ungleich warme Luftmassen, selbst wenn sie dem Sättigungszu- stande nicht ganz nahe sind, bei der Mischung allemal einen Nie- derschlag geben, enthält allerdings eine für die meisten Fälle sehr genügende Auskunft. Sie wissen aus dem Vorigen, daß Luft von 8° Cent. 31/2 Gran, Luft von 18° Cent. 7 Gran Wasser im Cu- bicfuß im Maximum enthält, aber wenn diese Luft bei der Mischung 13° warm wird, so kann sie nur 5 Gran enthalten und jede 2 Cubicfuß geben 1/2 Gran Wasser; bei größern Wärme-Unterschie- den wird dies noch viel erheblicher *). Aber so sehr dies geeignet ist, die mäßigen Regen zu erklären, so kann ich doch einen Zweifel, ob eben diese Erklärung für die Gewitterregen, für die Platzregen, für die Wolkenbrüche, ausreicht, nicht ganz als widerlegt ansehen. Wenn man die Nachrichten von dem zerstörenden Regengusse am 3. u. 4. Aug. 1829 in der Gegend des Dee in Schottland, oder von dem auf 8000 Quadratklafter beschränkten und kurze Zeit dauernden Regengusse, der am 26. Jul. 1809 eine Gegend der Zipser Alpen in Ungarn traf, liest **), so kann man sich nicht wohl dabei beru- higen, eine allmählig eintretende Mischung warmer und kalter Luft als die Ursache dieser, so überraschenden, mit furchtbarer Schnellig- keit herabstürzenden Wasserströme anzusehen. Ist gleich die ***) von Kämtz angeführte Betrachtung, daß die ganze über uns stehende Luftsäule bei großer Hitze 11 Zoll Wasser herzugeben im Stande sei, ganz richtig; so bleibt es doch sehr dunkel, warum so auf einmal diese Luftsäule beinahe ihren ganzen Wasservorrath her- gebe, und warum sogar mit so großer Schnelligkeit Wasser aus den benachbarten Gegenden herbeigeführt werde. Man hat sonst der Electricität allein das Geschäft, diese heftigen Regen hervor- zubringen, übertragen, hat den electrischen Funken, den Blitz, aus einer Mischung von Wasserstoffgas und Sauerstoffgas Wasser erzeu- gen lassen, obgleich niemand das Wasserstoffgas in der Atmosphäre nachzuweisen wußte; -- unstreitig hat man darin zu viel gethan,
*) Sehr viele einzelne Phänomene, die sich hieraus erklären, erwähnt Kämtz in seiner Meteorologie. I. Th. 4. Abschn.
**)New philos. Journal by Jameson Jul. 1830. p. 280. und Baumgartners Zeitschr. V. 72.
***) Meteorologie. I. 420.
III. L
ungleich warme Luftmaſſen, ſelbſt wenn ſie dem Saͤttigungszu- ſtande nicht ganz nahe ſind, bei der Miſchung allemal einen Nie- derſchlag geben, enthaͤlt allerdings eine fuͤr die meiſten Faͤlle ſehr genuͤgende Auskunft. Sie wiſſen aus dem Vorigen, daß Luft von 8° Cent. 3½ Gran, Luft von 18° Cent. 7 Gran Waſſer im Cu- bicfuß im Maximum enthaͤlt, aber wenn dieſe Luft bei der Miſchung 13° warm wird, ſo kann ſie nur 5 Gran enthalten und jede 2 Cubicfuß geben ½ Gran Waſſer; bei groͤßern Waͤrme-Unterſchie- den wird dies noch viel erheblicher *). Aber ſo ſehr dies geeignet iſt, die maͤßigen Regen zu erklaͤren, ſo kann ich doch einen Zweifel, ob eben dieſe Erklaͤrung fuͤr die Gewitterregen, fuͤr die Platzregen, fuͤr die Wolkenbruͤche, ausreicht, nicht ganz als widerlegt anſehen. Wenn man die Nachrichten von dem zerſtoͤrenden Regenguſſe am 3. u. 4. Aug. 1829 in der Gegend des Dee in Schottland, oder von dem auf 8000 Quadratklafter beſchraͤnkten und kurze Zeit dauernden Regenguſſe, der am 26. Jul. 1809 eine Gegend der Zipſer Alpen in Ungarn traf, lieſt **), ſo kann man ſich nicht wohl dabei beru- higen, eine allmaͤhlig eintretende Miſchung warmer und kalter Luft als die Urſache dieſer, ſo uͤberraſchenden, mit furchtbarer Schnellig- keit herabſtuͤrzenden Waſſerſtroͤme anzuſehen. Iſt gleich die ***) von Kaͤmtz angefuͤhrte Betrachtung, daß die ganze uͤber uns ſtehende Luftſaͤule bei großer Hitze 11 Zoll Waſſer herzugeben im Stande ſei, ganz richtig; ſo bleibt es doch ſehr dunkel, warum ſo auf einmal dieſe Luftſaͤule beinahe ihren ganzen Waſſervorrath her- gebe, und warum ſogar mit ſo großer Schnelligkeit Waſſer aus den benachbarten Gegenden herbeigefuͤhrt werde. Man hat ſonſt der Electricitaͤt allein das Geſchaͤft, dieſe heftigen Regen hervor- zubringen, uͤbertragen, hat den electriſchen Funken, den Blitz, aus einer Miſchung von Waſſerſtoffgas und Sauerſtoffgas Waſſer erzeu- gen laſſen, obgleich niemand das Waſſerſtoffgas in der Atmoſphaͤre nachzuweiſen wußte; — unſtreitig hat man darin zu viel gethan,
*) Sehr viele einzelne Phaͤnomene, die ſich hieraus erklaͤren, erwaͤhnt Kaͤmtz in ſeiner Meteorologie. I. Th. 4. Abſchn.
**)New philos. Journal by Jameson Jul. 1830. p. 280. und Baumgartners Zeitſchr. V. 72.
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III. L
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genuͤgende Auskunft. Sie wiſſen aus dem Vorigen, daß Luft von
8° Cent. 3½ Gran, Luft von 18° Cent. 7 Gran Waſſer im Cu-
bicfuß im Maximum enthaͤlt, aber wenn dieſe Luft bei der Miſchung
13° warm wird, ſo kann ſie nur 5 Gran enthalten und jede
2 Cubicfuß geben ½ Gran Waſſer; bei groͤßern Waͤrme-Unterſchie-
den wird dies noch viel erheblicher *). Aber ſo ſehr dies geeignet
iſt, die maͤßigen Regen zu erklaͤren, ſo kann ich doch einen Zweifel,
ob eben dieſe Erklaͤrung fuͤr die Gewitterregen, fuͤr die Platzregen, fuͤr
die Wolkenbruͤche, ausreicht, nicht ganz als widerlegt anſehen. Wenn
man die Nachrichten von dem zerſtoͤrenden Regenguſſe am 3. u. 4.
Aug. 1829 in der Gegend des Dee in Schottland, oder von
dem auf 8000 Quadratklafter beſchraͤnkten und kurze Zeit dauernden
Regenguſſe, der am 26. Jul. 1809 eine Gegend der Zipſer Alpen
in Ungarn traf, lieſt **), ſo kann man ſich nicht wohl dabei beru-
higen, eine allmaͤhlig eintretende Miſchung warmer und kalter Luft
als die Urſache dieſer, ſo uͤberraſchenden, mit furchtbarer Schnellig-
keit herabſtuͤrzenden Waſſerſtroͤme anzuſehen. Iſt gleich die ***)
von Kaͤmtz angefuͤhrte Betrachtung, daß die ganze uͤber uns
ſtehende Luftſaͤule bei großer Hitze 11 Zoll Waſſer herzugeben im
Stande ſei, ganz richtig; ſo bleibt es doch ſehr dunkel, warum ſo
auf einmal dieſe Luftſaͤule beinahe ihren ganzen Waſſervorrath her-
gebe, und warum ſogar mit ſo großer Schnelligkeit Waſſer aus
den benachbarten Gegenden herbeigefuͤhrt werde. Man hat ſonſt
der Electricitaͤt allein das Geſchaͤft, dieſe heftigen Regen hervor-
zubringen, uͤbertragen, hat den electriſchen Funken, den Blitz, aus
einer Miſchung von Waſſerſtoffgas und Sauerſtoffgas Waſſer erzeu-
gen laſſen, obgleich niemand das Waſſerſtoffgas in der Atmoſphaͤre
nachzuweiſen wußte; — unſtreitig hat man darin zu viel gethan,
*) Sehr viele einzelne Phaͤnomene, die ſich hieraus erklaͤren, erwaͤhnt
Kaͤmtz in ſeiner Meteorologie. I. Th. 4. Abſchn.
**) New philos. Journal by Jameson Jul. 1830. p. 280. und
Baumgartners Zeitſchr. V. 72.
***) Meteorologie. I. 420.
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Brandes, Heinrich Wilhelm: Vorlesungen über die Naturlehre. Bd. 3. Leipzig, 1832, S. 161. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brandes_naturlehre03_1832/175>, abgerufen am 23.11.2024.
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