pbo_015.001 bon sens) der Geschmack*), den die Jdee des Künstlers pbo_015.002 nicht ungestraft verletzen darf.
pbo_015.003 § 8. Naturalismus.
pbo_015.004 Ein grundsätzlicher, für die Kunst verderblicher Jrrtum pbo_015.005 ist es aber, anzunehmen, es sei die Aufgabe der Kunst, das pbo_015.006 bloße Dasein in einem beliebigen Ausschnitt wiederzugeben pbo_015.007 (falscher Naturalismus). Das Vorgeben, daß man damit pbo_015.008 das Schönheitsprinzip in der Kunst mit dem der Wahrheitpbo_015.009 vertausche, statt der Jdee nun der Natur folge, ist in diesem pbo_015.010 Sinne trügerisch. Denn die vorübergehende Erscheinung des pbo_015.011 Thatsächlichen, die Wirklichkeit, kann, wie die bloße Thatsache pbo_015.012 der Lüge beweist, weder für das allgemeingültige Prinzip pbo_015.013 der Welt, die Wahrheit, in Anspruch genommen werden, pbo_015.014 noch bedeutet die subjektive augenblickliche Wahrnehmung eines pbo_015.015 Einzelnen die Natur, wie sie sich objektiv der reinen Anschauung pbo_015.016 darstellt. Diese reine Anschauung macht aber, wie pbo_015.017 wir sahen, das Wesen des großen Künstlers. Jhm stellt sich pbo_015.018 die Natur nicht in leerer Aeußerlichkeit, sondern im Kerne, pbo_015.019 in ihrer Wahrheit dar. Darum ergreift er uns so tief und pbo_015.020 unmittelbar in seinem Werke, wie es das flüchtige, conventionelle pbo_015.021 Dasein niemals oder nur in jenen seltenen Augenblicken pbo_015.022 vermag, die bereits in diesem Sinne erhöht und verklärt pbo_015.023 erscheinen.
pbo_015.024 § 9. "Jdealismus und Realismus". pbo_015.025 (Schöner und Charakterisierender Stil.)
pbo_015.026 Daraus wird man jedoch kaum den Schluß ziehen, als pbo_015.027 sei mit dem einheitlichen Formungsprinzip nun auch die
*)pbo_015.028 Vgl. über Entstehung und Jnhalt dieses Begriffs des Verf. Baltasar pbo_015.029 Gracian und die Hoflitteratur (Halle 1894) Teil I., Kap. 4.
pbo_015.001 bon sens) der Geschmack*), den die Jdee des Künstlers pbo_015.002 nicht ungestraft verletzen darf.
pbo_015.003 § 8. Naturalismus.
pbo_015.004 Ein grundsätzlicher, für die Kunst verderblicher Jrrtum pbo_015.005 ist es aber, anzunehmen, es sei die Aufgabe der Kunst, das pbo_015.006 bloße Dasein in einem beliebigen Ausschnitt wiederzugeben pbo_015.007 (falscher Naturalismus). Das Vorgeben, daß man damit pbo_015.008 das Schönheitsprinzip in der Kunst mit dem der Wahrheitpbo_015.009 vertausche, statt der Jdee nun der Natur folge, ist in diesem pbo_015.010 Sinne trügerisch. Denn die vorübergehende Erscheinung des pbo_015.011 Thatsächlichen, die Wirklichkeit, kann, wie die bloße Thatsache pbo_015.012 der Lüge beweist, weder für das allgemeingültige Prinzip pbo_015.013 der Welt, die Wahrheit, in Anspruch genommen werden, pbo_015.014 noch bedeutet die subjektive augenblickliche Wahrnehmung eines pbo_015.015 Einzelnen die Natur, wie sie sich objektiv der reinen Anschauung pbo_015.016 darstellt. Diese reine Anschauung macht aber, wie pbo_015.017 wir sahen, das Wesen des großen Künstlers. Jhm stellt sich pbo_015.018 die Natur nicht in leerer Aeußerlichkeit, sondern im Kerne, pbo_015.019 in ihrer Wahrheit dar. Darum ergreift er uns so tief und pbo_015.020 unmittelbar in seinem Werke, wie es das flüchtige, conventionelle pbo_015.021 Dasein niemals oder nur in jenen seltenen Augenblicken pbo_015.022 vermag, die bereits in diesem Sinne erhöht und verklärt pbo_015.023 erscheinen.
pbo_015.024 § 9. „Jdealismus und Realismus“. pbo_015.025 (Schöner und Charakterisierender Stil.)
pbo_015.026 Daraus wird man jedoch kaum den Schluß ziehen, als pbo_015.027 sei mit dem einheitlichen Formungsprinzip nun auch die
*)pbo_015.028 Vgl. über Entstehung und Jnhalt dieses Begriffs des Verf. Baltasar pbo_015.029 Gracian und die Hoflitteratur (Halle 1894) Teil I., Kap. 4.
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Ein grundsätzlicher, für die Kunst verderblicher Jrrtum pbo_015.005
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der Welt, die Wahrheit, in Anspruch genommen werden, pbo_015.014
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§ 9. „Jdealismus und Realismus“. pbo_015.025
(Schöner und Charakterisierender Stil.) pbo_015.026
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sei mit dem einheitlichen Formungsprinzip nun auch die
*) pbo_015.028
Vgl. über Entstehung und Jnhalt dieses Begriffs des Verf. Baltasar pbo_015.029
Gracian und die Hoflitteratur (Halle 1894) Teil I., Kap. 4.
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Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/borinski_poetik_1895/19>, abgerufen am 16.02.2025.
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