Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Raubthiere. Bären. -- Gemeiner Bär.

Ueber die Bärenjagd in Jllyrien will ich den gedachten Waidmann reden lassen. "Jm Ganzen,"
sagt er, "ist die Bärenjagd in Jllyrien sehr einfach. Sie geschieht erstens auf dem Anstande, zweitens
auf dem Pürschgang, drittens durch Aufjagen des Bären aus seinem Lager und Hetzen desselben ver-
mittelst unserer gewöhnlichen Dachshunde, und viertens durch Aufsuchung des Bären, sobald er
sein Winterlager bezogen hat. Von allen übrigen, in nördlichen Ländern gebräuchlichen Fangarten,
wie z. B. dem Hetzen mit schweren Jagdhunden u. s. w., wissen die hiesigen Jäger nichts. Diese Jagd-
arten sind aber auch zu wenig praktisch, und sie machen aus diesem Grunde keinen Gebrauch davon."

"Am vortheilhaftesten wird die Jagd unstreitig zur Feistzeit betrieben, nicht allein, weil dann
das Wildpret und die Decke am besten sind, sondern vorzüglich deshalb, weil der grimmige, rothe
Bär dann weniger wild und rachsüchtig, sondern ziemlich träge ist, wodurch die Jagd weit weniger
gefährlich wird. Die Klagen der Alpenhirten über geschlagenes Vieh oder über die zu Grunde
gerichtete Haferernte machen es indessen sehr oft nöthig, daß auch außer dieser Zeit gejagt wird."

"Der Anstand führt immer am sichersten zum Ziele. Meistens unternimmt der Jäger diese
Jagd allein. Sein Gewehr ist gewöhnlich ein Drehstutzen, an welchem der Oberlauf 11/2 Drall hat
und der untere kugelgleich gebohrt ist, um schnell wieder laden zu können. Alle diese Gewehre schießen
ein mäßigstarkes Blei, 20 bis 22 Kugeln auf das Pfund. An der Seite des Jägers hängt der
Hirschfänger, welcher eine starke, vorn zweischneidig ausgehende Klinge hat. Diese ist bis zur halben
Breite von gutem Eisen, die untere Hälfte der Schneide aber ist von dem feinsten steirischen Stahl,
so daß ein Brechen nicht gut möglich und man im Stande ist, einen Knochen damit zu zerhauen, ohne
daß die Schneide ausspringt."

"So und außerdem mit gutem Muthe ausgerüstet, zieht der Jäger vor Tagesanbruch oder vor
der Abenddämmerung an den Ort, an welchem er sich anstellen will, um den Bären zu erwarten.
Dieser hält den einmal angenommenen Wechsel zu den Alpenhürden oder zu einem Haferfeld richtig
ein, wenn er nicht gestört worden ist, aber er ist überaus vorsichtig und sucht vor allen Dingen den
Wind zu erhalten. Kömmt ihm etwas Verdächtiges in die Nase, so richtet er sich sogleich auf, windet
mit vorgestrecktem Kopfe und ergreift im starken Trabe eiligst die Flucht, er mag seinen Feind zu
Gesichte bekommen haben oder nicht. Einige Tage darauf nimmt er aber diesen Wechsel wieder an."

"Steht der Jäger an einem Haferstücke, so darf er nicht gleich schießen, selbst, wenn ihm der Bär
schußrecht sein sollte, sondern er muß, namentlich bei schon eingetretener Dunkelheit, die Zeit abwarten,
wo der Bär, wie es hier heißt, ein Männchen macht, das heißt, sich aufrichtet, um den Hafer abzu-
streifen. Dann kann er mit größerer Sicherheit einen Blattschuß anbringen."

"Findet man ein von Bären angerissenes und mit Mos oder Blättern zugedecktes Stück
Wild oder zahmes Vieh, so kann man mit Bestimmmtheit darauf rechnen, daß der Bär mit einbrechen-
der Nacht angeschlichen kommt, und man kann sich anstellen, ohne erwarten zu müssen, einen vergeblichen
Gang zu thun."

"Der Pürschgang dient mehr dazu, den Aufenthalt und den Wechsel des Bären zu erforschen:
denn es wird dem Jäger sehr selten gelingen, zu Schuß zu kommen. Nur dann ist eine Möglichkeit
vorhanden, wenn Alt und Jung mit einander beschäftigt sind."

"Wenn nun auch der Jäger zwei Schüsse in seinem Gewehr hat, so kommt doch nicht selten der
Fall vor, daß beide mißrathen und er gezwungen wird, seinen Muth und die Kraft seines Armes im
Zweikampfe mit dem Bären zu erproben. Hat er diesen auf dem Anstande oder Pürschgange rein
gefehlt oder durch einen Blattschuß tödlich verwundet, so lehrt die Erfahrung, daß er im erstern
Falle, ohne sich weiter zu besinnen, schleunigst die Flucht ergreift, und im letztern sogleich zusammen-
stürzt und außer Stande ist, seinen Rachedurst zu befriedigen."

"Jst er aber weniger gefährlich oder auch nur leicht verwundet, so erhebt sich der Bär sogleich
und geht auf seinen Hinterpranken mit wackelndem Gange der Gegend zu, von wo aus der Schuß
erfolgte. Für den kaltblütigen Schützen ist nun noch durchaus keine Gefahr vorhanden, denn er hat
noch die zweite Kugel im Rohr. Den Stutzen am Backen läßt er den Bären bis auf zehn oder zwölf

Die Raubthiere. Bären. — Gemeiner Bär.

Ueber die Bärenjagd in Jllyrien will ich den gedachten Waidmann reden laſſen. „Jm Ganzen,‟
ſagt er, „iſt die Bärenjagd in Jllyrien ſehr einfach. Sie geſchieht erſtens auf dem Anſtande, zweitens
auf dem Pürſchgang, drittens durch Aufjagen des Bären aus ſeinem Lager und Hetzen deſſelben ver-
mittelſt unſerer gewöhnlichen Dachshunde, und viertens durch Aufſuchung des Bären, ſobald er
ſein Winterlager bezogen hat. Von allen übrigen, in nördlichen Ländern gebräuchlichen Fangarten,
wie z. B. dem Hetzen mit ſchweren Jagdhunden u. ſ. w., wiſſen die hieſigen Jäger nichts. Dieſe Jagd-
arten ſind aber auch zu wenig praktiſch, und ſie machen aus dieſem Grunde keinen Gebrauch davon.‟

„Am vortheilhafteſten wird die Jagd unſtreitig zur Feiſtzeit betrieben, nicht allein, weil dann
das Wildpret und die Decke am beſten ſind, ſondern vorzüglich deshalb, weil der grimmige, rothe
Bär dann weniger wild und rachſüchtig, ſondern ziemlich träge iſt, wodurch die Jagd weit weniger
gefährlich wird. Die Klagen der Alpenhirten über geſchlagenes Vieh oder über die zu Grunde
gerichtete Haferernte machen es indeſſen ſehr oft nöthig, daß auch außer dieſer Zeit gejagt wird.‟

„Der Anſtand führt immer am ſicherſten zum Ziele. Meiſtens unternimmt der Jäger dieſe
Jagd allein. Sein Gewehr iſt gewöhnlich ein Drehſtutzen, an welchem der Oberlauf 1½ Drall hat
und der untere kugelgleich gebohrt iſt, um ſchnell wieder laden zu können. Alle dieſe Gewehre ſchießen
ein mäßigſtarkes Blei, 20 bis 22 Kugeln auf das Pfund. An der Seite des Jägers hängt der
Hirſchfänger, welcher eine ſtarke, vorn zweiſchneidig ausgehende Klinge hat. Dieſe iſt bis zur halben
Breite von gutem Eiſen, die untere Hälfte der Schneide aber iſt von dem feinſten ſteiriſchen Stahl,
ſo daß ein Brechen nicht gut möglich und man im Stande iſt, einen Knochen damit zu zerhauen, ohne
daß die Schneide ausſpringt.‟

„So und außerdem mit gutem Muthe ausgerüſtet, zieht der Jäger vor Tagesanbruch oder vor
der Abenddämmerung an den Ort, an welchem er ſich anſtellen will, um den Bären zu erwarten.
Dieſer hält den einmal angenommenen Wechſel zu den Alpenhürden oder zu einem Haferfeld richtig
ein, wenn er nicht geſtört worden iſt, aber er iſt überaus vorſichtig und ſucht vor allen Dingen den
Wind zu erhalten. Kömmt ihm etwas Verdächtiges in die Naſe, ſo richtet er ſich ſogleich auf, windet
mit vorgeſtrecktem Kopfe und ergreift im ſtarken Trabe eiligſt die Flucht, er mag ſeinen Feind zu
Geſichte bekommen haben oder nicht. Einige Tage darauf nimmt er aber dieſen Wechſel wieder an.‟

„Steht der Jäger an einem Haferſtücke, ſo darf er nicht gleich ſchießen, ſelbſt, wenn ihm der Bär
ſchußrecht ſein ſollte, ſondern er muß, namentlich bei ſchon eingetretener Dunkelheit, die Zeit abwarten,
wo der Bär, wie es hier heißt, ein Männchen macht, das heißt, ſich aufrichtet, um den Hafer abzu-
ſtreifen. Dann kann er mit größerer Sicherheit einen Blattſchuß anbringen.‟

„Findet man ein von Bären angeriſſenes und mit Mos oder Blättern zugedecktes Stück
Wild oder zahmes Vieh, ſo kann man mit Beſtimmmtheit darauf rechnen, daß der Bär mit einbrechen-
der Nacht angeſchlichen kommt, und man kann ſich anſtellen, ohne erwarten zu müſſen, einen vergeblichen
Gang zu thun.‟

„Der Pürſchgang dient mehr dazu, den Aufenthalt und den Wechſel des Bären zu erforſchen:
denn es wird dem Jäger ſehr ſelten gelingen, zu Schuß zu kommen. Nur dann iſt eine Möglichkeit
vorhanden, wenn Alt und Jung mit einander beſchäftigt ſind.‟

„Wenn nun auch der Jäger zwei Schüſſe in ſeinem Gewehr hat, ſo kommt doch nicht ſelten der
Fall vor, daß beide mißrathen und er gezwungen wird, ſeinen Muth und die Kraft ſeines Armes im
Zweikampfe mit dem Bären zu erproben. Hat er dieſen auf dem Anſtande oder Pürſchgange rein
gefehlt oder durch einen Blattſchuß tödlich verwundet, ſo lehrt die Erfahrung, daß er im erſtern
Falle, ohne ſich weiter zu beſinnen, ſchleunigſt die Flucht ergreift, und im letztern ſogleich zuſammen-
ſtürzt und außer Stande iſt, ſeinen Rachedurſt zu befriedigen.‟

„Jſt er aber weniger gefährlich oder auch nur leicht verwundet, ſo erhebt ſich der Bär ſogleich
und geht auf ſeinen Hinterpranken mit wackelndem Gange der Gegend zu, von wo aus der Schuß
erfolgte. Für den kaltblütigen Schützen iſt nun noch durchaus keine Gefahr vorhanden, denn er hat
noch die zweite Kugel im Rohr. Den Stutzen am Backen läßt er den Bären bis auf zehn oder zwölf

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="3">
          <pb facs="#f0664" n="588"/>
          <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Die Raubthiere.</hi> Bären. &#x2014; <hi rendition="#g">Gemeiner</hi> Bär.</fw><lb/>
          <p>Ueber die Bärenjagd in Jllyrien will ich den gedachten Waidmann reden la&#x017F;&#x017F;en. &#x201E;Jm Ganzen,&#x201F;<lb/>
&#x017F;agt er, &#x201E;i&#x017F;t die Bärenjagd in Jllyrien &#x017F;ehr einfach. Sie ge&#x017F;chieht er&#x017F;tens auf dem An&#x017F;tande, zweitens<lb/>
auf dem Pür&#x017F;chgang, drittens durch Aufjagen des Bären aus &#x017F;einem Lager und Hetzen de&#x017F;&#x017F;elben ver-<lb/>
mittel&#x017F;t un&#x017F;erer gewöhnlichen <hi rendition="#g">Dachshunde,</hi> und viertens durch Auf&#x017F;uchung des Bären, &#x017F;obald er<lb/>
&#x017F;ein Winterlager bezogen hat. Von allen übrigen, in nördlichen Ländern gebräuchlichen Fangarten,<lb/>
wie z. B. dem Hetzen mit &#x017F;chweren Jagdhunden u. &#x017F;. w., wi&#x017F;&#x017F;en die hie&#x017F;igen Jäger nichts. Die&#x017F;e Jagd-<lb/>
arten &#x017F;ind aber auch zu wenig prakti&#x017F;ch, und &#x017F;ie machen aus die&#x017F;em Grunde keinen Gebrauch davon.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Am vortheilhafte&#x017F;ten wird die Jagd un&#x017F;treitig zur Fei&#x017F;tzeit betrieben, nicht allein, weil dann<lb/>
das Wildpret und die Decke am be&#x017F;ten &#x017F;ind, &#x017F;ondern vorzüglich deshalb, weil der grimmige, rothe<lb/>
Bär dann weniger wild und rach&#x017F;üchtig, &#x017F;ondern ziemlich träge i&#x017F;t, wodurch die Jagd weit weniger<lb/>
gefährlich wird. Die Klagen der Alpenhirten über ge&#x017F;chlagenes Vieh oder über die zu Grunde<lb/>
gerichtete Haferernte machen es inde&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ehr oft nöthig, daß auch außer die&#x017F;er Zeit gejagt wird.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der An&#x017F;tand führt immer am &#x017F;icher&#x017F;ten zum Ziele. Mei&#x017F;tens unternimmt der Jäger die&#x017F;e<lb/>
Jagd allein. Sein Gewehr i&#x017F;t gewöhnlich ein Dreh&#x017F;tutzen, an welchem der Oberlauf 1½ Drall hat<lb/>
und der untere kugelgleich gebohrt i&#x017F;t, um &#x017F;chnell wieder laden zu können. Alle die&#x017F;e Gewehre &#x017F;chießen<lb/>
ein mäßig&#x017F;tarkes Blei, 20 bis 22 Kugeln auf das Pfund. An der Seite des Jägers hängt der<lb/>
Hir&#x017F;chfänger, welcher eine &#x017F;tarke, vorn zwei&#x017F;chneidig ausgehende Klinge hat. Die&#x017F;e i&#x017F;t bis zur halben<lb/>
Breite von gutem Ei&#x017F;en, die untere Hälfte der Schneide aber i&#x017F;t von dem fein&#x017F;ten &#x017F;teiri&#x017F;chen Stahl,<lb/>
&#x017F;o daß ein Brechen nicht gut möglich und man im Stande i&#x017F;t, einen Knochen damit zu zerhauen, ohne<lb/>
daß die Schneide aus&#x017F;pringt.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;So und außerdem mit gutem Muthe ausgerü&#x017F;tet, zieht der Jäger vor Tagesanbruch oder vor<lb/>
der Abenddämmerung an den Ort, an welchem er &#x017F;ich an&#x017F;tellen will, um den Bären zu erwarten.<lb/>
Die&#x017F;er hält den einmal angenommenen Wech&#x017F;el zu den Alpenhürden oder zu einem Haferfeld richtig<lb/>
ein, wenn er nicht ge&#x017F;tört worden i&#x017F;t, aber er i&#x017F;t überaus vor&#x017F;ichtig und &#x017F;ucht vor allen Dingen den<lb/>
Wind zu erhalten. Kömmt ihm etwas Verdächtiges in die Na&#x017F;e, &#x017F;o richtet er &#x017F;ich &#x017F;ogleich auf, windet<lb/>
mit vorge&#x017F;trecktem Kopfe und ergreift im &#x017F;tarken Trabe eilig&#x017F;t die Flucht, er mag &#x017F;einen Feind zu<lb/>
Ge&#x017F;ichte bekommen haben oder nicht. Einige Tage darauf nimmt er aber die&#x017F;en Wech&#x017F;el wieder an.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Steht der Jäger an einem Hafer&#x017F;tücke, &#x017F;o darf er nicht gleich &#x017F;chießen, &#x017F;elb&#x017F;t, wenn ihm der Bär<lb/>
&#x017F;chußrecht &#x017F;ein &#x017F;ollte, &#x017F;ondern er muß, namentlich bei &#x017F;chon eingetretener Dunkelheit, die Zeit abwarten,<lb/>
wo der Bär, wie es hier heißt, ein Männchen macht, das heißt, &#x017F;ich aufrichtet, um den Hafer abzu-<lb/>
&#x017F;treifen. Dann kann er mit größerer Sicherheit einen Blatt&#x017F;chuß anbringen.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Findet man ein von Bären angeri&#x017F;&#x017F;enes und mit Mos oder Blättern zugedecktes Stück<lb/>
Wild oder zahmes Vieh, &#x017F;o kann man mit Be&#x017F;timmmtheit darauf rechnen, daß der Bär mit einbrechen-<lb/>
der Nacht ange&#x017F;chlichen kommt, und man kann &#x017F;ich an&#x017F;tellen, ohne erwarten zu mü&#x017F;&#x017F;en, einen vergeblichen<lb/>
Gang zu thun.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Der Pür&#x017F;chgang dient mehr dazu, den Aufenthalt und den Wech&#x017F;el des Bären zu erfor&#x017F;chen:<lb/>
denn es wird dem Jäger &#x017F;ehr &#x017F;elten gelingen, zu Schuß zu kommen. Nur dann i&#x017F;t eine Möglichkeit<lb/>
vorhanden, wenn Alt und Jung mit einander be&#x017F;chäftigt &#x017F;ind.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Wenn nun auch der Jäger zwei Schü&#x017F;&#x017F;e in &#x017F;einem Gewehr hat, &#x017F;o kommt doch nicht &#x017F;elten der<lb/>
Fall vor, daß beide mißrathen und er gezwungen wird, &#x017F;einen Muth und die Kraft &#x017F;eines Armes im<lb/>
Zweikampfe mit dem Bären zu erproben. Hat er die&#x017F;en auf dem An&#x017F;tande oder Pür&#x017F;chgange rein<lb/>
gefehlt oder durch einen Blatt&#x017F;chuß tödlich verwundet, &#x017F;o lehrt die Erfahrung, daß er im er&#x017F;tern<lb/>
Falle, ohne &#x017F;ich weiter zu be&#x017F;innen, &#x017F;chleunig&#x017F;t die Flucht ergreift, und im letztern &#x017F;ogleich zu&#x017F;ammen-<lb/>
&#x017F;türzt und außer Stande i&#x017F;t, &#x017F;einen Rachedur&#x017F;t zu befriedigen.&#x201F;</p><lb/>
          <p>&#x201E;J&#x017F;t er aber weniger gefährlich oder auch nur leicht verwundet, &#x017F;o erhebt &#x017F;ich der Bär &#x017F;ogleich<lb/>
und geht auf &#x017F;einen Hinterpranken mit wackelndem Gange der Gegend zu, von wo aus der Schuß<lb/>
erfolgte. Für den kaltblütigen Schützen i&#x017F;t nun noch durchaus keine Gefahr vorhanden, denn er hat<lb/>
noch die zweite Kugel im Rohr. Den Stutzen am Backen läßt er den Bären bis auf zehn oder zwölf<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[588/0664] Die Raubthiere. Bären. — Gemeiner Bär. Ueber die Bärenjagd in Jllyrien will ich den gedachten Waidmann reden laſſen. „Jm Ganzen,‟ ſagt er, „iſt die Bärenjagd in Jllyrien ſehr einfach. Sie geſchieht erſtens auf dem Anſtande, zweitens auf dem Pürſchgang, drittens durch Aufjagen des Bären aus ſeinem Lager und Hetzen deſſelben ver- mittelſt unſerer gewöhnlichen Dachshunde, und viertens durch Aufſuchung des Bären, ſobald er ſein Winterlager bezogen hat. Von allen übrigen, in nördlichen Ländern gebräuchlichen Fangarten, wie z. B. dem Hetzen mit ſchweren Jagdhunden u. ſ. w., wiſſen die hieſigen Jäger nichts. Dieſe Jagd- arten ſind aber auch zu wenig praktiſch, und ſie machen aus dieſem Grunde keinen Gebrauch davon.‟ „Am vortheilhafteſten wird die Jagd unſtreitig zur Feiſtzeit betrieben, nicht allein, weil dann das Wildpret und die Decke am beſten ſind, ſondern vorzüglich deshalb, weil der grimmige, rothe Bär dann weniger wild und rachſüchtig, ſondern ziemlich träge iſt, wodurch die Jagd weit weniger gefährlich wird. Die Klagen der Alpenhirten über geſchlagenes Vieh oder über die zu Grunde gerichtete Haferernte machen es indeſſen ſehr oft nöthig, daß auch außer dieſer Zeit gejagt wird.‟ „Der Anſtand führt immer am ſicherſten zum Ziele. Meiſtens unternimmt der Jäger dieſe Jagd allein. Sein Gewehr iſt gewöhnlich ein Drehſtutzen, an welchem der Oberlauf 1½ Drall hat und der untere kugelgleich gebohrt iſt, um ſchnell wieder laden zu können. Alle dieſe Gewehre ſchießen ein mäßigſtarkes Blei, 20 bis 22 Kugeln auf das Pfund. An der Seite des Jägers hängt der Hirſchfänger, welcher eine ſtarke, vorn zweiſchneidig ausgehende Klinge hat. Dieſe iſt bis zur halben Breite von gutem Eiſen, die untere Hälfte der Schneide aber iſt von dem feinſten ſteiriſchen Stahl, ſo daß ein Brechen nicht gut möglich und man im Stande iſt, einen Knochen damit zu zerhauen, ohne daß die Schneide ausſpringt.‟ „So und außerdem mit gutem Muthe ausgerüſtet, zieht der Jäger vor Tagesanbruch oder vor der Abenddämmerung an den Ort, an welchem er ſich anſtellen will, um den Bären zu erwarten. Dieſer hält den einmal angenommenen Wechſel zu den Alpenhürden oder zu einem Haferfeld richtig ein, wenn er nicht geſtört worden iſt, aber er iſt überaus vorſichtig und ſucht vor allen Dingen den Wind zu erhalten. Kömmt ihm etwas Verdächtiges in die Naſe, ſo richtet er ſich ſogleich auf, windet mit vorgeſtrecktem Kopfe und ergreift im ſtarken Trabe eiligſt die Flucht, er mag ſeinen Feind zu Geſichte bekommen haben oder nicht. Einige Tage darauf nimmt er aber dieſen Wechſel wieder an.‟ „Steht der Jäger an einem Haferſtücke, ſo darf er nicht gleich ſchießen, ſelbſt, wenn ihm der Bär ſchußrecht ſein ſollte, ſondern er muß, namentlich bei ſchon eingetretener Dunkelheit, die Zeit abwarten, wo der Bär, wie es hier heißt, ein Männchen macht, das heißt, ſich aufrichtet, um den Hafer abzu- ſtreifen. Dann kann er mit größerer Sicherheit einen Blattſchuß anbringen.‟ „Findet man ein von Bären angeriſſenes und mit Mos oder Blättern zugedecktes Stück Wild oder zahmes Vieh, ſo kann man mit Beſtimmmtheit darauf rechnen, daß der Bär mit einbrechen- der Nacht angeſchlichen kommt, und man kann ſich anſtellen, ohne erwarten zu müſſen, einen vergeblichen Gang zu thun.‟ „Der Pürſchgang dient mehr dazu, den Aufenthalt und den Wechſel des Bären zu erforſchen: denn es wird dem Jäger ſehr ſelten gelingen, zu Schuß zu kommen. Nur dann iſt eine Möglichkeit vorhanden, wenn Alt und Jung mit einander beſchäftigt ſind.‟ „Wenn nun auch der Jäger zwei Schüſſe in ſeinem Gewehr hat, ſo kommt doch nicht ſelten der Fall vor, daß beide mißrathen und er gezwungen wird, ſeinen Muth und die Kraft ſeines Armes im Zweikampfe mit dem Bären zu erproben. Hat er dieſen auf dem Anſtande oder Pürſchgange rein gefehlt oder durch einen Blattſchuß tödlich verwundet, ſo lehrt die Erfahrung, daß er im erſtern Falle, ohne ſich weiter zu beſinnen, ſchleunigſt die Flucht ergreift, und im letztern ſogleich zuſammen- ſtürzt und außer Stande iſt, ſeinen Rachedurſt zu befriedigen.‟ „Jſt er aber weniger gefährlich oder auch nur leicht verwundet, ſo erhebt ſich der Bär ſogleich und geht auf ſeinen Hinterpranken mit wackelndem Gange der Gegend zu, von wo aus der Schuß erfolgte. Für den kaltblütigen Schützen iſt nun noch durchaus keine Gefahr vorhanden, denn er hat noch die zweite Kugel im Rohr. Den Stutzen am Backen läßt er den Bären bis auf zehn oder zwölf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/664
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 588. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/664>, abgerufen am 22.11.2024.