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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Hunde. -- Doggen.
hängen, vorn den Mund nicht schließen und so beständig das Gebiß sehen lassen. Die Nase ist nicht
selten gespalten, der Pelz ist kurzhaarig und gewöhnlich von Farbe einfach roth, oft aber auch bunt.
Jn früheren Zeiten, wo das Land noch unsicherer war, als gegenwärtig, hielt man die Doggen noch
in ziemlicher Menge, gegenwärtig findet man sie nur bei Liebhabern. "Die Englischen Docken," sagt
v. Flemming in seinem Volkommenen teutschen Jäger, Leipzig 1717, "welche große Herren anfänglich
aus England und Jrrland mit vielen Unkosten bringen lassen, werden jetziger Zeit in Teutschland auf-
erzogen. Und geben denen allergrößten und schönsten den Namen Cammer-Hunde, weil sie solche meistens
des Nachts in ihrem Schlaff-Gemach bei sich haben, damit, wann Mörder einfallen sollten, diese solche
Bösewichte niederreißen, ihren Herrn aber erretten mögten. Nächst diesen werden andere Englische Docken
Leib-Hunde genennet, welche an Hirsche, Schweine und Wölfe gehetzt werden, sonderlich müssen die-
selben angewiesen werden, daß sie ein wildes Thier ja nicht vor den Kopff anfallen, sondern zur Seite
an die Ohren fassen, und zu beiden Seiten sich anlegen. Denn sonst ein Bär sie zerreißen, ein Hirsch
sein Gehörn vorwerffen und dieselben spießen, das wilde Schwein hauen, der Wolf aber stetig umb sich
schnappen und herrumb beißen würde. Jm Stall liegen sie ein jeder besonders vor sich an Ketten
und hat jeder seinen Fraß absonderlich vor sich stehen. -- Die Bären- oder Bollbeißer sind vor dieser
vorgemeldeten Art eine besondere Gattung, welche zwar dicke und schwer, zum fangen aber ungemein
hitzig erbittert sind. Sie sehen böse und tückisch auf, und werden insgemein zur Podolischen und
Ungarischen Büffel-Ochsen-Hatz, wie auch zuweilen die Bäre damit zu hetzen, gebraucht. Sie werden
anfänglich an mäßige Sauen gehetzet, endlich an kleine Bären. Man muß dieselben, wenn sie sich
fest einbeißen und verfangen, geschwind mit einer starken rauhen Gänsefeder in die Kehle kützeln, als-
dann lassen sie selbst loß. Der Bär schmeißet mit Ohrfeigen umb sich, bis die Herrschaft überdrüssig
wird, sodann werden die Hunde an sich angeruffen, und der Bär entweder in einen Kasten gethan,
oder von der Herrschaft ihme mit dem Fang-Eysen der Rest gegeben, nachdem die Cammer- oder Leib-
hunde vorgerücket und denselben gefangen, darzu dann von anwesenden Jägern mit Wald- und Hüfft-
hörnern geblasen wird."

Mit diesen Worten sind die Doggen fast hinlänglich beschrieben. Bei uns sieht man gewöhnlich
nur eine mittelgroße Rasse, welche höchstens die Größe eines mittelmäßigen Hühnerhundes erreicht,
oft aber nur halb so groß ist. Die Farbe dieses Thieres ist regelmäßig ein lichtes Jsabellgelb; es
finden sich aber auch, obwohl selten, Doggen, welche dunkler gefärbt sind. Die starken Knochen, die
breite Brust und vor Allem der ausgezeichnete Bau des Kopfes läßt die Doggen nie verkennen. Der
Kopf ist hinten breit und dick, die Backenmuskeln sind ganz erstaunlich stark, die Schnauze ist kurz, die
Nase eingedrückt und wird dadurch sehr häßlich, oder aber sie ist gespalten, so daß jedes Nasenloch
fast für sich besonders zu liegen scheint; die Schneidezähne stehen oft unregelmäßig, z. B. einige hinter
den anderen; die Spitze der Unterkinnlade tritt vor die der Oberkinnlade; Eck- und Backzähne sind
gewaltig; die Augen sind groß und der Blick düster.

Der eigentliche Bulldogg wird zumal in England gehalten und heißt bei uns geradezu
englische Dogge (Canis bellicosus). Man sieht ihn, noch mehr, als den Bullenbeißer, für ein
wüthendes, unzugängliches und stumpfsinniges Thier an; doch kann man ihm diese Eigenschaften nur
in beschränkter Weise zuschreiben. Seinem Herrn gegenüber zeigt der Bulldogg immer Treue und
Anhänglichkeit; doch muß er denselben vollkommen kennen gelernt und erfahren haben, daß dessen
geistige Kraft seine leibliche unter allen Umständen unterjochen kann; denn sonst glaubt das Thier nicht
selten, Das auch an den Menschen versuchen zu dürfen, was es an allen Thieren sich zu Schulden
kommen läßt. Die Dogge ist sehr bissig und herrschsüchtig und zeigt unter Umständen eine wahre
Freude, ein anderes Thier todtzubeißen. Dabei muß man rühmend anerkennen, daß ihr Muth noch
größer ist, als ihre wirklich furchtbare Stärke. Sie wagt sich an jedes Thier, selbst an das gefährlichste:
ein wüthender Ochse, ein hungriger, gefährlicher Wolf, ein Löwe erscheinen einer echten Dogge noch
keineswegs als unüberwindliche Gegner: sie versucht wenigstens, inwiefern sie jener Meister werden
kann. Lenz erzählt in seinem vorzüglichen Werke mehrere Thatsachen, von denen ich nur die eine

Die Raubthiere. Hunde. — Doggen.
hängen, vorn den Mund nicht ſchließen und ſo beſtändig das Gebiß ſehen laſſen. Die Naſe iſt nicht
ſelten geſpalten, der Pelz iſt kurzhaarig und gewöhnlich von Farbe einfach roth, oft aber auch bunt.
Jn früheren Zeiten, wo das Land noch unſicherer war, als gegenwärtig, hielt man die Doggen noch
in ziemlicher Menge, gegenwärtig findet man ſie nur bei Liebhabern. „Die Engliſchen Docken,‟ ſagt
v. Flemming in ſeinem Volkommenen teutſchen Jäger, Leipzig 1717, „welche große Herren anfänglich
aus England und Jrrland mit vielen Unkoſten bringen laſſen, werden jetziger Zeit in Teutſchland auf-
erzogen. Und geben denen allergrößten und ſchönſten den Namen Cammer-Hunde, weil ſie ſolche meiſtens
des Nachts in ihrem Schlaff-Gemach bei ſich haben, damit, wann Mörder einfallen ſollten, dieſe ſolche
Böſewichte niederreißen, ihren Herrn aber erretten mögten. Nächſt dieſen werden andere Engliſche Docken
Leib-Hunde genennet, welche an Hirſche, Schweine und Wölfe gehetzt werden, ſonderlich müſſen die-
ſelben angewieſen werden, daß ſie ein wildes Thier ja nicht vor den Kopff anfallen, ſondern zur Seite
an die Ohren faſſen, und zu beiden Seiten ſich anlegen. Denn ſonſt ein Bär ſie zerreißen, ein Hirſch
ſein Gehörn vorwerffen und dieſelben ſpießen, das wilde Schwein hauen, der Wolf aber ſtetig umb ſich
ſchnappen und herrumb beißen würde. Jm Stall liegen ſie ein jeder beſonders vor ſich an Ketten
und hat jeder ſeinen Fraß abſonderlich vor ſich ſtehen. — Die Bären- oder Bollbeißer ſind vor dieſer
vorgemeldeten Art eine beſondere Gattung, welche zwar dicke und ſchwer, zum fangen aber ungemein
hitzig erbittert ſind. Sie ſehen böſe und tückiſch auf, und werden insgemein zur Podoliſchen und
Ungariſchen Büffel-Ochſen-Hatz, wie auch zuweilen die Bäre damit zu hetzen, gebraucht. Sie werden
anfänglich an mäßige Sauen gehetzet, endlich an kleine Bären. Man muß dieſelben, wenn ſie ſich
feſt einbeißen und verfangen, geſchwind mit einer ſtarken rauhen Gänſefeder in die Kehle kützeln, als-
dann laſſen ſie ſelbſt loß. Der Bär ſchmeißet mit Ohrfeigen umb ſich, bis die Herrſchaft überdrüſſig
wird, ſodann werden die Hunde an ſich angeruffen, und der Bär entweder in einen Kaſten gethan,
oder von der Herrſchaft ihme mit dem Fang-Eyſen der Reſt gegeben, nachdem die Cammer- oder Leib-
hunde vorgerücket und denſelben gefangen, darzu dann von anweſenden Jägern mit Wald- und Hüfft-
hörnern geblaſen wird.‟

Mit dieſen Worten ſind die Doggen faſt hinlänglich beſchrieben. Bei uns ſieht man gewöhnlich
nur eine mittelgroße Raſſe, welche höchſtens die Größe eines mittelmäßigen Hühnerhundes erreicht,
oft aber nur halb ſo groß iſt. Die Farbe dieſes Thieres iſt regelmäßig ein lichtes Jſabellgelb; es
finden ſich aber auch, obwohl ſelten, Doggen, welche dunkler gefärbt ſind. Die ſtarken Knochen, die
breite Bruſt und vor Allem der ausgezeichnete Bau des Kopfes läßt die Doggen nie verkennen. Der
Kopf iſt hinten breit und dick, die Backenmuskeln ſind ganz erſtaunlich ſtark, die Schnauze iſt kurz, die
Naſe eingedrückt und wird dadurch ſehr häßlich, oder aber ſie iſt geſpalten, ſo daß jedes Naſenloch
faſt für ſich beſonders zu liegen ſcheint; die Schneidezähne ſtehen oft unregelmäßig, z. B. einige hinter
den anderen; die Spitze der Unterkinnlade tritt vor die der Oberkinnlade; Eck- und Backzähne ſind
gewaltig; die Augen ſind groß und der Blick düſter.

Der eigentliche Bulldogg wird zumal in England gehalten und heißt bei uns geradezu
engliſche Dogge (Canis bellicosus). Man ſieht ihn, noch mehr, als den Bullenbeißer, für ein
wüthendes, unzugängliches und ſtumpfſinniges Thier an; doch kann man ihm dieſe Eigenſchaften nur
in beſchränkter Weiſe zuſchreiben. Seinem Herrn gegenüber zeigt der Bulldogg immer Treue und
Anhänglichkeit; doch muß er denſelben vollkommen kennen gelernt und erfahren haben, daß deſſen
geiſtige Kraft ſeine leibliche unter allen Umſtänden unterjochen kann; denn ſonſt glaubt das Thier nicht
ſelten, Das auch an den Menſchen verſuchen zu dürfen, was es an allen Thieren ſich zu Schulden
kommen läßt. Die Dogge iſt ſehr biſſig und herrſchſüchtig und zeigt unter Umſtänden eine wahre
Freude, ein anderes Thier todtzubeißen. Dabei muß man rühmend anerkennen, daß ihr Muth noch
größer iſt, als ihre wirklich furchtbare Stärke. Sie wagt ſich an jedes Thier, ſelbſt an das gefährlichſte:
ein wüthender Ochſe, ein hungriger, gefährlicher Wolf, ein Löwe erſcheinen einer echten Dogge noch
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[356/0422] Die Raubthiere. Hunde. — Doggen. hängen, vorn den Mund nicht ſchließen und ſo beſtändig das Gebiß ſehen laſſen. Die Naſe iſt nicht ſelten geſpalten, der Pelz iſt kurzhaarig und gewöhnlich von Farbe einfach roth, oft aber auch bunt. Jn früheren Zeiten, wo das Land noch unſicherer war, als gegenwärtig, hielt man die Doggen noch in ziemlicher Menge, gegenwärtig findet man ſie nur bei Liebhabern. „Die Engliſchen Docken,‟ ſagt v. Flemming in ſeinem Volkommenen teutſchen Jäger, Leipzig 1717, „welche große Herren anfänglich aus England und Jrrland mit vielen Unkoſten bringen laſſen, werden jetziger Zeit in Teutſchland auf- erzogen. Und geben denen allergrößten und ſchönſten den Namen Cammer-Hunde, weil ſie ſolche meiſtens des Nachts in ihrem Schlaff-Gemach bei ſich haben, damit, wann Mörder einfallen ſollten, dieſe ſolche Böſewichte niederreißen, ihren Herrn aber erretten mögten. Nächſt dieſen werden andere Engliſche Docken Leib-Hunde genennet, welche an Hirſche, Schweine und Wölfe gehetzt werden, ſonderlich müſſen die- ſelben angewieſen werden, daß ſie ein wildes Thier ja nicht vor den Kopff anfallen, ſondern zur Seite an die Ohren faſſen, und zu beiden Seiten ſich anlegen. Denn ſonſt ein Bär ſie zerreißen, ein Hirſch ſein Gehörn vorwerffen und dieſelben ſpießen, das wilde Schwein hauen, der Wolf aber ſtetig umb ſich ſchnappen und herrumb beißen würde. Jm Stall liegen ſie ein jeder beſonders vor ſich an Ketten und hat jeder ſeinen Fraß abſonderlich vor ſich ſtehen. — Die Bären- oder Bollbeißer ſind vor dieſer vorgemeldeten Art eine beſondere Gattung, welche zwar dicke und ſchwer, zum fangen aber ungemein hitzig erbittert ſind. Sie ſehen böſe und tückiſch auf, und werden insgemein zur Podoliſchen und Ungariſchen Büffel-Ochſen-Hatz, wie auch zuweilen die Bäre damit zu hetzen, gebraucht. Sie werden anfänglich an mäßige Sauen gehetzet, endlich an kleine Bären. Man muß dieſelben, wenn ſie ſich feſt einbeißen und verfangen, geſchwind mit einer ſtarken rauhen Gänſefeder in die Kehle kützeln, als- dann laſſen ſie ſelbſt loß. Der Bär ſchmeißet mit Ohrfeigen umb ſich, bis die Herrſchaft überdrüſſig wird, ſodann werden die Hunde an ſich angeruffen, und der Bär entweder in einen Kaſten gethan, oder von der Herrſchaft ihme mit dem Fang-Eyſen der Reſt gegeben, nachdem die Cammer- oder Leib- hunde vorgerücket und denſelben gefangen, darzu dann von anweſenden Jägern mit Wald- und Hüfft- hörnern geblaſen wird.‟ Mit dieſen Worten ſind die Doggen faſt hinlänglich beſchrieben. Bei uns ſieht man gewöhnlich nur eine mittelgroße Raſſe, welche höchſtens die Größe eines mittelmäßigen Hühnerhundes erreicht, oft aber nur halb ſo groß iſt. Die Farbe dieſes Thieres iſt regelmäßig ein lichtes Jſabellgelb; es finden ſich aber auch, obwohl ſelten, Doggen, welche dunkler gefärbt ſind. Die ſtarken Knochen, die breite Bruſt und vor Allem der ausgezeichnete Bau des Kopfes läßt die Doggen nie verkennen. Der Kopf iſt hinten breit und dick, die Backenmuskeln ſind ganz erſtaunlich ſtark, die Schnauze iſt kurz, die Naſe eingedrückt und wird dadurch ſehr häßlich, oder aber ſie iſt geſpalten, ſo daß jedes Naſenloch faſt für ſich beſonders zu liegen ſcheint; die Schneidezähne ſtehen oft unregelmäßig, z. B. einige hinter den anderen; die Spitze der Unterkinnlade tritt vor die der Oberkinnlade; Eck- und Backzähne ſind gewaltig; die Augen ſind groß und der Blick düſter. Der eigentliche Bulldogg wird zumal in England gehalten und heißt bei uns geradezu engliſche Dogge (Canis bellicosus). Man ſieht ihn, noch mehr, als den Bullenbeißer, für ein wüthendes, unzugängliches und ſtumpfſinniges Thier an; doch kann man ihm dieſe Eigenſchaften nur in beſchränkter Weiſe zuſchreiben. Seinem Herrn gegenüber zeigt der Bulldogg immer Treue und Anhänglichkeit; doch muß er denſelben vollkommen kennen gelernt und erfahren haben, daß deſſen geiſtige Kraft ſeine leibliche unter allen Umſtänden unterjochen kann; denn ſonſt glaubt das Thier nicht ſelten, Das auch an den Menſchen verſuchen zu dürfen, was es an allen Thieren ſich zu Schulden kommen läßt. Die Dogge iſt ſehr biſſig und herrſchſüchtig und zeigt unter Umſtänden eine wahre Freude, ein anderes Thier todtzubeißen. Dabei muß man rühmend anerkennen, daß ihr Muth noch größer iſt, als ihre wirklich furchtbare Stärke. Sie wagt ſich an jedes Thier, ſelbſt an das gefährlichſte: ein wüthender Ochſe, ein hungriger, gefährlicher Wolf, ein Löwe erſcheinen einer echten Dogge noch keineswegs als unüberwindliche Gegner: ſie verſucht wenigſtens, inwiefern ſie jener Meiſter werden kann. Lenz erzählt in ſeinem vorzüglichen Werke mehrere Thatſachen, von denen ich nur die eine

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/422>, abgerufen am 22.11.2024.