Borinski, Karl: Deutsche Poetik. Stuttgart, 1895.pbo_069.001 Heraus | in Eu | re Schat | ten, || re | ge Wip | fel pbo_069.011 Ein ho | her Wil | le, || dem | ich mich | erge | be pbo_069.012 Trimeter: pbo_069.021 Js me | ne trau | te Schwes | ter, || viel | gelieb | tes Haupt, pbo_069.022Alexandriner: pbo_069.023 Js me | ne teu | res Haupt || als näch | ste mir | verwandt pbo_069.024 pbo_069.001 Heraús | in Éu | re Schát | ten, ‖ ré | ge Wíp | fel pbo_069.011 Ein hó | her Wíl | le, ‖ dém | ich mích | ergé | be pbo_069.012 Trimeter: pbo_069.021 Js mé | ne tráu | te Schwés | ter, ‖ viél | gelíeb | tes Háupt, pbo_069.022Alexandriner: pbo_069.023 Js mé | ne teú | res Haúpt ‖ als nä́ch | ste mír | verwándt pbo_069.024 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0073" n="69"/><lb n="pbo_069.001"/> Der fünffüßige Jambus mit vollständigem oder hyperkatalektischem <lb n="pbo_069.002"/> Abschluß ist der gewöhnliche Vers berühmter Strophenformen, <lb n="pbo_069.003"/> des Sonetts, der Terzine, der Stanze. Jnnerhalb <lb n="pbo_069.004"/> der letzteren ward er auch epischer Vers in Dantes Terzinen <lb n="pbo_069.005"/> und den Stanzen des italienischen cinquecento (Ariost, <lb n="pbo_069.006"/> Tasso), vom Reime wieder emanzipiert bei Milton. Der Vers <lb n="pbo_069.007"/> bedarf noch keines entschiedenen Einschnitts, um ihn übersichtlich <lb n="pbo_069.008"/> zu machen. Doch stellen sich Caesuren gern im zweiten <lb n="pbo_069.009"/> oder dritten Fuße ein:</p> <lb n="pbo_069.010"/> <lg> <l>Heraús | in Éu | re Schát | ten, ‖ ré | ge Wíp | fel </l> <lb n="pbo_069.011"/> <l>Ein hó | her Wíl | le, ‖ dém | ich mích | ergé | be</l> </lg> <p><lb n="pbo_069.012"/> Der <hi rendition="#g">sechsfüßige Jambus</hi> war der Dialogvers der antiken <lb n="pbo_069.013"/> Tragödie. Als solcher heißt er auch <hi rendition="#g">Senar</hi> oder, da <lb n="pbo_069.014"/> erst zwei jambische Füße (Dipodie) ein kennbares jambisches <lb n="pbo_069.015"/> Metrum ausmachten, auch <hi rendition="#g">Trimeter.</hi> Er unterscheidet sich <lb n="pbo_069.016"/> kennbar von dem bereits berührten, ihm äußerlich gleichenden <lb n="pbo_069.017"/> französischen <hi rendition="#g">Alexandriner,</hi> daß er jener Diärese am <lb n="pbo_069.018"/> Schluße des dritten Versfußes, die der Alexandriner zur <lb n="pbo_069.019"/> Regel erhob, grundsätzlich ausweicht.</p> <lb n="pbo_069.020"/> <p> <hi rendition="#g">Trimeter:</hi> <lb n="pbo_069.021"/> <lg> <l>Js mé | ne tráu | te Schwés | ter, ‖ viél | gelíeb | tes Háupt,</l> </lg> <lb n="pbo_069.022"/> <hi rendition="#g">Alexandriner:</hi> <lb n="pbo_069.023"/> <lg> <l>Js mé | ne teú | res Haúpt ‖ als nä́ch | ste mír | verwándt</l> </lg> </p> <p><lb n="pbo_069.024"/> Man fühlt, wie der Vers dadurch auseinanderklafft und jenen <lb n="pbo_069.025"/> wohlweise nüchternen Parallelklang erhält, der ihn den Spitzfindigkeiten <lb n="pbo_069.026"/> und Witzspielen der französischen Poesie empfahl, <lb n="pbo_069.027"/> beim höheren Aufschwung aber notwendig den Eindruck des <lb n="pbo_069.028"/> auf Stelzen Geschraubten hervorrufen muß. Dieser Eindruck <lb n="pbo_069.029"/> wurde noch verstärkt durch die unausweichliche Zusammenkoppelung </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [69/0073]
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Der fünffüßige Jambus mit vollständigem oder hyperkatalektischem pbo_069.002
Abschluß ist der gewöhnliche Vers berühmter Strophenformen, pbo_069.003
des Sonetts, der Terzine, der Stanze. Jnnerhalb pbo_069.004
der letzteren ward er auch epischer Vers in Dantes Terzinen pbo_069.005
und den Stanzen des italienischen cinquecento (Ariost, pbo_069.006
Tasso), vom Reime wieder emanzipiert bei Milton. Der Vers pbo_069.007
bedarf noch keines entschiedenen Einschnitts, um ihn übersichtlich pbo_069.008
zu machen. Doch stellen sich Caesuren gern im zweiten pbo_069.009
oder dritten Fuße ein:
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Heraús | in Éu | re Schát | ten, ‖ ré | ge Wíp | fel pbo_069.011
Ein hó | her Wíl | le, ‖ dém | ich mích | ergé | be
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Der sechsfüßige Jambus war der Dialogvers der antiken pbo_069.013
Tragödie. Als solcher heißt er auch Senar oder, da pbo_069.014
erst zwei jambische Füße (Dipodie) ein kennbares jambisches pbo_069.015
Metrum ausmachten, auch Trimeter. Er unterscheidet sich pbo_069.016
kennbar von dem bereits berührten, ihm äußerlich gleichenden pbo_069.017
französischen Alexandriner, daß er jener Diärese am pbo_069.018
Schluße des dritten Versfußes, die der Alexandriner zur pbo_069.019
Regel erhob, grundsätzlich ausweicht.
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Trimeter: pbo_069.021
Js mé | ne tráu | te Schwés | ter, ‖ viél | gelíeb | tes Háupt,
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Js mé | ne teú | res Haúpt ‖ als nä́ch | ste mír | verwándt
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Man fühlt, wie der Vers dadurch auseinanderklafft und jenen pbo_069.025
wohlweise nüchternen Parallelklang erhält, der ihn den Spitzfindigkeiten pbo_069.026
und Witzspielen der französischen Poesie empfahl, pbo_069.027
beim höheren Aufschwung aber notwendig den Eindruck des pbo_069.028
auf Stelzen Geschraubten hervorrufen muß. Dieser Eindruck pbo_069.029
wurde noch verstärkt durch die unausweichliche Zusammenkoppelung
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