v. Flemmings Schilderung. Muth und Mordlust der Dogge.
anführen will. "Jm Jahre 1850 sah ich in Gotha eine Menagerie, bei der sich ein großer schöner Wolf befand. Am folgenden Tage zwängte sich der Wolf aus seinem Käfig und verbreitete unter den vielen Zuschauern großen Schrecken. Ein Bulldogg des Menageriebesitzers, der ruhig in einer Ecke gelegen, hatte Alles beobachtet, sprang plötzlich aus eignem Antrieb hervor und verbiß sich fest in die Kehle des Wolfs. So gewann der Mann Zeit, aus einem vom Zelte geschnittenen Stricke eine Schlinge zu fertigen, die er dann dem Wolfe über den Kopf warf. Hund und Mann schafften nun gemeinschaftlich den Wolf nach dem Käfig hin; dort kam er aber todt an, die Dogge hatte ihn in ihrem Diensteifer erwürgt."
Was dieser Hund gefaßt hat, läßt er so leicht nicht wieder los. Dies sieht man deutlich, wenn man ihn in einen Stock oder in ein Tuch beißen läßt; denn dann kann man ihn an diesem Gegen- stand in die Höhe heben, auf den Rücken werfen und andere Dinge mit ihm vornehmen, ohne daß er ausläßt.
Von der Mordlust des Thieres erzählt Lenz Folgendes: "Jch bekam ein erwachsenes Bulldogg- weibchen kleinster Sorte, das ein Fuhrmann von Köln mitgebracht, das vor Hunger ganz elend aus- sah und nur aus Haut und Knochen zu bestehen schien. Jch bewillkommnete die am ganzen Leibe zitternde Jammergestalt und sprach ihr Trost zu, den sie auch, da er von gutem Futter begleitet war, ohne Bedenken annahm. Dann wollte ich sie in einem Stalle unterbringen, wobei ich mit ihr durch einen Raum mußte, in welchem ich eine Menge Kaninchen hielt. Sobald ich hineintrat, sprang die Bestie augenblicklich mit der Wuth eines Tigers auf ein großes Kaninchen und hatte es im Nu im Rachen. Jm nächsten Augenblicke hatte ich das Ungeheuerchen mit der rechten Hand beim Kragen und in der Luft; mit der linken riß ich am Kaninchen, konnte es aber nur in Fetzen aus dem fest- geschlossenen Maule zerren. Erst gab ich nun der schwebenden Sünderin einige tüchtige Ohrfeigen, die sie annahm, als ob sie gar Nichts davon merkte, alsdann warf ich die bewußten Fetzen zur Thür hinaus und setzte mein Bulldöggchen, umsomehr an Reue und Besserung glaubend, weil es wieder zu zittern und zu beben begann, zur Erde. Sowie es diese berührte, that es zwei Sätze und hatte wieder ein Kaninchen im Maul, dessen Knochen ich brechen hörte. Jch nahm sogleich die rückfällige Sünderin wieder beim Genick, riß ihr die Beute weg, theilte einige Ohrfeigen aus und sorgte nun dafür, daß der Kaninchenstall verschlossen blieb. Meinem Geflügel that sie glücklicherweise Nichts, und Katzen, gegen die sie, wie ich später sah, sehr feindlich gesinnt war, hatte ich damals nicht. Mit mir vertrug sie sich übrigens vortrefflich, sah bald bei gutem Futter ganz behäbig aus und zog mit mir zu Bekannten und Verwandten auf Rattenfang. Jn diesem Geschäfte zeigte sie einen wüthenden Eifer, wie z. B. aus folgender Thatsache zu ersehen: Jch hatte ein großes, tiefes Faß mit Falldeckel aufgestellt und bald war eine gewaltige Ratte darin. Dieses Faß brachte ich auf einen freien Platz; es sammelte sich ein Kreis von Zuschauern, und ich holte eilig meinen Hund. Diesen mußte ein Zu- schauer beim Halsband fassen. Jndeß ging ich aus Faß, nahm leise den Deckel ab, warf ihn weg und wollte es nun so senken, daß die Ratte plötzlich zur Freude der Umstehenden hervorspringen sollte. Sowie ich aber das Faß zu senken begann, hatte der Hund den Braten gemerkt, sich los- gerissen, sauste an meinem Kopfe vorbei, hoch empor und hinab ins Faß, tumultuirte dort eine Zeit lang mit der zwischen seinen Beinen herumrasenden Ratte und erlegte sie, während eine Menge Köpfe herbeigeeilt waren und verwundert in den Abgrund des Fasses schauten ....."
"Noch gröber trieben's zwei große Bulldoggs, die einem meiner ehemaligen Schüler, als er preußischer Reiteroffizier war, von einem Freunde als Geschenk zugesandt wurden. Sie langten zu- sammengekoppelt an und waren von einem Steckbriefe begleitet, welcher besagte, "ihr bisheriger Herr könne sie nicht zum Guten bringen und wolle sie los sein." Der Offizier wollte die wüthend aus- sehenden Bestien auch nicht haben, stieg gleich am andern Morgen zu Pferde und ließ die Hunde frei umherlaufen, um sie einem entfernt wohnenden Gutsbesitzer anzubieten. Unterwegs begegnete der Zug einer Schweine herde. Die Hunde fielen über sie her, wollten ein Stück erwürgen, aber die Leute sprangen zu, schlugen den einen todt, den andern halbtodt. Der Offizier verweilte einige Zeit,
v. Flemmings Schilderung. Muth und Mordluſt der Dogge.
anführen will. „Jm Jahre 1850 ſah ich in Gotha eine Menagerie, bei der ſich ein großer ſchöner Wolf befand. Am folgenden Tage zwängte ſich der Wolf aus ſeinem Käfig und verbreitete unter den vielen Zuſchauern großen Schrecken. Ein Bulldogg des Menageriebeſitzers, der ruhig in einer Ecke gelegen, hatte Alles beobachtet, ſprang plötzlich aus eignem Antrieb hervor und verbiß ſich feſt in die Kehle des Wolfs. So gewann der Mann Zeit, aus einem vom Zelte geſchnittenen Stricke eine Schlinge zu fertigen, die er dann dem Wolfe über den Kopf warf. Hund und Mann ſchafften nun gemeinſchaftlich den Wolf nach dem Käfig hin; dort kam er aber todt an, die Dogge hatte ihn in ihrem Dienſteifer erwürgt.‟
Was dieſer Hund gefaßt hat, läßt er ſo leicht nicht wieder los. Dies ſieht man deutlich, wenn man ihn in einen Stock oder in ein Tuch beißen läßt; denn dann kann man ihn an dieſem Gegen- ſtand in die Höhe heben, auf den Rücken werfen und andere Dinge mit ihm vornehmen, ohne daß er ausläßt.
Von der Mordluſt des Thieres erzählt Lenz Folgendes: „Jch bekam ein erwachſenes Bulldogg- weibchen kleinſter Sorte, das ein Fuhrmann von Köln mitgebracht, das vor Hunger ganz elend aus- ſah und nur aus Haut und Knochen zu beſtehen ſchien. Jch bewillkommnete die am ganzen Leibe zitternde Jammergeſtalt und ſprach ihr Troſt zu, den ſie auch, da er von gutem Futter begleitet war, ohne Bedenken annahm. Dann wollte ich ſie in einem Stalle unterbringen, wobei ich mit ihr durch einen Raum mußte, in welchem ich eine Menge Kaninchen hielt. Sobald ich hineintrat, ſprang die Beſtie augenblicklich mit der Wuth eines Tigers auf ein großes Kaninchen und hatte es im Nu im Rachen. Jm nächſten Augenblicke hatte ich das Ungeheuerchen mit der rechten Hand beim Kragen und in der Luft; mit der linken riß ich am Kaninchen, konnte es aber nur in Fetzen aus dem feſt- geſchloſſenen Maule zerren. Erſt gab ich nun der ſchwebenden Sünderin einige tüchtige Ohrfeigen, die ſie annahm, als ob ſie gar Nichts davon merkte, alsdann warf ich die bewußten Fetzen zur Thür hinaus und ſetzte mein Bulldöggchen, umſomehr an Reue und Beſſerung glaubend, weil es wieder zu zittern und zu beben begann, zur Erde. Sowie es dieſe berührte, that es zwei Sätze und hatte wieder ein Kaninchen im Maul, deſſen Knochen ich brechen hörte. Jch nahm ſogleich die rückfällige Sünderin wieder beim Genick, riß ihr die Beute weg, theilte einige Ohrfeigen aus und ſorgte nun dafür, daß der Kaninchenſtall verſchloſſen blieb. Meinem Geflügel that ſie glücklicherweiſe Nichts, und Katzen, gegen die ſie, wie ich ſpäter ſah, ſehr feindlich geſinnt war, hatte ich damals nicht. Mit mir vertrug ſie ſich übrigens vortrefflich, ſah bald bei gutem Futter ganz behäbig aus und zog mit mir zu Bekannten und Verwandten auf Rattenfang. Jn dieſem Geſchäfte zeigte ſie einen wüthenden Eifer, wie z. B. aus folgender Thatſache zu erſehen: Jch hatte ein großes, tiefes Faß mit Falldeckel aufgeſtellt und bald war eine gewaltige Ratte darin. Dieſes Faß brachte ich auf einen freien Platz; es ſammelte ſich ein Kreis von Zuſchauern, und ich holte eilig meinen Hund. Dieſen mußte ein Zu- ſchauer beim Halsband faſſen. Jndeß ging ich aus Faß, nahm leiſe den Deckel ab, warf ihn weg und wollte es nun ſo ſenken, daß die Ratte plötzlich zur Freude der Umſtehenden hervorſpringen ſollte. Sowie ich aber das Faß zu ſenken begann, hatte der Hund den Braten gemerkt, ſich los- geriſſen, ſauſte an meinem Kopfe vorbei, hoch empor und hinab ins Faß, tumultuirte dort eine Zeit lang mit der zwiſchen ſeinen Beinen herumraſenden Ratte und erlegte ſie, während eine Menge Köpfe herbeigeeilt waren und verwundert in den Abgrund des Faſſes ſchauten .....‟
„Noch gröber trieben’s zwei große Bulldoggs, die einem meiner ehemaligen Schüler, als er preußiſcher Reiteroffizier war, von einem Freunde als Geſchenk zugeſandt wurden. Sie langten zu- ſammengekoppelt an und waren von einem Steckbriefe begleitet, welcher beſagte, „ihr bisheriger Herr könne ſie nicht zum Guten bringen und wolle ſie los ſein.‟ Der Offizier wollte die wüthend aus- ſehenden Beſtien auch nicht haben, ſtieg gleich am andern Morgen zu Pferde und ließ die Hunde frei umherlaufen, um ſie einem entfernt wohnenden Gutsbeſitzer anzubieten. Unterwegs begegnete der Zug einer Schweine herde. Die Hunde fielen über ſie her, wollten ein Stück erwürgen, aber die Leute ſprangen zu, ſchlugen den einen todt, den andern halbtodt. Der Offizier verweilte einige Zeit,
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[357/0423]
v. Flemmings Schilderung. Muth und Mordluſt der Dogge.
anführen will. „Jm Jahre 1850 ſah ich in Gotha eine Menagerie, bei der ſich ein großer ſchöner
Wolf befand. Am folgenden Tage zwängte ſich der Wolf aus ſeinem Käfig und verbreitete unter
den vielen Zuſchauern großen Schrecken. Ein Bulldogg des Menageriebeſitzers, der ruhig in einer
Ecke gelegen, hatte Alles beobachtet, ſprang plötzlich aus eignem Antrieb hervor und verbiß ſich feſt
in die Kehle des Wolfs. So gewann der Mann Zeit, aus einem vom Zelte geſchnittenen Stricke
eine Schlinge zu fertigen, die er dann dem Wolfe über den Kopf warf. Hund und Mann ſchafften
nun gemeinſchaftlich den Wolf nach dem Käfig hin; dort kam er aber todt an, die Dogge hatte ihn in
ihrem Dienſteifer erwürgt.‟
Was dieſer Hund gefaßt hat, läßt er ſo leicht nicht wieder los. Dies ſieht man deutlich, wenn
man ihn in einen Stock oder in ein Tuch beißen läßt; denn dann kann man ihn an dieſem Gegen-
ſtand in die Höhe heben, auf den Rücken werfen und andere Dinge mit ihm vornehmen, ohne daß
er ausläßt.
Von der Mordluſt des Thieres erzählt Lenz Folgendes: „Jch bekam ein erwachſenes Bulldogg-
weibchen kleinſter Sorte, das ein Fuhrmann von Köln mitgebracht, das vor Hunger ganz elend aus-
ſah und nur aus Haut und Knochen zu beſtehen ſchien. Jch bewillkommnete die am ganzen Leibe
zitternde Jammergeſtalt und ſprach ihr Troſt zu, den ſie auch, da er von gutem Futter begleitet war,
ohne Bedenken annahm. Dann wollte ich ſie in einem Stalle unterbringen, wobei ich mit ihr durch
einen Raum mußte, in welchem ich eine Menge Kaninchen hielt. Sobald ich hineintrat, ſprang die
Beſtie augenblicklich mit der Wuth eines Tigers auf ein großes Kaninchen und hatte es im Nu im
Rachen. Jm nächſten Augenblicke hatte ich das Ungeheuerchen mit der rechten Hand beim Kragen
und in der Luft; mit der linken riß ich am Kaninchen, konnte es aber nur in Fetzen aus dem feſt-
geſchloſſenen Maule zerren. Erſt gab ich nun der ſchwebenden Sünderin einige tüchtige Ohrfeigen,
die ſie annahm, als ob ſie gar Nichts davon merkte, alsdann warf ich die bewußten Fetzen zur Thür
hinaus und ſetzte mein Bulldöggchen, umſomehr an Reue und Beſſerung glaubend, weil es wieder
zu zittern und zu beben begann, zur Erde. Sowie es dieſe berührte, that es zwei Sätze und hatte
wieder ein Kaninchen im Maul, deſſen Knochen ich brechen hörte. Jch nahm ſogleich die rückfällige
Sünderin wieder beim Genick, riß ihr die Beute weg, theilte einige Ohrfeigen aus und ſorgte nun
dafür, daß der Kaninchenſtall verſchloſſen blieb. Meinem Geflügel that ſie glücklicherweiſe Nichts,
und Katzen, gegen die ſie, wie ich ſpäter ſah, ſehr feindlich geſinnt war, hatte ich damals nicht. Mit
mir vertrug ſie ſich übrigens vortrefflich, ſah bald bei gutem Futter ganz behäbig aus und zog mit
mir zu Bekannten und Verwandten auf Rattenfang. Jn dieſem Geſchäfte zeigte ſie einen wüthenden
Eifer, wie z. B. aus folgender Thatſache zu erſehen: Jch hatte ein großes, tiefes Faß mit Falldeckel
aufgeſtellt und bald war eine gewaltige Ratte darin. Dieſes Faß brachte ich auf einen freien Platz;
es ſammelte ſich ein Kreis von Zuſchauern, und ich holte eilig meinen Hund. Dieſen mußte ein Zu-
ſchauer beim Halsband faſſen. Jndeß ging ich aus Faß, nahm leiſe den Deckel ab, warf ihn weg
und wollte es nun ſo ſenken, daß die Ratte plötzlich zur Freude der Umſtehenden hervorſpringen
ſollte. Sowie ich aber das Faß zu ſenken begann, hatte der Hund den Braten gemerkt, ſich los-
geriſſen, ſauſte an meinem Kopfe vorbei, hoch empor und hinab ins Faß, tumultuirte dort eine Zeit
lang mit der zwiſchen ſeinen Beinen herumraſenden Ratte und erlegte ſie, während eine Menge Köpfe
herbeigeeilt waren und verwundert in den Abgrund des Faſſes ſchauten .....‟
„Noch gröber trieben’s zwei große Bulldoggs, die einem meiner ehemaligen Schüler, als er
preußiſcher Reiteroffizier war, von einem Freunde als Geſchenk zugeſandt wurden. Sie langten zu-
ſammengekoppelt an und waren von einem Steckbriefe begleitet, welcher beſagte, „ihr bisheriger Herr
könne ſie nicht zum Guten bringen und wolle ſie los ſein.‟ Der Offizier wollte die wüthend aus-
ſehenden Beſtien auch nicht haben, ſtieg gleich am andern Morgen zu Pferde und ließ die Hunde frei
umherlaufen, um ſie einem entfernt wohnenden Gutsbeſitzer anzubieten. Unterwegs begegnete der
Zug einer Schweine herde. Die Hunde fielen über ſie her, wollten ein Stück erwürgen, aber die
Leute ſprangen zu, ſchlugen den einen todt, den andern halbtodt. Der Offizier verweilte einige Zeit,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/423>, abgerufen am 22.11.2024.
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