,
so lange das Experiment nicht entschieden hat, als gleich-
berechtigt ansehen muss. Jedenfalls aber ist es wahrschein-
lich, dass der Durchmesser eines Moleküls keine scharf definirte
Grösse ist. Aber trotzdem müssen sich die Nachbarmoleküle im
flüssigen Zustande stets in solchen Distanzen befinden, wo sie
schon stark auf einander wirken, so dass das Zusammenwirken
von mehr als zweien nicht mehr ein Ausnahmefall ist, also in
Distanzen, die von derselben Grössenordnung sind, wie die-
jenigen, in denen bei Gasmolekülen schon eine bedeutende
Ablenkung von der geradlinigen Bahn eintritt. Die im Vor-
hergehenden mit s und σ bezeichneten Grössen stellen bei
dieser Anschauungsweise nichts anderes dar, als die Grössen-
ordnung dieser Distanzen. Wir wollen, um uns in der Rech-
nung consequent zu bleiben, zunächst wieder zur Annahme
zurückkehren, dass die Moleküle fast undeformirbare elastische
Kugeln seien. Dann folgt aus der letzten Formel für den
Reibungscoëfficienten, dass derselbe für verschiedene Gase bei
gleicher Temperatur der Quadratwurzel aus der Masse eines
Moleküls direct und dem Quadrate seines Durchmessers ver-
kehrt proportional ist.
§ 13. Wärmeleitung und Diffusion der Gase.
Um aus Formel 88 die Wärmeleitung zu berechnen, haben
wir anzunehmen, dass die beiden als Deckel und Boden be-
zeichneten Ebenen auf zwei verschiedenen constanten Tempe-
raturen erhalten werden. G ist dann die in einem Moleküle
im Mittel enthaltene Wärmemenge. Die mittlere lebendige
Kraft der fortschreitenden Bewegung eines Moleküls ist
[FORMEL].
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