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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830.

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zugleich der Grund, warum eine solche Kraft, wie die Schwere,
eine beschleunigende Kraft heißt, nämlich eine solche, die
durch stetige, ununterbrochene Wirkung nach einer bestimmten
Richtung, die dieser Richtung gemäße Geschwindigkeit unaufhörlich
vermehrt.

Wir können die Kräfte, durch welche Bewegung hervorge-
bracht wird, in zwei Classen theilen. Einige wirken, zum Beispiel
durch einen Stoß, nur augenblicklich, andre wirken, wie die
Schwere, dauernd, und heißen deswegen, im Gegensatze gegen jene,
beschleunigende Kräfte, weil sie die von ihnen selbst hervorgebrachte
Geschwindigkeit fortdauernd vermehren, die Bewegung beschleuni-
gen. Die Einwirkung des Stoßes auf einen noch ruhenden Kör-
per setzt diesen in Bewegung; aber offenbar ertheilt sie ihm eine
desto kleinere Geschwindigkeit, je größer die Masse ist, welcher
Bewegung ertheilt werden soll. Sowohl die Erfahrung, als eine
theoretische Ueberlegung zeigt, daß wenn ein Stoß von bestimmter
Stärke einer gewissen Masse, einer gewissen Menge von Materie,
die Geschwindigkeit von 10 Fuß in der Secunde ertheilt, so wird
eben der Stoß der doppelt so großen Masse nur eine Geschwindig-
keit von 5 Fuß in der Secunde ertheilen, und so wird immer bei
gleicher bewegender Kraft die Geschwindigkeit umgekehrt der
Masse proportional sein; daß aber auch die Geschwindigkeit nach
dem Maaße der bewegenden Kraft wachsen oder dieser proportional
sein wird, das heißt, daß eine gleich große Masse durch eine dop-
pelte, oder eine dreifache bewegende Kraft auch eine doppelte oder
eine dreifache Geschwindigkeit erlangen wird, das versteht sich wohl
von selbst.

Mittheilung der Bewegung.

Wenn eine solche Einwirkung auf einen festen Körper statt
findet, so sind wir gewohnt, diesen Körper durch den Stoß ganz
fortgeführt, ihn als unzertheilten Körper die seiner Masse an-
gemessene Bewegung annehmen zu sehen. Die Mittheilung der
Bewegung erstreckt sich dann nicht bloß auf einige unmittel-
bar durch den Stoß getroffene Theilchen, sondern auf alle fest
verbundene Theile des Körpers. Daher fällt es uns als eine son-
derbare Erscheinung auf, wenn, bei sehr heftigem Stoße, diejeni-
gen Theile, welche unmittelbar getroffen werden, losgerissen von

zugleich der Grund, warum eine ſolche Kraft, wie die Schwere,
eine beſchleunigende Kraft heißt, naͤmlich eine ſolche, die
durch ſtetige, ununterbrochene Wirkung nach einer beſtimmten
Richtung, die dieſer Richtung gemaͤße Geſchwindigkeit unaufhoͤrlich
vermehrt.

Wir koͤnnen die Kraͤfte, durch welche Bewegung hervorge-
bracht wird, in zwei Claſſen theilen. Einige wirken, zum Beiſpiel
durch einen Stoß, nur augenblicklich, andre wirken, wie die
Schwere, dauernd, und heißen deswegen, im Gegenſatze gegen jene,
beſchleunigende Kraͤfte, weil ſie die von ihnen ſelbſt hervorgebrachte
Geſchwindigkeit fortdauernd vermehren, die Bewegung beſchleuni-
gen. Die Einwirkung des Stoßes auf einen noch ruhenden Koͤr-
per ſetzt dieſen in Bewegung; aber offenbar ertheilt ſie ihm eine
deſto kleinere Geſchwindigkeit, je groͤßer die Maſſe iſt, welcher
Bewegung ertheilt werden ſoll. Sowohl die Erfahrung, als eine
theoretiſche Ueberlegung zeigt, daß wenn ein Stoß von beſtimmter
Staͤrke einer gewiſſen Maſſe, einer gewiſſen Menge von Materie,
die Geſchwindigkeit von 10 Fuß in der Secunde ertheilt, ſo wird
eben der Stoß der doppelt ſo großen Maſſe nur eine Geſchwindig-
keit von 5 Fuß in der Secunde ertheilen, und ſo wird immer bei
gleicher bewegender Kraft die Geſchwindigkeit umgekehrt der
Maſſe proportional ſein; daß aber auch die Geſchwindigkeit nach
dem Maaße der bewegenden Kraft wachſen oder dieſer proportional
ſein wird, das heißt, daß eine gleich große Maſſe durch eine dop-
pelte, oder eine dreifache bewegende Kraft auch eine doppelte oder
eine dreifache Geſchwindigkeit erlangen wird, das verſteht ſich wohl
von ſelbſt.

Mittheilung der Bewegung.

Wenn eine ſolche Einwirkung auf einen feſten Koͤrper ſtatt
findet, ſo ſind wir gewohnt, dieſen Koͤrper durch den Stoß ganz
fortgefuͤhrt, ihn als unzertheilten Koͤrper die ſeiner Maſſe an-
gemeſſene Bewegung annehmen zu ſehen. Die Mittheilung der
Bewegung erſtreckt ſich dann nicht bloß auf einige unmittel-
bar durch den Stoß getroffene Theilchen, ſondern auf alle feſt
verbundene Theile des Koͤrpers. Daher faͤllt es uns als eine ſon-
derbare Erſcheinung auf, wenn, bei ſehr heftigem Stoße, diejeni-
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[32/0054] zugleich der Grund, warum eine ſolche Kraft, wie die Schwere, eine beſchleunigende Kraft heißt, naͤmlich eine ſolche, die durch ſtetige, ununterbrochene Wirkung nach einer beſtimmten Richtung, die dieſer Richtung gemaͤße Geſchwindigkeit unaufhoͤrlich vermehrt. Wir koͤnnen die Kraͤfte, durch welche Bewegung hervorge- bracht wird, in zwei Claſſen theilen. Einige wirken, zum Beiſpiel durch einen Stoß, nur augenblicklich, andre wirken, wie die Schwere, dauernd, und heißen deswegen, im Gegenſatze gegen jene, beſchleunigende Kraͤfte, weil ſie die von ihnen ſelbſt hervorgebrachte Geſchwindigkeit fortdauernd vermehren, die Bewegung beſchleuni- gen. Die Einwirkung des Stoßes auf einen noch ruhenden Koͤr- per ſetzt dieſen in Bewegung; aber offenbar ertheilt ſie ihm eine deſto kleinere Geſchwindigkeit, je groͤßer die Maſſe iſt, welcher Bewegung ertheilt werden ſoll. Sowohl die Erfahrung, als eine theoretiſche Ueberlegung zeigt, daß wenn ein Stoß von beſtimmter Staͤrke einer gewiſſen Maſſe, einer gewiſſen Menge von Materie, die Geſchwindigkeit von 10 Fuß in der Secunde ertheilt, ſo wird eben der Stoß der doppelt ſo großen Maſſe nur eine Geſchwindig- keit von 5 Fuß in der Secunde ertheilen, und ſo wird immer bei gleicher bewegender Kraft die Geſchwindigkeit umgekehrt der Maſſe proportional ſein; daß aber auch die Geſchwindigkeit nach dem Maaße der bewegenden Kraft wachſen oder dieſer proportional ſein wird, das heißt, daß eine gleich große Maſſe durch eine dop- pelte, oder eine dreifache bewegende Kraft auch eine doppelte oder eine dreifache Geſchwindigkeit erlangen wird, das verſteht ſich wohl von ſelbſt. Mittheilung der Bewegung. Wenn eine ſolche Einwirkung auf einen feſten Koͤrper ſtatt findet, ſo ſind wir gewohnt, dieſen Koͤrper durch den Stoß ganz fortgefuͤhrt, ihn als unzertheilten Koͤrper die ſeiner Maſſe an- gemeſſene Bewegung annehmen zu ſehen. Die Mittheilung der Bewegung erſtreckt ſich dann nicht bloß auf einige unmittel- bar durch den Stoß getroffene Theilchen, ſondern auf alle feſt verbundene Theile des Koͤrpers. Daher faͤllt es uns als eine ſon- derbare Erſcheinung auf, wenn, bei ſehr heftigem Stoße, diejeni- gen Theile, welche unmittelbar getroffen werden, losgeriſſen von

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Zitationshilfe: Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 1. Leipzig, 1830, S. 32. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre01_1830/54>, abgerufen am 21.11.2024.