Punct derjenige, bis zu welchem hin gemessen werden muß. Diesen Punct, welchen man den Mittelpunct des Schwunges nennt, in welchem nämlich jener einzige schwere Punct sich befinden müßte, um ein in ebenso langen Zeiten schwingendes Pendel darzubieten, läßt sich nun freilich berechnen; aber diese Berechnung beruht auf einer vollkommen genauen Kenntniß aller einzelnen Theile des Pen- dels, und es würde immer schwer sein, die Lage desselben bis auf Linie zu verbürgen.
Wegen dieser nicht strengen Bestimmung verdiente Bohnen- berger's Pendel, welches Bessel das Pendel mit reciproken Axen nennt, und das von andern das convertible, umwendbare Pendel genannt ist, einen Vorzug, indem es den Schwingungsmit- telpunct an einer genau bestimmten Stelle, zur Abmessung bequem, darbietet. Es ist nämlich ein leicht aufzufassender Satz, daß, wenn ein Pendel am obern Ende aufgehängt Secunden schlägt, es auch irgendwo gegen das untere Ende hin einen Punct geben wird, in welchem umgekehrt aufgehängt, es wieder Secunden schlägt, und daß der Abstand dieser Puncte von einander der Abstand des Schwingungsmittelpunctes von der Axe, oder der so bestimmte Punct der Schwingungsmittelpunct ist, der zu jener Axe gehört. Bringt man also an einem Stabe AB (Fig. 67.) eine als Schneide zugeschärfte, zum Auflegen auf eine wohlpolirte Unterlage geeignete Axe CD an, und befestigt eine zweite Axe EF, deren Schärfe nach oben gekehrt ist, vermittelst einer Schraube, so wird man nach ei- nigen Versuchen den Abstand der beiden Schneiden CD, EF so einrichten können, daß die Schwingungszeiten des Pendels gleich sind, man mag es in der Stellung, welche die Figur zeigt, oder in umgekehrter Stellung, mit EF aufliegend, schwingen lassen. Die Schwierigkeit, die es haben mag, dies genau auszuführen, will ich hier nicht weiter berücksichtigen, sondern nur kurz sagen, -- wenn diese Anordnung vollkommen ausgeführt ist, so ist die Schneide der einen Axe genau in dem der andern Axe zugehörigen Schwingungs- puncte, und der Abstand beider Axen von einander ist das, was wir Länge des Pendels nennen. Die Abmessung dieser Länge ließe sich sehr genau erhalten; aber bei einer Bestimmung, die bis auf ein Tausendtel einer Linie genau sein soll, muß man sehr feine Umstände mit berücksichtigen, und hier sind es besonders zwei Um-
Punct derjenige, bis zu welchem hin gemeſſen werden muß. Dieſen Punct, welchen man den Mittelpunct des Schwunges nennt, in welchem naͤmlich jener einzige ſchwere Punct ſich befinden muͤßte, um ein in ebenſo langen Zeiten ſchwingendes Pendel darzubieten, laͤßt ſich nun freilich berechnen; aber dieſe Berechnung beruht auf einer vollkommen genauen Kenntniß aller einzelnen Theile des Pen- dels, und es wuͤrde immer ſchwer ſein, die Lage deſſelben bis auf Linie zu verbuͤrgen.
Wegen dieſer nicht ſtrengen Beſtimmung verdiente Bohnen- berger's Pendel, welches Beſſel das Pendel mit reciproken Axen nennt, und das von andern das convertible, umwendbare Pendel genannt iſt, einen Vorzug, indem es den Schwingungsmit- telpunct an einer genau beſtimmten Stelle, zur Abmeſſung bequem, darbietet. Es iſt naͤmlich ein leicht aufzufaſſender Satz, daß, wenn ein Pendel am obern Ende aufgehaͤngt Secunden ſchlaͤgt, es auch irgendwo gegen das untere Ende hin einen Punct geben wird, in welchem umgekehrt aufgehaͤngt, es wieder Secunden ſchlaͤgt, und daß der Abſtand dieſer Puncte von einander der Abſtand des Schwingungsmittelpunctes von der Axe, oder der ſo beſtimmte Punct der Schwingungsmittelpunct iſt, der zu jener Axe gehoͤrt. Bringt man alſo an einem Stabe AB (Fig. 67.) eine als Schneide zugeſchaͤrfte, zum Auflegen auf eine wohlpolirte Unterlage geeignete Axe CD an, und befeſtigt eine zweite Axe EF, deren Schaͤrfe nach oben gekehrt iſt, vermittelſt einer Schraube, ſo wird man nach ei- nigen Verſuchen den Abſtand der beiden Schneiden CD, EF ſo einrichten koͤnnen, daß die Schwingungszeiten des Pendels gleich ſind, man mag es in der Stellung, welche die Figur zeigt, oder in umgekehrter Stellung, mit EF aufliegend, ſchwingen laſſen. Die Schwierigkeit, die es haben mag, dies genau auszufuͤhren, will ich hier nicht weiter beruͤckſichtigen, ſondern nur kurz ſagen, — wenn dieſe Anordnung vollkommen ausgefuͤhrt iſt, ſo iſt die Schneide der einen Axe genau in dem der andern Axe zugehoͤrigen Schwingungs- puncte, und der Abſtand beider Axen von einander iſt das, was wir Laͤnge des Pendels nennen. Die Abmeſſung dieſer Laͤnge ließe ſich ſehr genau erhalten; aber bei einer Beſtimmung, die bis auf ein Tauſendtel einer Linie genau ſein ſoll, muß man ſehr feine Umſtaͤnde mit beruͤckſichtigen, und hier ſind es beſonders zwei Um-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0129"n="107"/>
Punct derjenige, bis zu welchem hin gemeſſen werden muß. Dieſen<lb/>
Punct, welchen man den Mittelpunct des Schwunges nennt, in<lb/>
welchem naͤmlich jener einzige ſchwere Punct ſich befinden muͤßte,<lb/>
um ein in ebenſo langen Zeiten ſchwingendes Pendel darzubieten,<lb/>
laͤßt ſich nun freilich berechnen; aber dieſe Berechnung beruht auf<lb/>
einer vollkommen genauen Kenntniß aller einzelnen Theile des Pen-<lb/>
dels, und es wuͤrde immer ſchwer ſein, die Lage deſſelben bis auf<lb/><formulanotation="TeX">\frac{1}{100}</formula> Linie zu verbuͤrgen.</p><lb/><p>Wegen dieſer nicht ſtrengen Beſtimmung verdiente <hirendition="#g">Bohnen</hi>-<lb/><hirendition="#g">berger</hi>'s Pendel, welches <hirendition="#g">Beſſel</hi> das Pendel mit reciproken<lb/>
Axen nennt, und das von andern das convertible, umwendbare<lb/>
Pendel genannt iſt, einen Vorzug, indem es den Schwingungsmit-<lb/>
telpunct an einer genau beſtimmten Stelle, zur Abmeſſung bequem,<lb/>
darbietet. Es iſt naͤmlich ein leicht aufzufaſſender Satz, daß, wenn<lb/>
ein Pendel am obern Ende aufgehaͤngt Secunden ſchlaͤgt, es auch<lb/>
irgendwo gegen das untere Ende hin einen Punct geben wird, in<lb/>
welchem umgekehrt aufgehaͤngt, es wieder Secunden ſchlaͤgt, und<lb/>
daß der Abſtand dieſer Puncte von einander der Abſtand des<lb/>
Schwingungsmittelpunctes von der Axe, oder der ſo beſtimmte<lb/>
Punct der Schwingungsmittelpunct iſt, der zu jener Axe gehoͤrt.<lb/>
Bringt man alſo an einem Stabe <hirendition="#aq"><hirendition="#b">AB</hi></hi> (<hirendition="#aq"><hirendition="#b">Fig. 67.</hi></hi>) eine als Schneide<lb/>
zugeſchaͤrfte, zum Auflegen auf eine wohlpolirte Unterlage geeignete<lb/>
Axe <hirendition="#aq"><hirendition="#b">CD</hi></hi> an, und befeſtigt eine zweite Axe <hirendition="#aq"><hirendition="#b">EF,</hi></hi> deren Schaͤrfe nach<lb/>
oben gekehrt iſt, vermittelſt einer Schraube, ſo wird man nach ei-<lb/>
nigen Verſuchen den Abſtand der beiden Schneiden <hirendition="#aq"><hirendition="#b">CD, EF</hi></hi>ſo<lb/>
einrichten koͤnnen, daß die Schwingungszeiten des Pendels gleich<lb/>ſind, man mag es in der Stellung, welche die Figur zeigt, oder in<lb/>
umgekehrter Stellung, mit <hirendition="#aq"><hirendition="#b">EF</hi></hi> aufliegend, ſchwingen laſſen. Die<lb/>
Schwierigkeit, die es haben mag, dies genau auszufuͤhren, will ich<lb/>
hier nicht weiter beruͤckſichtigen, ſondern nur kurz ſagen, — wenn<lb/>
dieſe Anordnung vollkommen ausgefuͤhrt iſt, ſo iſt die Schneide der<lb/>
einen Axe genau in dem der andern Axe zugehoͤrigen Schwingungs-<lb/>
puncte, und der Abſtand beider Axen von einander iſt das, was wir<lb/><hirendition="#g">Laͤnge des Pendels</hi> nennen. Die Abmeſſung dieſer Laͤnge<lb/>
ließe ſich ſehr genau erhalten; aber bei einer Beſtimmung, die bis<lb/>
auf ein Tauſendtel einer Linie genau ſein ſoll, muß man ſehr feine<lb/>
Umſtaͤnde mit beruͤckſichtigen, und hier ſind es beſonders zwei Um-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[107/0129]
Punct derjenige, bis zu welchem hin gemeſſen werden muß. Dieſen
Punct, welchen man den Mittelpunct des Schwunges nennt, in
welchem naͤmlich jener einzige ſchwere Punct ſich befinden muͤßte,
um ein in ebenſo langen Zeiten ſchwingendes Pendel darzubieten,
laͤßt ſich nun freilich berechnen; aber dieſe Berechnung beruht auf
einer vollkommen genauen Kenntniß aller einzelnen Theile des Pen-
dels, und es wuͤrde immer ſchwer ſein, die Lage deſſelben bis auf
[FORMEL] Linie zu verbuͤrgen.
Wegen dieſer nicht ſtrengen Beſtimmung verdiente Bohnen-
berger's Pendel, welches Beſſel das Pendel mit reciproken
Axen nennt, und das von andern das convertible, umwendbare
Pendel genannt iſt, einen Vorzug, indem es den Schwingungsmit-
telpunct an einer genau beſtimmten Stelle, zur Abmeſſung bequem,
darbietet. Es iſt naͤmlich ein leicht aufzufaſſender Satz, daß, wenn
ein Pendel am obern Ende aufgehaͤngt Secunden ſchlaͤgt, es auch
irgendwo gegen das untere Ende hin einen Punct geben wird, in
welchem umgekehrt aufgehaͤngt, es wieder Secunden ſchlaͤgt, und
daß der Abſtand dieſer Puncte von einander der Abſtand des
Schwingungsmittelpunctes von der Axe, oder der ſo beſtimmte
Punct der Schwingungsmittelpunct iſt, der zu jener Axe gehoͤrt.
Bringt man alſo an einem Stabe AB (Fig. 67.) eine als Schneide
zugeſchaͤrfte, zum Auflegen auf eine wohlpolirte Unterlage geeignete
Axe CD an, und befeſtigt eine zweite Axe EF, deren Schaͤrfe nach
oben gekehrt iſt, vermittelſt einer Schraube, ſo wird man nach ei-
nigen Verſuchen den Abſtand der beiden Schneiden CD, EF ſo
einrichten koͤnnen, daß die Schwingungszeiten des Pendels gleich
ſind, man mag es in der Stellung, welche die Figur zeigt, oder in
umgekehrter Stellung, mit EF aufliegend, ſchwingen laſſen. Die
Schwierigkeit, die es haben mag, dies genau auszufuͤhren, will ich
hier nicht weiter beruͤckſichtigen, ſondern nur kurz ſagen, — wenn
dieſe Anordnung vollkommen ausgefuͤhrt iſt, ſo iſt die Schneide der
einen Axe genau in dem der andern Axe zugehoͤrigen Schwingungs-
puncte, und der Abſtand beider Axen von einander iſt das, was wir
Laͤnge des Pendels nennen. Die Abmeſſung dieſer Laͤnge
ließe ſich ſehr genau erhalten; aber bei einer Beſtimmung, die bis
auf ein Tauſendtel einer Linie genau ſein ſoll, muß man ſehr feine
Umſtaͤnde mit beruͤckſichtigen, und hier ſind es beſonders zwei Um-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/129>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.