Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_125.001 § 85. Epischer Stil. pbo_125.022 *) pbo_125.027
Ein in neuerer Zeit seltenes Muster im Geiste der antiken Jdyllendichtung pbo_125.028 (Theokrit) bietet Mörike, dessen wesentliche Sphäre diese Dichtungsart pbo_125.029 bezeichnet, in seiner "Jdylle vom Bodensee" in 7 Gesängen pbo_125.030 (Ed. Mörikes Gesamm. Schr. Stuttg. 1884. Bd. I, S. 325 ff.). Hierbei ist pbo_125.031 grade im obigen Sinne das eigentümliche Rahmenbild (Martin und die Glockendiebe) pbo_125.032 zu beachten. pbo_125.001 § 85. Epischer Stil. pbo_125.022 *) pbo_125.027
Ein in neuerer Zeit seltenes Muster im Geiste der antiken Jdyllendichtung pbo_125.028 (Theokrit) bietet Mörike, dessen wesentliche Sphäre diese Dichtungsart pbo_125.029 bezeichnet, in seiner „Jdylle vom Bodensee“ in 7 Gesängen pbo_125.030 (Ed. Mörikes Gesamm. Schr. Stuttg. 1884. Bd. I, S. 325 ff.). Hierbei ist pbo_125.031 grade im obigen Sinne das eigentümliche Rahmenbild (Martin und die Glockendiebe) pbo_125.032 zu beachten. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0129" n="125"/><lb n="pbo_125.001"/> die <hi rendition="#g">Jdylle</hi> (richtiger: das Jdyll <foreign xml:lang="grc">εἰδύλλιον</foreign> Bildchen), <lb n="pbo_125.002"/> die, wie ihr Name besagt, ein ruhendes, daher meist einfaches <lb n="pbo_125.003"/> (ländliches) Bild aus der bewegten Folge epischer <lb n="pbo_125.004"/> Begebenheit herausnimmt und in seinen besonderen (oft dialogisch <lb n="pbo_125.005"/> gehaltenen) Rahmen stellt.<note corresp="PBO_125_*" place="foot" n="*)"><lb n="pbo_125.027"/> Ein in neuerer Zeit seltenes Muster im Geiste der antiken Jdyllendichtung <lb n="pbo_125.028"/> (Theokrit) bietet <hi rendition="#g">Mörike,</hi> dessen wesentliche Sphäre diese Dichtungsart <lb n="pbo_125.029"/> bezeichnet, in seiner „<hi rendition="#g">Jdylle vom Bodensee</hi>“ in 7 Gesängen <lb n="pbo_125.030"/> (Ed. <hi rendition="#g">Mörikes</hi> Gesamm. Schr. Stuttg. 1884. Bd. I, S. 325 ff.). Hierbei ist <lb n="pbo_125.031"/> grade im obigen Sinne das eigentümliche Rahmenbild (Martin und die Glockendiebe) <lb n="pbo_125.032"/> zu beachten.</note> Die Eingangs erörterte <lb n="pbo_125.006"/> Theorie von der Entstehung des Volksepos aus Einzelgesängen <lb n="pbo_125.007"/> (romance heißt eigentlich Gesang in der romanischen <lb n="pbo_125.008"/> Volkssprache) stützt sich in Rücksicht auf die Poetik wesentlich <lb n="pbo_125.009"/> auf die Freiheit des Epikers und wäre für das Drama unmöglich. <lb n="pbo_125.010"/> Der epische Dichter schließt auch im Altertum als <lb n="pbo_125.011"/> Vortragender seine Rhapsodie (wörtlich „abgerissenes Stück <lb n="pbo_125.012"/> Gesang“), wann es <hi rendition="#g">ihm</hi> paßt, und der moderne <hi rendition="#g">Leser</hi> kann <lb n="pbo_125.013"/> sein Buch aus der Hand legen, wann er mag oder ihn ein <lb n="pbo_125.014"/> Geschäft abruft, beide, um zur beliebigen Zeit wieder an der <lb n="pbo_125.015"/> Stelle fortzufahren, wo sie aufgehört haben. Aeußere, kenntliche <lb n="pbo_125.016"/> <hi rendition="#g">Abschnitte,</hi> die sich zugleich als Pausen für das <lb n="pbo_125.017"/> Ruhebedürfnis ankündigen, dienen hier weit mehr der bloßen <lb n="pbo_125.018"/> Uebersicht, als inneren Gesetzen der Konstruktion, die höchstens <lb n="pbo_125.019"/> in ganz großen Partien ihre dem Drama analoge Entwicklung <lb n="pbo_125.020"/> (Exposition, Peripetie, Katastrophe) durchscheinen läßt.</p> <lb n="pbo_125.021"/> </div> <div n="4"> <head> <hi rendition="#c">§ 85. Epischer Stil.</hi> </head> <p><lb n="pbo_125.022"/> Diese Freiheiten sind dem epischen Dichter aus inneren <lb n="pbo_125.023"/> Gründen seiner Form ebenso notwendig, als dem Dramatiker <lb n="pbo_125.024"/> die Beobachtung seiner strengeren Regeln. Er, der nicht die <lb n="pbo_125.025"/> Lebendigkeit der dramatischen Verkörperung, die Thatsächlichkeit <lb n="pbo_125.026"/> der scenischen Aufführung für sich hat, wird jedes Mittel, </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [125/0129]
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die Jdylle (richtiger: das Jdyll εἰδύλλιον Bildchen), pbo_125.002
die, wie ihr Name besagt, ein ruhendes, daher meist einfaches pbo_125.003
(ländliches) Bild aus der bewegten Folge epischer pbo_125.004
Begebenheit herausnimmt und in seinen besonderen (oft dialogisch pbo_125.005
gehaltenen) Rahmen stellt. *) Die Eingangs erörterte pbo_125.006
Theorie von der Entstehung des Volksepos aus Einzelgesängen pbo_125.007
(romance heißt eigentlich Gesang in der romanischen pbo_125.008
Volkssprache) stützt sich in Rücksicht auf die Poetik wesentlich pbo_125.009
auf die Freiheit des Epikers und wäre für das Drama unmöglich. pbo_125.010
Der epische Dichter schließt auch im Altertum als pbo_125.011
Vortragender seine Rhapsodie (wörtlich „abgerissenes Stück pbo_125.012
Gesang“), wann es ihm paßt, und der moderne Leser kann pbo_125.013
sein Buch aus der Hand legen, wann er mag oder ihn ein pbo_125.014
Geschäft abruft, beide, um zur beliebigen Zeit wieder an der pbo_125.015
Stelle fortzufahren, wo sie aufgehört haben. Aeußere, kenntliche pbo_125.016
Abschnitte, die sich zugleich als Pausen für das pbo_125.017
Ruhebedürfnis ankündigen, dienen hier weit mehr der bloßen pbo_125.018
Uebersicht, als inneren Gesetzen der Konstruktion, die höchstens pbo_125.019
in ganz großen Partien ihre dem Drama analoge Entwicklung pbo_125.020
(Exposition, Peripetie, Katastrophe) durchscheinen läßt.
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§ 85. Epischer Stil. pbo_125.022
Diese Freiheiten sind dem epischen Dichter aus inneren pbo_125.023
Gründen seiner Form ebenso notwendig, als dem Dramatiker pbo_125.024
die Beobachtung seiner strengeren Regeln. Er, der nicht die pbo_125.025
Lebendigkeit der dramatischen Verkörperung, die Thatsächlichkeit pbo_125.026
der scenischen Aufführung für sich hat, wird jedes Mittel,
*) pbo_125.027
Ein in neuerer Zeit seltenes Muster im Geiste der antiken Jdyllendichtung pbo_125.028
(Theokrit) bietet Mörike, dessen wesentliche Sphäre diese Dichtungsart pbo_125.029
bezeichnet, in seiner „Jdylle vom Bodensee“ in 7 Gesängen pbo_125.030
(Ed. Mörikes Gesamm. Schr. Stuttg. 1884. Bd. I, S. 325 ff.). Hierbei ist pbo_125.031
grade im obigen Sinne das eigentümliche Rahmenbild (Martin und die Glockendiebe) pbo_125.032
zu beachten.
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