albern, wie ihre Eltern, sind auch sie; nur treten bei ihnen alle diese Eigenschaften schärfer hervor. Wenn sie allein gelassen sind, können sie sich stundenlang damit beschäftigen, ihre Tatzen zu belecken; dabei lassen sie ein sonderbares Gebrumm und Geschmatze vernehmen. Jedes ungewohnte Ereigniß, jedes fremde Thier erschreckt sie; sie richten sich dann auf und schlagen ihre Kinnladen klappend auf einander.
Genau so verfahren auch die Alten. Der illyrische Jäger, von welchem ich weiter unten noch Einiges mittheilen werde, behauptet, daß der erschreckte Bär beide Branten an einander schlage und dadurch ein klappendes Geräusch hervorbringe; der Mann wird sich wahrscheinlich geirrt und eben dieses Zusammenklappen der Kinnladen falsch beurtheilt haben.
Von Denen, welche Bären in der Freiheit beobachteten, wird nun ferner angegeben, daß die Alten ihre Jungen bis zur nächsten Bärzeit mit sich umherführen, dann aber verstoßen und sie zur Selbst- ständigkeit zwingen. Die jungen Bären sollen sich hierauf während des Sommers in der Nähe des alten Lagers herumtreiben und dieses bei schlechtem Wetter so lange benutzen, als sie nicht vertrieben werden. Sie sollen sich auch gern mit anderen Jungen ihrer Art vereinigen. Eine Angabe des russischen Naturforschers Eversmann läßt solche Vereinigungen in einem eigenthümlichen Lichte erscheinen. Dieser Beobachter behauptet, daß die Bäreumutter ihre älteren Kinder zur Wartung der jüngern benutze und bezüglich presse, weshalb auch solche einjährige mit der Mutter und Geschwistern umherlaufende Bären von den Russen geradezu "Pestun," d. h. Kinderwärter, genannt werden. Von einer Bärenfamilie, welche die Kama durchkreuzt hatte, erzählt Eversmann Folgendes: "Als die Mutter am jenseitigen Ufer angekommen, sieht sie, daß ein Pestun ihr langsam nachschleicht, ohne den jüngeren Geschwistern, welche noch am andern Ufer waren, behilflich zu sein. Sowie der Pestun ankommt, erhält er von der Mutter stillschweigend eine Ohrfeige, kehrt sofort nach eröffnetem Verständnisse wieder um und holt das eine Junge im Maule herüber. Die Mutter sieht zu, wie er wieder zurückkehrt, um auch das andere herbeizuholen, bis er dasselbe mitten im Flusse ins Wasser fallen läßt. Da stürzt sie hinzu und züchtigt ihn aufs neue, worauf der Pestun seine Schuldigkeit thut und die Familie in Frieden weiter zieht."
Wir wissen noch nicht bestimmt, wie lange das Wachsthum des Bären währt, dürfen aber an- nehmen, daß mindestens sechs Jahre vergehen, ehe das Thier zum wirklichen Hauptbären wird. Das Alter, welches der Bär überhaupt erreichen kann, scheint ziemlich bedeutend zu sein. Man hat Bären 50 Jahre in der Gefangenschaft gehalten und beobachtet, daß die Bärin noch in ihrem 31. Jahre Junge geworfen hat.
Die Bärenjagd gehört zu dem gefährlichsten Waidwerk, welches unternommen werden kann; doch werden gerade neuerdings von geübten Bärenjägern die schauerlichen Geschichten, welche man früher erzählt hat, sehr in Abrede gestellt. Gegenwärtig muß man schon über die Grenzen Deutsch- lands hinausziehen, wenn man auf Bären jagen will. Jn Siebenbürgen und Skandinavien findet man hierzu noch gute Gelegenheit. Der Besitzer der großen Eisenwerke Näs bei Arendal in Nor- wegen, bei welchem ich einige Tage verweilte, hatte auf seinem eigenen Grund und Boden eigenhändig bereits 17 Bären erlegt, sein Sohn, ein Bürschchen von 14 Jahren, deren zwei. Jn Lappland traf ich einen englischen Hauptmann, welcher Bärenjagden regelrecht betrieb und sie in den meisten Ländern von Europa und Nordamerika versucht hatte; er durfte sich rühmen, dreiundvierzig Bären ge- tödtet zu haben. Die ruhigen und kalten Norweger behaupten, daß für sichere Schützen die Jagd gefahrlos sei, und das Gleiche versichern die Bärenjäger Siebenbürgens.
Gute Hunde bleiben unter allen Umständen die besten Gehilfen des Jägers. Sie suchen den Bären nicht blos auf, sondern stellen ihn auch so fest, daß er gar nicht Zeit gewinnt, sich mit dem Jäger zu beschäftigen. Nur, wenn er in die Enge getrieben ist, wird er zum furchtbaren Gegner der Menschen; sonst trabt er, selbst verwundet, so eilig als möglich seines Weges. Anders verhält sich die Sache, wenn man die Jungen einer Bärin angreift; dann zeigt sie einen wirklich erhabenen Muth. Hierüber sprechen sich alle Beobachter übereinstimmend aus.
Erziebung. Seine Kinder und Kinderwärter.
albern, wie ihre Eltern, ſind auch ſie; nur treten bei ihnen alle dieſe Eigenſchaften ſchärfer hervor. Wenn ſie allein gelaſſen ſind, können ſie ſich ſtundenlang damit beſchäftigen, ihre Tatzen zu belecken; dabei laſſen ſie ein ſonderbares Gebrumm und Geſchmatze vernehmen. Jedes ungewohnte Ereigniß, jedes fremde Thier erſchreckt ſie; ſie richten ſich dann auf und ſchlagen ihre Kinnladen klappend auf einander.
Genau ſo verfahren auch die Alten. Der illyriſche Jäger, von welchem ich weiter unten noch Einiges mittheilen werde, behauptet, daß der erſchreckte Bär beide Branten an einander ſchlage und dadurch ein klappendes Geräuſch hervorbringe; der Mann wird ſich wahrſcheinlich geirrt und eben dieſes Zuſammenklappen der Kinnladen falſch beurtheilt haben.
Von Denen, welche Bären in der Freiheit beobachteten, wird nun ferner angegeben, daß die Alten ihre Jungen bis zur nächſten Bärzeit mit ſich umherführen, dann aber verſtoßen und ſie zur Selbſt- ſtändigkeit zwingen. Die jungen Bären ſollen ſich hierauf während des Sommers in der Nähe des alten Lagers herumtreiben und dieſes bei ſchlechtem Wetter ſo lange benutzen, als ſie nicht vertrieben werden. Sie ſollen ſich auch gern mit anderen Jungen ihrer Art vereinigen. Eine Angabe des ruſſiſchen Naturforſchers Eversmann läßt ſolche Vereinigungen in einem eigenthümlichen Lichte erſcheinen. Dieſer Beobachter behauptet, daß die Bäreumutter ihre älteren Kinder zur Wartung der jüngern benutze und bezüglich preſſe, weshalb auch ſolche einjährige mit der Mutter und Geſchwiſtern umherlaufende Bären von den Ruſſen geradezu „Peſtun,‟ d. h. Kinderwärter, genannt werden. Von einer Bärenfamilie, welche die Kama durchkreuzt hatte, erzählt Eversmann Folgendes: „Als die Mutter am jenſeitigen Ufer angekommen, ſieht ſie, daß ein Peſtun ihr langſam nachſchleicht, ohne den jüngeren Geſchwiſtern, welche noch am andern Ufer waren, behilflich zu ſein. Sowie der Peſtun ankommt, erhält er von der Mutter ſtillſchweigend eine Ohrfeige, kehrt ſofort nach eröffnetem Verſtändniſſe wieder um und holt das eine Junge im Maule herüber. Die Mutter ſieht zu, wie er wieder zurückkehrt, um auch das andere herbeizuholen, bis er daſſelbe mitten im Fluſſe ins Waſſer fallen läßt. Da ſtürzt ſie hinzu und züchtigt ihn aufs neue, worauf der Peſtun ſeine Schuldigkeit thut und die Familie in Frieden weiter zieht.‟
Wir wiſſen noch nicht beſtimmt, wie lange das Wachsthum des Bären währt, dürfen aber an- nehmen, daß mindeſtens ſechs Jahre vergehen, ehe das Thier zum wirklichen Hauptbären wird. Das Alter, welches der Bär überhaupt erreichen kann, ſcheint ziemlich bedeutend zu ſein. Man hat Bären 50 Jahre in der Gefangenſchaft gehalten und beobachtet, daß die Bärin noch in ihrem 31. Jahre Junge geworfen hat.
Die Bärenjagd gehört zu dem gefährlichſten Waidwerk, welches unternommen werden kann; doch werden gerade neuerdings von geübten Bärenjägern die ſchauerlichen Geſchichten, welche man früher erzählt hat, ſehr in Abrede geſtellt. Gegenwärtig muß man ſchon über die Grenzen Deutſch- lands hinausziehen, wenn man auf Bären jagen will. Jn Siebenbürgen und Skandinavien findet man hierzu noch gute Gelegenheit. Der Beſitzer der großen Eiſenwerke Näs bei Arendal in Nor- wegen, bei welchem ich einige Tage verweilte, hatte auf ſeinem eigenen Grund und Boden eigenhändig bereits 17 Bären erlegt, ſein Sohn, ein Bürſchchen von 14 Jahren, deren zwei. Jn Lappland traf ich einen engliſchen Hauptmann, welcher Bärenjagden regelrecht betrieb und ſie in den meiſten Ländern von Europa und Nordamerika verſucht hatte; er durfte ſich rühmen, dreiundvierzig Bären ge- tödtet zu haben. Die ruhigen und kalten Norweger behaupten, daß für ſichere Schützen die Jagd gefahrlos ſei, und das Gleiche verſichern die Bärenjäger Siebenbürgens.
Gute Hunde bleiben unter allen Umſtänden die beſten Gehilfen des Jägers. Sie ſuchen den Bären nicht blos auf, ſondern ſtellen ihn auch ſo feſt, daß er gar nicht Zeit gewinnt, ſich mit dem Jäger zu beſchäftigen. Nur, wenn er in die Enge getrieben iſt, wird er zum furchtbaren Gegner der Menſchen; ſonſt trabt er, ſelbſt verwundet, ſo eilig als möglich ſeines Weges. Anders verhält ſich die Sache, wenn man die Jungen einer Bärin angreift; dann zeigt ſie einen wirklich erhabenen Muth. Hierüber ſprechen ſich alle Beobachter übereinſtimmend aus.
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Erziebung. Seine Kinder und Kinderwärter.
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Wenn ſie allein gelaſſen ſind, können ſie ſich ſtundenlang damit beſchäftigen, ihre Tatzen zu belecken;
dabei laſſen ſie ein ſonderbares Gebrumm und Geſchmatze vernehmen. Jedes ungewohnte Ereigniß,
jedes fremde Thier erſchreckt ſie; ſie richten ſich dann auf und ſchlagen ihre Kinnladen klappend
auf einander.
Genau ſo verfahren auch die Alten. Der illyriſche Jäger, von welchem ich weiter unten noch
Einiges mittheilen werde, behauptet, daß der erſchreckte Bär beide Branten an einander ſchlage und
dadurch ein klappendes Geräuſch hervorbringe; der Mann wird ſich wahrſcheinlich geirrt und eben
dieſes Zuſammenklappen der Kinnladen falſch beurtheilt haben.
Von Denen, welche Bären in der Freiheit beobachteten, wird nun ferner angegeben, daß die Alten
ihre Jungen bis zur nächſten Bärzeit mit ſich umherführen, dann aber verſtoßen und ſie zur Selbſt-
ſtändigkeit zwingen. Die jungen Bären ſollen ſich hierauf während des Sommers in der Nähe des
alten Lagers herumtreiben und dieſes bei ſchlechtem Wetter ſo lange benutzen, als ſie nicht vertrieben
werden. Sie ſollen ſich auch gern mit anderen Jungen ihrer Art vereinigen. Eine Angabe des
ruſſiſchen Naturforſchers Eversmann läßt ſolche Vereinigungen in einem eigenthümlichen Lichte
erſcheinen. Dieſer Beobachter behauptet, daß die Bäreumutter ihre älteren Kinder zur Wartung der
jüngern benutze und bezüglich preſſe, weshalb auch ſolche einjährige mit der Mutter und Geſchwiſtern
umherlaufende Bären von den Ruſſen geradezu „Peſtun,‟ d. h. Kinderwärter, genannt werden. Von
einer Bärenfamilie, welche die Kama durchkreuzt hatte, erzählt Eversmann Folgendes: „Als die Mutter
am jenſeitigen Ufer angekommen, ſieht ſie, daß ein Peſtun ihr langſam nachſchleicht, ohne den jüngeren
Geſchwiſtern, welche noch am andern Ufer waren, behilflich zu ſein. Sowie der Peſtun ankommt,
erhält er von der Mutter ſtillſchweigend eine Ohrfeige, kehrt ſofort nach eröffnetem Verſtändniſſe wieder
um und holt das eine Junge im Maule herüber. Die Mutter ſieht zu, wie er wieder zurückkehrt, um
auch das andere herbeizuholen, bis er daſſelbe mitten im Fluſſe ins Waſſer fallen läßt. Da ſtürzt ſie
hinzu und züchtigt ihn aufs neue, worauf der Peſtun ſeine Schuldigkeit thut und die Familie in Frieden
weiter zieht.‟
Wir wiſſen noch nicht beſtimmt, wie lange das Wachsthum des Bären währt, dürfen aber an-
nehmen, daß mindeſtens ſechs Jahre vergehen, ehe das Thier zum wirklichen Hauptbären wird. Das
Alter, welches der Bär überhaupt erreichen kann, ſcheint ziemlich bedeutend zu ſein. Man hat Bären
50 Jahre in der Gefangenſchaft gehalten und beobachtet, daß die Bärin noch in ihrem 31. Jahre
Junge geworfen hat.
Die Bärenjagd gehört zu dem gefährlichſten Waidwerk, welches unternommen werden kann;
doch werden gerade neuerdings von geübten Bärenjägern die ſchauerlichen Geſchichten, welche man
früher erzählt hat, ſehr in Abrede geſtellt. Gegenwärtig muß man ſchon über die Grenzen Deutſch-
lands hinausziehen, wenn man auf Bären jagen will. Jn Siebenbürgen und Skandinavien findet
man hierzu noch gute Gelegenheit. Der Beſitzer der großen Eiſenwerke Näs bei Arendal in Nor-
wegen, bei welchem ich einige Tage verweilte, hatte auf ſeinem eigenen Grund und Boden eigenhändig
bereits 17 Bären erlegt, ſein Sohn, ein Bürſchchen von 14 Jahren, deren zwei. Jn Lappland
traf ich einen engliſchen Hauptmann, welcher Bärenjagden regelrecht betrieb und ſie in den meiſten
Ländern von Europa und Nordamerika verſucht hatte; er durfte ſich rühmen, dreiundvierzig Bären ge-
tödtet zu haben. Die ruhigen und kalten Norweger behaupten, daß für ſichere Schützen die Jagd
gefahrlos ſei, und das Gleiche verſichern die Bärenjäger Siebenbürgens.
Gute Hunde bleiben unter allen Umſtänden die beſten Gehilfen des Jägers. Sie ſuchen den
Bären nicht blos auf, ſondern ſtellen ihn auch ſo feſt, daß er gar nicht Zeit gewinnt, ſich mit dem
Jäger zu beſchäftigen. Nur, wenn er in die Enge getrieben iſt, wird er zum furchtbaren Gegner der
Menſchen; ſonſt trabt er, ſelbſt verwundet, ſo eilig als möglich ſeines Weges. Anders verhält ſich die
Sache, wenn man die Jungen einer Bärin angreift; dann zeigt ſie einen wirklich erhabenen Muth.
Hierüber ſprechen ſich alle Beobachter übereinſtimmend aus.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 587. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/663>, abgerufen am 22.11.2024.
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