Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789.

Bild:
<< vorherige Seite

Von des armen Manns Schreibereyen wäre ge-
wiß nichts vor deine Augen gekommen, wenn nicht
jene Zeitung den verdammten Lerm veranlasset hät-
te; liesest du doch sonst nichts als etwa diese, um
darinn etwas aufzuschnappen, das du mit deinem
Senf wieder auftischen kannst, oder im Calender,
und in deinem Rechenbuch. So begehrt auch Uli
gewiß weder hervorzuragen noch Figur zu machen,
wie du und deine Helfershelfer, die ihre hohe Weis-
heit auf allen Kirchen- und Marktplätzen, hauptsäch-
lich aber in allen Wirthshausgelagen ertönen lassen,
und mit ihrem breiten Maul über Dinge absprechen,
wovon sie keine Laus verstehen. Da muß jeder,
der nicht nach eurer Pfeife tanzt, Spißruthen lau-
fen. Da werden weder geist- noch weltliche Vorge-
setzte geschont. Landsordnungen und Gebräuche, al-
les liegt euch nicht recht. Euer Wohlweisheiten
würden das Ding viel besser machen. Und eben dar-
um hat der arme Mann sich euern Haß aufgela-
den, daß er (der doch nach euerm Sinn weit unter
euch steht, und sich's wohl herrlich zur größten Ehr'
hätte rechnen sollen, bey euch gelitten zu werden)
euch vielmehr sorgfältig vermied, und Gespanen such-
te die mehr nach seinem Geschmacke waren -- oder
in deren Ermanglung lieber mit einem redlichen
Bauer von Holz und Feld, Heu und Stroh plau-
derte -- oder sich zuletzt mit dem ersten beßten Hand-
werksbursch unterhielt -- wenn er nur euch, Aller-
weltshofmeister! ausweichen konnte.

Von des armen Manns Schreibereyen waͤre ge-
wiß nichts vor deine Augen gekommen, wenn nicht
jene Zeitung den verdammten Lerm veranlaſſet haͤt-
te; lieſeſt du doch ſonſt nichts als etwa dieſe, um
darinn etwas aufzuſchnappen, das du mit deinem
Senf wieder auftiſchen kannſt, oder im Calender,
und in deinem Rechenbuch. So begehrt auch Uli
gewiß weder hervorzuragen noch Figur zu machen,
wie du und deine Helfershelfer, die ihre hohe Weis-
heit auf allen Kirchen- und Marktplaͤtzen, hauptſaͤch-
lich aber in allen Wirthshausgelagen ertoͤnen laſſen,
und mit ihrem breiten Maul uͤber Dinge abſprechen,
wovon ſie keine Laus verſtehen. Da muß jeder,
der nicht nach eurer Pfeife tanzt, Spißruthen lau-
fen. Da werden weder geiſt- noch weltliche Vorge-
ſetzte geſchont. Landsordnungen und Gebraͤuche, al-
les liegt euch nicht recht. Euer Wohlweisheiten
wuͤrden das Ding viel beſſer machen. Und eben dar-
um hat der arme Mann ſich euern Haß aufgela-
den, daß er (der doch nach euerm Sinn weit unter
euch ſteht, und ſich’s wohl herrlich zur groͤßten Ehr’
haͤtte rechnen ſollen, bey euch gelitten zu werden)
euch vielmehr ſorgfaͤltig vermied, und Geſpanen ſuch-
te die mehr nach ſeinem Geſchmacke waren — oder
in deren Ermanglung lieber mit einem redlichen
Bauer von Holz und Feld, Heu und Stroh plau-
derte — oder ſich zuletzt mit dem erſten beßten Hand-
werksburſch unterhielt — wenn er nur euch, Aller-
weltshofmeiſter! ausweichen konnte.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0310" n="294"/>
          <p>Von des armen Manns Schreibereyen wa&#x0364;re ge-<lb/>
wiß nichts vor deine Augen gekommen, wenn nicht<lb/>
jene Zeitung den verdammten Lerm veranla&#x017F;&#x017F;et ha&#x0364;t-<lb/>
te; lie&#x017F;e&#x017F;t du doch &#x017F;on&#x017F;t nichts als etwa die&#x017F;e, um<lb/>
darinn etwas aufzu&#x017F;chnappen, das du mit deinem<lb/>
Senf wieder aufti&#x017F;chen kann&#x017F;t, oder im Calender,<lb/>
und in deinem Rechenbuch. So begehrt auch <hi rendition="#fr">Uli</hi><lb/>
gewiß weder hervorzuragen noch Figur zu machen,<lb/>
wie du und deine Helfershelfer, die ihre hohe Weis-<lb/>
heit auf allen Kirchen- und Marktpla&#x0364;tzen, haupt&#x017F;a&#x0364;ch-<lb/>
lich aber in allen Wirthshausgelagen erto&#x0364;nen la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und mit ihrem breiten Maul u&#x0364;ber Dinge ab&#x017F;prechen,<lb/>
wovon &#x017F;ie keine Laus ver&#x017F;tehen. Da muß jeder,<lb/>
der nicht nach eurer Pfeife tanzt, Spißruthen lau-<lb/>
fen. Da werden weder gei&#x017F;t- noch weltliche Vorge-<lb/>
&#x017F;etzte ge&#x017F;chont. Landsordnungen und Gebra&#x0364;uche, al-<lb/>
les liegt euch nicht recht. Euer Wohlweisheiten<lb/>
wu&#x0364;rden das Ding viel be&#x017F;&#x017F;er machen. Und eben dar-<lb/>
um hat der arme Mann &#x017F;ich euern Haß aufgela-<lb/>
den, daß er (der doch nach euerm Sinn weit unter<lb/>
euch &#x017F;teht, und &#x017F;ich&#x2019;s wohl herrlich zur gro&#x0364;ßten Ehr&#x2019;<lb/>
ha&#x0364;tte rechnen &#x017F;ollen, bey euch gelitten zu werden)<lb/>
euch vielmehr &#x017F;orgfa&#x0364;ltig vermied, und Ge&#x017F;panen &#x017F;uch-<lb/>
te die mehr nach &#x017F;einem Ge&#x017F;chmacke waren &#x2014; oder<lb/>
in deren Ermanglung lieber mit einem redlichen<lb/>
Bauer von Holz und Feld, Heu und Stroh plau-<lb/>
derte &#x2014; oder &#x017F;ich zuletzt mit dem er&#x017F;ten beßten Hand-<lb/>
werksbur&#x017F;ch unterhielt &#x2014; wenn er nur euch, Aller-<lb/>
weltshofmei&#x017F;ter! ausweichen konnte.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0310] Von des armen Manns Schreibereyen waͤre ge- wiß nichts vor deine Augen gekommen, wenn nicht jene Zeitung den verdammten Lerm veranlaſſet haͤt- te; lieſeſt du doch ſonſt nichts als etwa dieſe, um darinn etwas aufzuſchnappen, das du mit deinem Senf wieder auftiſchen kannſt, oder im Calender, und in deinem Rechenbuch. So begehrt auch Uli gewiß weder hervorzuragen noch Figur zu machen, wie du und deine Helfershelfer, die ihre hohe Weis- heit auf allen Kirchen- und Marktplaͤtzen, hauptſaͤch- lich aber in allen Wirthshausgelagen ertoͤnen laſſen, und mit ihrem breiten Maul uͤber Dinge abſprechen, wovon ſie keine Laus verſtehen. Da muß jeder, der nicht nach eurer Pfeife tanzt, Spißruthen lau- fen. Da werden weder geiſt- noch weltliche Vorge- ſetzte geſchont. Landsordnungen und Gebraͤuche, al- les liegt euch nicht recht. Euer Wohlweisheiten wuͤrden das Ding viel beſſer machen. Und eben dar- um hat der arme Mann ſich euern Haß aufgela- den, daß er (der doch nach euerm Sinn weit unter euch ſteht, und ſich’s wohl herrlich zur groͤßten Ehr’ haͤtte rechnen ſollen, bey euch gelitten zu werden) euch vielmehr ſorgfaͤltig vermied, und Geſpanen ſuch- te die mehr nach ſeinem Geſchmacke waren — oder in deren Ermanglung lieber mit einem redlichen Bauer von Holz und Feld, Heu und Stroh plau- derte — oder ſich zuletzt mit dem erſten beßten Hand- werksburſch unterhielt — wenn er nur euch, Aller- weltshofmeiſter! ausweichen konnte.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/310
Zitationshilfe: Bräker, Ulrich: Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg. Herausgegeben von H. H. Füßli. Zürich, 1789, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/braeker_lebensgeschichte_1789/310>, abgerufen am 21.11.2024.