Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_063.001 under der linden pbo_063.014 an der heide. pbo_063.015 pbo_063.001 únder der línden pbo_063.014 an der heide. pbo_063.015 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0067" n="63"/><lb n="pbo_063.001"/> auf die deutsche. Denn der alte Starkton- (Hebungsvers) <lb n="pbo_063.002"/> kannte sie nicht, so sehr er schließlich naturgemäß auf sie hinstrebte <lb n="pbo_063.003"/> (Konrad von Würzburg). Er konnte den (ein- oder <lb n="pbo_063.004"/> mehrsilbigen) Auftakt setzen und beliebig weglassen (in der <lb n="pbo_063.005"/> <hi rendition="#g">Lieder</hi>dichtung nur an die regelmäßige Wiederkehr im Ton <lb n="pbo_063.006"/> gebunden), desgleichen, wie wir schon wissen, den Schwachton <lb n="pbo_063.007"/> (die Senkung). Jm Schwachton (bei der Senkung) aber hielt <lb n="pbo_063.008"/> er prinzipiell an der Einsilbigkeit fest, so sehr er dabei auf <lb n="pbo_063.009"/> Apokope und Verschleifung angewiesen ist und so offen mancher <lb n="pbo_063.010"/> Dichter (Ulrich von Lichtenstein) den Ansatz zum daktylischen <lb n="pbo_063.011"/> Rhythmus macht. Man denke nur an Walthers bekanntes <lb n="pbo_063.012"/> Tanzlied</p> <lb n="pbo_063.013"/> <lg> <l>únder der línden</l> <lb n="pbo_063.014"/> <l>an der heide.</l> </lg> <p><lb n="pbo_063.015"/> Es hat nicht geringe Mühe gekostet, den deutschen Vers <lb n="pbo_063.016"/> auf die höhere Stufe zu heben. Es bedurfte des ganzen Gewichts <lb n="pbo_063.017"/> der Schulautorität, wie nur das 17. Jahrhundert sie <lb n="pbo_063.018"/> aufzuwenden hatte, um dem regulären Opitzischen Verse den <lb n="pbo_063.019"/> Sieg über den alten freien Hebungsvers zu sichern. Als <lb n="pbo_063.020"/> „Knittelvers“ wirkte er gleichsam unter der Decke fort, stets <lb n="pbo_063.021"/> bereit, in entgegenkommenden Jndividualitäten (Wieland, Heine) <lb n="pbo_063.022"/> wieder ganz unverhüllt an die Oberfläche zu kommen. Und <lb n="pbo_063.023"/> das trifft zunächst nur den regelmäßigen trochäischen und jambischen <lb n="pbo_063.024"/> Gang der Verse! Welche Mühe das daktylische und <lb n="pbo_063.025"/> anapästische Maß hatte und noch hat, nicht etwa durchzudringen, <lb n="pbo_063.026"/> nein, sich überhaupt noch zu halten, dafür liefern die Belege <lb n="pbo_063.027"/> die erregten Daktylendebatten selbst bei den entschiedenen <lb n="pbo_063.028"/> Freunden der Opitz'schen Verskunst im 17. Jh. und die nicht <lb n="pbo_063.029"/> minder lebhafte, immer wieder (bei Klopstocks Messias, der <lb n="pbo_063.030"/> Homerübersetzung durch Stolberg und Voß) erneute Diskussion <lb n="pbo_063.031"/> über den Hexameter im 18ten. Unsre Zeit möchte ja auch </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [63/0067]
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auf die deutsche. Denn der alte Starkton- (Hebungsvers) pbo_063.002
kannte sie nicht, so sehr er schließlich naturgemäß auf sie hinstrebte pbo_063.003
(Konrad von Würzburg). Er konnte den (ein- oder pbo_063.004
mehrsilbigen) Auftakt setzen und beliebig weglassen (in der pbo_063.005
Liederdichtung nur an die regelmäßige Wiederkehr im Ton pbo_063.006
gebunden), desgleichen, wie wir schon wissen, den Schwachton pbo_063.007
(die Senkung). Jm Schwachton (bei der Senkung) aber hielt pbo_063.008
er prinzipiell an der Einsilbigkeit fest, so sehr er dabei auf pbo_063.009
Apokope und Verschleifung angewiesen ist und so offen mancher pbo_063.010
Dichter (Ulrich von Lichtenstein) den Ansatz zum daktylischen pbo_063.011
Rhythmus macht. Man denke nur an Walthers bekanntes pbo_063.012
Tanzlied
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an der heide.
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Es hat nicht geringe Mühe gekostet, den deutschen Vers pbo_063.016
auf die höhere Stufe zu heben. Es bedurfte des ganzen Gewichts pbo_063.017
der Schulautorität, wie nur das 17. Jahrhundert sie pbo_063.018
aufzuwenden hatte, um dem regulären Opitzischen Verse den pbo_063.019
Sieg über den alten freien Hebungsvers zu sichern. Als pbo_063.020
„Knittelvers“ wirkte er gleichsam unter der Decke fort, stets pbo_063.021
bereit, in entgegenkommenden Jndividualitäten (Wieland, Heine) pbo_063.022
wieder ganz unverhüllt an die Oberfläche zu kommen. Und pbo_063.023
das trifft zunächst nur den regelmäßigen trochäischen und jambischen pbo_063.024
Gang der Verse! Welche Mühe das daktylische und pbo_063.025
anapästische Maß hatte und noch hat, nicht etwa durchzudringen, pbo_063.026
nein, sich überhaupt noch zu halten, dafür liefern die Belege pbo_063.027
die erregten Daktylendebatten selbst bei den entschiedenen pbo_063.028
Freunden der Opitz'schen Verskunst im 17. Jh. und die nicht pbo_063.029
minder lebhafte, immer wieder (bei Klopstocks Messias, der pbo_063.030
Homerübersetzung durch Stolberg und Voß) erneute Diskussion pbo_063.031
über den Hexameter im 18ten. Unsre Zeit möchte ja auch
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(2015-09-30T09:54:39Z)
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