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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864.

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Die Raubthiere. Bären. -- Gemeiner Bär.
Kinn und Brust und stößt ihm denselben mit der obern Spitze in die Gurgel. Sobald sich der Bär
verwundet fühlt, versucht er, das Eisen herauszuschleudern, und macht zu diesem Zwecke mit dem
Kopfe eine heftige Bewegung nach unten. Dabei stößt er sich aber die zweite Klinge in die Brust,
und in diesem Augenblicke reunt ihm der Osero das breite Waidmesser mehrere Male in das Herz.
Jch habe, obgleich mir die eigene Anschauung fehlt, keinen Grund, die Art und Weise derartiger
Zweikämpfe zu bezweifeln, wenigstens erscheint mir Dies bei der Uebereinstimmung der gehörten Be-
schreibungen unzulässig.

Der Nutzen, welchen eine glückliche Bärenjagd abwirft, ist der größte, den eine Jagd, in
Europa wenigstens, überhaupt gewähren kann. Jn allen Ländern, in welchen Bären hausen, erhält
der Schütze nicht blos eine Belohnung von regierungswegen, sondern auch von den umwohnenden
Herdenbesitzern, und mancher Bärenjäger hat schon auf diese Weise fast hundert Thaler gewonnen.
Das von den Regierungen festgesetzte Schußgeld ist sehr niedrig, und deshalb schont man nicht selten
hier und da die Bären, trotz des Schadens, den sie anrichten, bis zur Feistzeit, weil sie dann am
fettesten sind. Jn den österreichischen Staaten bezahlt die Regierung für den erlegten Bären blos
vier Gulden dreißig Kreuzer, und da ist es denn nicht zu verwundern, daß z. B. die illyrischen Jäger,
trotz aller Befehle, die Bären nach Möglichkeit auszurotten, die Thiere mit der größten Rücksicht
behandeln, ja gewissermaßen hegen, bis zu der Zeit, wo feistes Wildpret und Decke im besten Zustande
sind und am höchsten bezahlt werden; geradeso, wie in Deutschland mancher schlechtbezahlte Förster
im Sommer den Fuchs laufen läßt, in der Hoffnung, seinen Balg im Winter höher zu verwerthen.
Die Schweizer Regierungen bezahlen ganz andere Preise, obgleich dieselben verhältnißmäßig noch
immer sehr gering sind. Auch in Norwegen beträgt die Regierungsbelohnung nur 71/2 Thaler
unsers Geldes, und einer solchen Summe wegen würde wohl kein Jäger sein Leben wagen, übte die
Jagd nicht an und für sich selbst einen unwiderstehlichen Reiz auf den muthvollen Mann aus, und
verschaffte sie ihm nicht Nebeneinnahmen, welche ungleich bedeutender sind, als jene Summe, welche
die hohen Regierungen aus Nützlichkeitsrücksichten zu zahlen sich bewogen finden. Schon in Jllyrien
wiegt der braune Hauptbär dreihundert bis dreihundert und funfzig Pfund, im Norden Europas aber, wie
bemerkt, noch viel mehr, und diese dreihundert und mehr Pfund Fleisch geben einen ganz hübschen
Ertrag. Die Decke oder der Pelz des Bären ist immerhin auch ihre zwölf bis zwanzig Thaler werth,
und das Bärenfett wird, seiner besonderen Eigenschaften halber, außerordentlich gesucht und ebenfalls
sehr gut bezahlt. Es ist sehr weiß, wird aber nie hart und in verschlossenen Gefäßen niemals ranzig.
Jm frischen Zustande ist der Geschmack desselben widerlich, ebenso wie der Geruch des Raubthieres
es ist; der Geschmack aber verliert sich, wenn man das Fett vorher mit Zwiebeln abgedämpft hat,
und dann kann die Masse jahrelang aufbewahrt werden. Das Wildpret eines jungen Bären von
sechs bis sieben Monaten ist von feinem, angenehmen Geschmack, und die Keulen alter, feister Bären
sind gebraten oder geräuchert ein wahrer Leckerbissen, zumal, wenn sie sachkundig zubereitet sind. Am
meisten werden die Pranken der alten Bären von den Feinschmeckern gesucht; doch muß man sich erst
an den Anblick derselben gewöhnen, weil sie, wenn sie abgehärt und zur Zubereitung fertig gemacht
sind, einem auffallend großen Menschenfuße in widerlicher Weise ähneln. Ein mit Champignons
zubereiteter Bärenkopf gilt ebenfalls als ein vortreffliches Gericht und kommt deshalb fast blos auf
die Tafeln der Vornehmen zu stehen. --

Junge Bären benehmen sich in der Gefangenschaft recht angenehm. Sie sind verhältnißmäßig
reinlich, machen wenig Ansprüche hinsichtlich guter Nahrung und Behandlung, sind zuthulich und
schließen sich dem Menschen und einzelnen Hausthieren in gewissem Grade an. Schon im ersten
Vierteljahre ihres Lebens stellen sie sich auf ihre Hinterfüße und beginnen nunmehr ihre täppischen
Spiele, deren Anblick auch den ärgsten Murrkopf erheitern muß. Sie balgen sich, wie kleine,
ungezogene Knaben, klettern um die Wette und aus reinem Uebermuthe an Bäumen in die Höhe,
vergnügen sich durch eiliges Laufen u. s. w., thun aber Alles so ungeschickt als möglich und werden
grade deshalb unterhaltend. Wenn sie eingesperrt sich selbst überlassen sind, pflegen sie sich durch

Die Raubthiere. Bären. — Gemeiner Bär.
Kinn und Bruſt und ſtößt ihm denſelben mit der obern Spitze in die Gurgel. Sobald ſich der Bär
verwundet fühlt, verſucht er, das Eiſen herauszuſchleudern, und macht zu dieſem Zwecke mit dem
Kopfe eine heftige Bewegung nach unten. Dabei ſtößt er ſich aber die zweite Klinge in die Bruſt,
und in dieſem Augenblicke reunt ihm der Oſero das breite Waidmeſſer mehrere Male in das Herz.
Jch habe, obgleich mir die eigene Anſchauung fehlt, keinen Grund, die Art und Weiſe derartiger
Zweikämpfe zu bezweifeln, wenigſtens erſcheint mir Dies bei der Uebereinſtimmung der gehörten Be-
ſchreibungen unzuläſſig.

Der Nutzen, welchen eine glückliche Bärenjagd abwirft, iſt der größte, den eine Jagd, in
Europa wenigſtens, überhaupt gewähren kann. Jn allen Ländern, in welchen Bären hauſen, erhält
der Schütze nicht blos eine Belohnung von regierungswegen, ſondern auch von den umwohnenden
Herdenbeſitzern, und mancher Bärenjäger hat ſchon auf dieſe Weiſe faſt hundert Thaler gewonnen.
Das von den Regierungen feſtgeſetzte Schußgeld iſt ſehr niedrig, und deshalb ſchont man nicht ſelten
hier und da die Bären, trotz des Schadens, den ſie anrichten, bis zur Feiſtzeit, weil ſie dann am
fetteſten ſind. Jn den öſterreichiſchen Staaten bezahlt die Regierung für den erlegten Bären blos
vier Gulden dreißig Kreuzer, und da iſt es denn nicht zu verwundern, daß z. B. die illyriſchen Jäger,
trotz aller Befehle, die Bären nach Möglichkeit auszurotten, die Thiere mit der größten Rückſicht
behandeln, ja gewiſſermaßen hegen, bis zu der Zeit, wo feiſtes Wildpret und Decke im beſten Zuſtande
ſind und am höchſten bezahlt werden; geradeſo, wie in Deutſchland mancher ſchlechtbezahlte Förſter
im Sommer den Fuchs laufen läßt, in der Hoffnung, ſeinen Balg im Winter höher zu verwerthen.
Die Schweizer Regierungen bezahlen ganz andere Preiſe, obgleich dieſelben verhältnißmäßig noch
immer ſehr gering ſind. Auch in Norwegen beträgt die Regierungsbelohnung nur 7½ Thaler
unſers Geldes, und einer ſolchen Summe wegen würde wohl kein Jäger ſein Leben wagen, übte die
Jagd nicht an und für ſich ſelbſt einen unwiderſtehlichen Reiz auf den muthvollen Mann aus, und
verſchaffte ſie ihm nicht Nebeneinnahmen, welche ungleich bedeutender ſind, als jene Summe, welche
die hohen Regierungen aus Nützlichkeitsrückſichten zu zahlen ſich bewogen finden. Schon in Jllyrien
wiegt der braune Hauptbär dreihundert bis dreihundert und funfzig Pfund, im Norden Europas aber, wie
bemerkt, noch viel mehr, und dieſe dreihundert und mehr Pfund Fleiſch geben einen ganz hübſchen
Ertrag. Die Decke oder der Pelz des Bären iſt immerhin auch ihre zwölf bis zwanzig Thaler werth,
und das Bärenfett wird, ſeiner beſonderen Eigenſchaften halber, außerordentlich geſucht und ebenfalls
ſehr gut bezahlt. Es iſt ſehr weiß, wird aber nie hart und in verſchloſſenen Gefäßen niemals ranzig.
Jm friſchen Zuſtande iſt der Geſchmack deſſelben widerlich, ebenſo wie der Geruch des Raubthieres
es iſt; der Geſchmack aber verliert ſich, wenn man das Fett vorher mit Zwiebeln abgedämpft hat,
und dann kann die Maſſe jahrelang aufbewahrt werden. Das Wildpret eines jungen Bären von
ſechs bis ſieben Monaten iſt von feinem, angenehmen Geſchmack, und die Keulen alter, feiſter Bären
ſind gebraten oder geräuchert ein wahrer Leckerbiſſen, zumal, wenn ſie ſachkundig zubereitet ſind. Am
meiſten werden die Pranken der alten Bären von den Feinſchmeckern geſucht; doch muß man ſich erſt
an den Anblick derſelben gewöhnen, weil ſie, wenn ſie abgehärt und zur Zubereitung fertig gemacht
ſind, einem auffallend großen Menſchenfuße in widerlicher Weiſe ähneln. Ein mit Champignons
zubereiteter Bärenkopf gilt ebenfalls als ein vortreffliches Gericht und kommt deshalb faſt blos auf
die Tafeln der Vornehmen zu ſtehen. —

Junge Bären benehmen ſich in der Gefangenſchaft recht angenehm. Sie ſind verhältnißmäßig
reinlich, machen wenig Anſprüche hinſichtlich guter Nahrung und Behandlung, ſind zuthulich und
ſchließen ſich dem Menſchen und einzelnen Hausthieren in gewiſſem Grade an. Schon im erſten
Vierteljahre ihres Lebens ſtellen ſie ſich auf ihre Hinterfüße und beginnen nunmehr ihre täppiſchen
Spiele, deren Anblick auch den ärgſten Murrkopf erheitern muß. Sie balgen ſich, wie kleine,
ungezogene Knaben, klettern um die Wette und aus reinem Uebermuthe an Bäumen in die Höhe,
vergnügen ſich durch eiliges Laufen u. ſ. w., thun aber Alles ſo ungeſchickt als möglich und werden
grade deshalb unterhaltend. Wenn ſie eingeſperrt ſich ſelbſt überlaſſen ſind, pflegen ſie ſich durch

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[594/0670] Die Raubthiere. Bären. — Gemeiner Bär. Kinn und Bruſt und ſtößt ihm denſelben mit der obern Spitze in die Gurgel. Sobald ſich der Bär verwundet fühlt, verſucht er, das Eiſen herauszuſchleudern, und macht zu dieſem Zwecke mit dem Kopfe eine heftige Bewegung nach unten. Dabei ſtößt er ſich aber die zweite Klinge in die Bruſt, und in dieſem Augenblicke reunt ihm der Oſero das breite Waidmeſſer mehrere Male in das Herz. Jch habe, obgleich mir die eigene Anſchauung fehlt, keinen Grund, die Art und Weiſe derartiger Zweikämpfe zu bezweifeln, wenigſtens erſcheint mir Dies bei der Uebereinſtimmung der gehörten Be- ſchreibungen unzuläſſig. Der Nutzen, welchen eine glückliche Bärenjagd abwirft, iſt der größte, den eine Jagd, in Europa wenigſtens, überhaupt gewähren kann. Jn allen Ländern, in welchen Bären hauſen, erhält der Schütze nicht blos eine Belohnung von regierungswegen, ſondern auch von den umwohnenden Herdenbeſitzern, und mancher Bärenjäger hat ſchon auf dieſe Weiſe faſt hundert Thaler gewonnen. Das von den Regierungen feſtgeſetzte Schußgeld iſt ſehr niedrig, und deshalb ſchont man nicht ſelten hier und da die Bären, trotz des Schadens, den ſie anrichten, bis zur Feiſtzeit, weil ſie dann am fetteſten ſind. Jn den öſterreichiſchen Staaten bezahlt die Regierung für den erlegten Bären blos vier Gulden dreißig Kreuzer, und da iſt es denn nicht zu verwundern, daß z. B. die illyriſchen Jäger, trotz aller Befehle, die Bären nach Möglichkeit auszurotten, die Thiere mit der größten Rückſicht behandeln, ja gewiſſermaßen hegen, bis zu der Zeit, wo feiſtes Wildpret und Decke im beſten Zuſtande ſind und am höchſten bezahlt werden; geradeſo, wie in Deutſchland mancher ſchlechtbezahlte Förſter im Sommer den Fuchs laufen läßt, in der Hoffnung, ſeinen Balg im Winter höher zu verwerthen. Die Schweizer Regierungen bezahlen ganz andere Preiſe, obgleich dieſelben verhältnißmäßig noch immer ſehr gering ſind. Auch in Norwegen beträgt die Regierungsbelohnung nur 7½ Thaler unſers Geldes, und einer ſolchen Summe wegen würde wohl kein Jäger ſein Leben wagen, übte die Jagd nicht an und für ſich ſelbſt einen unwiderſtehlichen Reiz auf den muthvollen Mann aus, und verſchaffte ſie ihm nicht Nebeneinnahmen, welche ungleich bedeutender ſind, als jene Summe, welche die hohen Regierungen aus Nützlichkeitsrückſichten zu zahlen ſich bewogen finden. Schon in Jllyrien wiegt der braune Hauptbär dreihundert bis dreihundert und funfzig Pfund, im Norden Europas aber, wie bemerkt, noch viel mehr, und dieſe dreihundert und mehr Pfund Fleiſch geben einen ganz hübſchen Ertrag. Die Decke oder der Pelz des Bären iſt immerhin auch ihre zwölf bis zwanzig Thaler werth, und das Bärenfett wird, ſeiner beſonderen Eigenſchaften halber, außerordentlich geſucht und ebenfalls ſehr gut bezahlt. Es iſt ſehr weiß, wird aber nie hart und in verſchloſſenen Gefäßen niemals ranzig. Jm friſchen Zuſtande iſt der Geſchmack deſſelben widerlich, ebenſo wie der Geruch des Raubthieres es iſt; der Geſchmack aber verliert ſich, wenn man das Fett vorher mit Zwiebeln abgedämpft hat, und dann kann die Maſſe jahrelang aufbewahrt werden. Das Wildpret eines jungen Bären von ſechs bis ſieben Monaten iſt von feinem, angenehmen Geſchmack, und die Keulen alter, feiſter Bären ſind gebraten oder geräuchert ein wahrer Leckerbiſſen, zumal, wenn ſie ſachkundig zubereitet ſind. Am meiſten werden die Pranken der alten Bären von den Feinſchmeckern geſucht; doch muß man ſich erſt an den Anblick derſelben gewöhnen, weil ſie, wenn ſie abgehärt und zur Zubereitung fertig gemacht ſind, einem auffallend großen Menſchenfuße in widerlicher Weiſe ähneln. Ein mit Champignons zubereiteter Bärenkopf gilt ebenfalls als ein vortreffliches Gericht und kommt deshalb faſt blos auf die Tafeln der Vornehmen zu ſtehen. — Junge Bären benehmen ſich in der Gefangenſchaft recht angenehm. Sie ſind verhältnißmäßig reinlich, machen wenig Anſprüche hinſichtlich guter Nahrung und Behandlung, ſind zuthulich und ſchließen ſich dem Menſchen und einzelnen Hausthieren in gewiſſem Grade an. Schon im erſten Vierteljahre ihres Lebens ſtellen ſie ſich auf ihre Hinterfüße und beginnen nunmehr ihre täppiſchen Spiele, deren Anblick auch den ärgſten Murrkopf erheitern muß. Sie balgen ſich, wie kleine, ungezogene Knaben, klettern um die Wette und aus reinem Uebermuthe an Bäumen in die Höhe, vergnügen ſich durch eiliges Laufen u. ſ. w., thun aber Alles ſo ungeſchickt als möglich und werden grade deshalb unterhaltend. Wenn ſie eingeſperrt ſich ſelbſt überlaſſen ſind, pflegen ſie ſich durch

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 1. Hildburghausen, 1864, S. 594. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben01_1864/670>, abgerufen am 22.11.2024.