Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_021.001 Kapitel 3. Begriff des Stils. pbo_021.002 § 13. Anschaulichkeit. pbo_021.003 pbo_021.030 pbo_021.001 Kapitel 3. Begriff des Stils. pbo_021.002 § 13. Anschaulichkeit. pbo_021.003 pbo_021.030 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0025" n="21"/> <lb n="pbo_021.001"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#c">Kapitel 3. Begriff des Stils.</hi> </head> <div n="4"> <lb n="pbo_021.002"/> <head> <hi rendition="#c">§ 13. Anschaulichkeit.</hi> </head> <p><lb n="pbo_021.003"/> Wenn man sich nun nach diesen künstlichen, viel mißbrauchten <lb n="pbo_021.004"/> Scheidungen der Poetik wiederum einen einheitlichen <lb n="pbo_021.005"/> Gesamtbegriff von der Kunst poetischer Darstellung, dem <lb n="pbo_021.006"/> <hi rendition="#g">Stil,</hi> bilden möchte, so wird man sich am besten wiederum <lb n="pbo_021.007"/> daran halten, was wir im Eingang als den bestimmenden <lb n="pbo_021.008"/> Faktor des künstlerischen Vermögens an sich hinstellten: an <lb n="pbo_021.009"/> die <hi rendition="#g">Anschauung.</hi> Was im Künstler produktiv als unmittelbare <lb n="pbo_021.010"/> Anschauung thätig ist, wirkt im <hi rendition="#g">Kunstwerk</hi> auf den <lb n="pbo_021.011"/> künstlerisch gestimmten Beschauer ebenso unmittelbar als <hi rendition="#g">Anschaulichkeit.</hi> <lb n="pbo_021.012"/> Diese muß sich als Bewußtsein von der <lb n="pbo_021.013"/> treffenden Erschöpfung des Weltinhalts ebenso überzeugend <lb n="pbo_021.014"/> des Beschauers bemächtigen und die analoge Stimmung in <lb n="pbo_021.015"/> ihm erwecken, wie sie den Künstler bei seinem Werke beherrschte. <lb n="pbo_021.016"/> Wo Aeußerlichkeiten und Allgemeinheiten sich breit <lb n="pbo_021.017"/> machen, der innere Bezug zwischen den dargestellten Erscheinungen <lb n="pbo_021.018"/> mangelt, eine zufällige, gleichgültige Anordnung, eine <lb n="pbo_021.019"/> verkehrte, das innere Gefühl herausfordernde Absichtlichkeit <lb n="pbo_021.020"/> die Jdee von der inneren Notwendigkeit des Angeschauten <lb n="pbo_021.021"/> nicht aufkommen läßt: überall da ist jene Anschaulichkeit hintangehalten, <lb n="pbo_021.022"/> gestört, getrübt. Mag der Poet als sogenannter <lb n="pbo_021.023"/> „Jdealist“ sich auf moralische Stelzen stellen, in tönenden <lb n="pbo_021.024"/> Phrasen donnern und wüten, oder als „Realist“ am Kleinlichen, <lb n="pbo_021.025"/> Oberflächlichen haften bleiben und in moralischem und <lb n="pbo_021.026"/> physischem Schmutze wühlen, er bleibt gleich unzulänglich vor <lb n="pbo_021.027"/> dem rein künstlerischen Urteil. Er wird vom bloßen Pfuscher <lb n="pbo_021.028"/> nur im Aufwand seiner Mittel, nicht aber in seiner Wirkung <lb n="pbo_021.029"/> auf den Kenner unterschieden sein.</p> <p><lb n="pbo_021.030"/> Dagegen kann auch ein begrenztes Talent an seiner </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [21/0025]
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Kapitel 3. Begriff des Stils. pbo_021.002
§ 13. Anschaulichkeit. pbo_021.003
Wenn man sich nun nach diesen künstlichen, viel mißbrauchten pbo_021.004
Scheidungen der Poetik wiederum einen einheitlichen pbo_021.005
Gesamtbegriff von der Kunst poetischer Darstellung, dem pbo_021.006
Stil, bilden möchte, so wird man sich am besten wiederum pbo_021.007
daran halten, was wir im Eingang als den bestimmenden pbo_021.008
Faktor des künstlerischen Vermögens an sich hinstellten: an pbo_021.009
die Anschauung. Was im Künstler produktiv als unmittelbare pbo_021.010
Anschauung thätig ist, wirkt im Kunstwerk auf den pbo_021.011
künstlerisch gestimmten Beschauer ebenso unmittelbar als Anschaulichkeit. pbo_021.012
Diese muß sich als Bewußtsein von der pbo_021.013
treffenden Erschöpfung des Weltinhalts ebenso überzeugend pbo_021.014
des Beschauers bemächtigen und die analoge Stimmung in pbo_021.015
ihm erwecken, wie sie den Künstler bei seinem Werke beherrschte. pbo_021.016
Wo Aeußerlichkeiten und Allgemeinheiten sich breit pbo_021.017
machen, der innere Bezug zwischen den dargestellten Erscheinungen pbo_021.018
mangelt, eine zufällige, gleichgültige Anordnung, eine pbo_021.019
verkehrte, das innere Gefühl herausfordernde Absichtlichkeit pbo_021.020
die Jdee von der inneren Notwendigkeit des Angeschauten pbo_021.021
nicht aufkommen läßt: überall da ist jene Anschaulichkeit hintangehalten, pbo_021.022
gestört, getrübt. Mag der Poet als sogenannter pbo_021.023
„Jdealist“ sich auf moralische Stelzen stellen, in tönenden pbo_021.024
Phrasen donnern und wüten, oder als „Realist“ am Kleinlichen, pbo_021.025
Oberflächlichen haften bleiben und in moralischem und pbo_021.026
physischem Schmutze wühlen, er bleibt gleich unzulänglich vor pbo_021.027
dem rein künstlerischen Urteil. Er wird vom bloßen Pfuscher pbo_021.028
nur im Aufwand seiner Mittel, nicht aber in seiner Wirkung pbo_021.029
auf den Kenner unterschieden sein.
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Dagegen kann auch ein begrenztes Talent an seiner
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