Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.Die Raubthiere. Katzen. -- Wildkatze. Einzelne Kater werden unter besonders günstigen Umständen auch drei Fuß lang. Der Pelz ist dichtund lang, beim Männchen grau, bisweilen sogar schwarzgrau gefärbt, bei dem Weibchen hingegen gelblich. Von der Stirn ziehen sich vier gleichlaufende, schwarze Streifen zwischen den Ohren hindurch, von denen die beiden mittleren sich auf dem Rücken fortsetzen und, nachdem sie sich vereinigt haben, einen mittlen Streifen bilden, der längs des Rückgrates und über die Oberseite des Schwanzes läuft. Von ihm gehen auf beiden Seiten viele, aber verwaschene Querstreifen aus, welche etwas dunkler, als die anderen, sind und nach dem Bauche hinabziehen. Letzterer ist gelblich, mit einigen schwarzen Flecken betüpfelt, die Beine sind mit wenigen schwarzen Querstreifen gezeichnet, gegen die Pfoten zu gelber, an der Jnnenseite der Hinterbeine gelblich und ungefleckt. Der Schwanz ist gleichmäßig geringelt, die Ringe selbst von der Wurzel nach der Spitze hin immer dunkler. Das Gesicht ist rothgelb, das Ohr auf der Rückseite rostgran, inwendig gelblichweiß. Noch heutzutage ist die Wildkatze über fast ganz Europa verbreitet; sie konnte bis jetzt nicht einmal Sie lebt einzeln oder höchstens paarweise und scheint ihr Gebiet gegen andere ihrer Art zu be- Die Raubthiere. Katzen. — Wildkatze. Einzelne Kater werden unter beſonders günſtigen Umſtänden auch drei Fuß lang. Der Pelz iſt dichtund lang, beim Männchen grau, bisweilen ſogar ſchwarzgrau gefärbt, bei dem Weibchen hingegen gelblich. Von der Stirn ziehen ſich vier gleichlaufende, ſchwarze Streifen zwiſchen den Ohren hindurch, von denen die beiden mittleren ſich auf dem Rücken fortſetzen und, nachdem ſie ſich vereinigt haben, einen mittlen Streifen bilden, der längs des Rückgrates und über die Oberſeite des Schwanzes läuft. Von ihm gehen auf beiden Seiten viele, aber verwaſchene Querſtreifen aus, welche etwas dunkler, als die anderen, ſind und nach dem Bauche hinabziehen. Letzterer iſt gelblich, mit einigen ſchwarzen Flecken betüpfelt, die Beine ſind mit wenigen ſchwarzen Querſtreifen gezeichnet, gegen die Pfoten zu gelber, an der Jnnenſeite der Hinterbeine gelblich und ungefleckt. Der Schwanz iſt gleichmäßig geringelt, die Ringe ſelbſt von der Wurzel nach der Spitze hin immer dunkler. Das Geſicht iſt rothgelb, das Ohr auf der Rückſeite roſtgran, inwendig gelblichweiß. Noch heutzutage iſt die Wildkatze über faſt ganz Europa verbreitet; ſie konnte bis jetzt nicht einmal Sie lebt einzeln oder höchſtens paarweiſe und ſcheint ihr Gebiet gegen andere ihrer Art zu be- <TEI> <text> <body> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0340" n="276"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Raubthiere.</hi> Katzen. — <hi rendition="#g">Wildkatze.</hi></fw><lb/> Einzelne Kater werden unter beſonders günſtigen Umſtänden auch drei Fuß lang. Der Pelz iſt dicht<lb/> und lang, beim Männchen grau, bisweilen ſogar ſchwarzgrau gefärbt, bei dem Weibchen hingegen<lb/> gelblich. Von der Stirn ziehen ſich vier gleichlaufende, ſchwarze Streifen zwiſchen den Ohren hindurch,<lb/> von denen die beiden mittleren ſich auf dem Rücken fortſetzen und, nachdem ſie ſich vereinigt haben,<lb/> einen mittlen Streifen bilden, der längs des Rückgrates und über die Oberſeite des Schwanzes läuft.<lb/> Von ihm gehen auf beiden Seiten viele, aber verwaſchene Querſtreifen aus, welche etwas dunkler, als<lb/> die anderen, ſind und nach dem Bauche hinabziehen. Letzterer iſt gelblich, mit einigen ſchwarzen Flecken<lb/> betüpfelt, die Beine ſind mit wenigen ſchwarzen Querſtreifen gezeichnet, gegen die Pfoten zu gelber,<lb/> an der Jnnenſeite der Hinterbeine gelblich und ungefleckt. Der Schwanz iſt gleichmäßig geringelt, die<lb/> Ringe ſelbſt von der Wurzel nach der Spitze hin immer dunkler. Das Geſicht iſt rothgelb, das Ohr<lb/> auf der Rückſeite roſtgran, inwendig gelblichweiß.</p><lb/> <p>Noch heutzutage iſt die Wildkatze über faſt ganz Europa verbreitet; ſie konnte bis jetzt nicht einmal<lb/> in dem ſo raubthierarmen Großbritannien ausgerottet werden. Gegenwärtig bewohnt ſie übrigens<lb/> blos noch waldreiche Gegenden, namentlich Gebirge, und ſtreift von da aus nur ſelten in das Tief-<lb/> land herab. Jn ausgedehnten Waldungen wird ſie jedes Jahr wenigſtens geſpürt, wenn auch nicht<lb/> erlegt. Jn dem Thüringer Walde hat man aber in den letzten Jahren immer noch zwölf Stück<lb/> erwachſene und eine vierteljährige Waldkatze erlegt, außerdem noch eine angeſchoſſen und drei aus dem<lb/> Neſte genommen, im Ganzen alſo ſechzehn Stück getödtet. Soweit bis jetzt mit Sicherheit feſtgeſtellt<lb/> iſt, reicht ihr Verbreitungskreis nicht weit über die Grenze Europas hinaus. Südlich vom Kaukaſus<lb/> iſt ſie noch in Gruſien vorgekommen; aus anderen aſiatiſchen Ländern erhielt man ſie nicht. Merk-<lb/> würdig iſt, daß ſie in Norwegen, Schweden und Rußland nicht vorkommt; dort wird ſie aber freilich<lb/> durch den Vetter <hi rendition="#g">Luchs</hi> mehr als hinreichend erſetzt. Dichte, große, ausgedehnte Wälder, namentlich<lb/> dunkle Nadelwälder, bilden ihren Aufenthalt; und je einſamer ihr Gebiet iſt, um ſo ſtändiger iſt ſie in<lb/> ihm. Felsreiche Waldgegenden zieht ſie allen übrigen vor, weil die Felſen ihr die ſicherſten Schlupf-<lb/> winkel gewähren. Außerdem bezieht ſie auch Dachs- und Fuchsbauten und große Höhlungen in<lb/> ſtarken Bäumen.</p><lb/> <p>Sie lebt einzeln oder höchſtens paarweiſe und ſcheint ihr Gebiet gegen andere ihrer Art zu be-<lb/> haupten. Jhre Lebensweiſe iſt eine durchaus nächtliche; ſie ähnelt der des Luchſes ebenſo ſehr, wie<lb/> der unſerer Hauskatze. Die Wildkatze iſt geſchickt im Klettern und erſteigt mit Leichtigkeit Bäume, auf<lb/> deren ſtärkeren Aeſten ſie ausruht, wenn ſie ſich nicht in einer Höhle verbergen kann. Hier drückt<lb/> ſie ſich feſt auf den ihrem Pelze gleichgefärbten Aſt und kann dann leicht überſehen werden. Erſt<lb/> mit Einbruch der Nacht beginnt ſie ihre Jagdzüge, ganz nach Art ihrer zahmen Schweſter. Mit der<lb/> allen Katzen eignen Liſt beſchleicht ſie den Vogel in ſeinem Neſte, den <hi rendition="#g">Haſen</hi> in ſeinem Lager und das<lb/><hi rendition="#g">Kaninchen</hi> in ſeinem Baue, vielleicht auch das <hi rendition="#g">Eichhörnchen</hi> auf dem Baume. Größeren Thieren<lb/> ſpringt ſie auf den Rücken und zerbeißt ihnen die Schlagadern des Halſes. Nach einem Fehlſprunge<lb/> verfolgt ſie das Thier nicht weiter, ſondern ſucht ſich lieber eine neue Beute auf: kurz, ſie iſt in jeder<lb/> Hinſicht eine echte Katze. Zum Glück für die Jagd beſteht ihre gewöhnliche Nahrung in <hi rendition="#g">Mäuſen</hi><lb/> aller Art und in kleinen Vögeln. Wohl nur zufällig macht ſie ſich an größere Thiere; aber ſie über-<lb/> fällt wirklich ſogar <hi rendition="#g">Reh-</hi> und <hi rendition="#g">Hirſchkälber</hi> und iſt für dieſe noch immer ſtark genug. An den<lb/> Seen und Wildbächen lauert ſie auch Fiſchen und Waſſervögeln auf und weiß dieſelben mit großer<lb/> Schlauheit zu erbeuten. Sehr ſchädlich wird ſie in allen Gehegen, am ſchädlichſten aber in Faſanerien.<lb/> Hier gelingt es ihr in kurzer Zeit, alle <hi rendition="#g">Faſanen</hi> eines ganzen Geheges zu vernichten. Jm Verhältniß<lb/> zu ihrer Größe iſt ſie überhaupt ein gefährliches Raubthier, welches leider den Blutdurſt der meiſten<lb/> ſeiner Gattungsverwandten theilt und weit mehr Thiere tödtet, als es verzehren kann. Aus dieſem<lb/> Grunde wird die Wildkatze von den Jägern grimmig gehaßt und unerbittlich verfolgt — denn kein<lb/> Waidmann rechnet den Nutzen, welchen ſie durch Vertilgung von Mäuſen bringt, ihr zu Gute. Wie viele<lb/> von dieſen ſchädlichen Thieren ſie vernichten kann, geht aus einer Angabe <hi rendition="#g">Tſchudi’s</hi> hervor, welcher<lb/> berichtet, daß man in dem Magen einer Wildkatze die Ueberreſte von 26 Mäuſen gefunden hat. Jm<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [276/0340]
Die Raubthiere. Katzen. — Wildkatze.
Einzelne Kater werden unter beſonders günſtigen Umſtänden auch drei Fuß lang. Der Pelz iſt dicht
und lang, beim Männchen grau, bisweilen ſogar ſchwarzgrau gefärbt, bei dem Weibchen hingegen
gelblich. Von der Stirn ziehen ſich vier gleichlaufende, ſchwarze Streifen zwiſchen den Ohren hindurch,
von denen die beiden mittleren ſich auf dem Rücken fortſetzen und, nachdem ſie ſich vereinigt haben,
einen mittlen Streifen bilden, der längs des Rückgrates und über die Oberſeite des Schwanzes läuft.
Von ihm gehen auf beiden Seiten viele, aber verwaſchene Querſtreifen aus, welche etwas dunkler, als
die anderen, ſind und nach dem Bauche hinabziehen. Letzterer iſt gelblich, mit einigen ſchwarzen Flecken
betüpfelt, die Beine ſind mit wenigen ſchwarzen Querſtreifen gezeichnet, gegen die Pfoten zu gelber,
an der Jnnenſeite der Hinterbeine gelblich und ungefleckt. Der Schwanz iſt gleichmäßig geringelt, die
Ringe ſelbſt von der Wurzel nach der Spitze hin immer dunkler. Das Geſicht iſt rothgelb, das Ohr
auf der Rückſeite roſtgran, inwendig gelblichweiß.
Noch heutzutage iſt die Wildkatze über faſt ganz Europa verbreitet; ſie konnte bis jetzt nicht einmal
in dem ſo raubthierarmen Großbritannien ausgerottet werden. Gegenwärtig bewohnt ſie übrigens
blos noch waldreiche Gegenden, namentlich Gebirge, und ſtreift von da aus nur ſelten in das Tief-
land herab. Jn ausgedehnten Waldungen wird ſie jedes Jahr wenigſtens geſpürt, wenn auch nicht
erlegt. Jn dem Thüringer Walde hat man aber in den letzten Jahren immer noch zwölf Stück
erwachſene und eine vierteljährige Waldkatze erlegt, außerdem noch eine angeſchoſſen und drei aus dem
Neſte genommen, im Ganzen alſo ſechzehn Stück getödtet. Soweit bis jetzt mit Sicherheit feſtgeſtellt
iſt, reicht ihr Verbreitungskreis nicht weit über die Grenze Europas hinaus. Südlich vom Kaukaſus
iſt ſie noch in Gruſien vorgekommen; aus anderen aſiatiſchen Ländern erhielt man ſie nicht. Merk-
würdig iſt, daß ſie in Norwegen, Schweden und Rußland nicht vorkommt; dort wird ſie aber freilich
durch den Vetter Luchs mehr als hinreichend erſetzt. Dichte, große, ausgedehnte Wälder, namentlich
dunkle Nadelwälder, bilden ihren Aufenthalt; und je einſamer ihr Gebiet iſt, um ſo ſtändiger iſt ſie in
ihm. Felsreiche Waldgegenden zieht ſie allen übrigen vor, weil die Felſen ihr die ſicherſten Schlupf-
winkel gewähren. Außerdem bezieht ſie auch Dachs- und Fuchsbauten und große Höhlungen in
ſtarken Bäumen.
Sie lebt einzeln oder höchſtens paarweiſe und ſcheint ihr Gebiet gegen andere ihrer Art zu be-
haupten. Jhre Lebensweiſe iſt eine durchaus nächtliche; ſie ähnelt der des Luchſes ebenſo ſehr, wie
der unſerer Hauskatze. Die Wildkatze iſt geſchickt im Klettern und erſteigt mit Leichtigkeit Bäume, auf
deren ſtärkeren Aeſten ſie ausruht, wenn ſie ſich nicht in einer Höhle verbergen kann. Hier drückt
ſie ſich feſt auf den ihrem Pelze gleichgefärbten Aſt und kann dann leicht überſehen werden. Erſt
mit Einbruch der Nacht beginnt ſie ihre Jagdzüge, ganz nach Art ihrer zahmen Schweſter. Mit der
allen Katzen eignen Liſt beſchleicht ſie den Vogel in ſeinem Neſte, den Haſen in ſeinem Lager und das
Kaninchen in ſeinem Baue, vielleicht auch das Eichhörnchen auf dem Baume. Größeren Thieren
ſpringt ſie auf den Rücken und zerbeißt ihnen die Schlagadern des Halſes. Nach einem Fehlſprunge
verfolgt ſie das Thier nicht weiter, ſondern ſucht ſich lieber eine neue Beute auf: kurz, ſie iſt in jeder
Hinſicht eine echte Katze. Zum Glück für die Jagd beſteht ihre gewöhnliche Nahrung in Mäuſen
aller Art und in kleinen Vögeln. Wohl nur zufällig macht ſie ſich an größere Thiere; aber ſie über-
fällt wirklich ſogar Reh- und Hirſchkälber und iſt für dieſe noch immer ſtark genug. An den
Seen und Wildbächen lauert ſie auch Fiſchen und Waſſervögeln auf und weiß dieſelben mit großer
Schlauheit zu erbeuten. Sehr ſchädlich wird ſie in allen Gehegen, am ſchädlichſten aber in Faſanerien.
Hier gelingt es ihr in kurzer Zeit, alle Faſanen eines ganzen Geheges zu vernichten. Jm Verhältniß
zu ihrer Größe iſt ſie überhaupt ein gefährliches Raubthier, welches leider den Blutdurſt der meiſten
ſeiner Gattungsverwandten theilt und weit mehr Thiere tödtet, als es verzehren kann. Aus dieſem
Grunde wird die Wildkatze von den Jägern grimmig gehaßt und unerbittlich verfolgt — denn kein
Waidmann rechnet den Nutzen, welchen ſie durch Vertilgung von Mäuſen bringt, ihr zu Gute. Wie viele
von dieſen ſchädlichen Thieren ſie vernichten kann, geht aus einer Angabe Tſchudi’s hervor, welcher
berichtet, daß man in dem Magen einer Wildkatze die Ueberreſte von 26 Mäuſen gefunden hat. Jm
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