auch der Schwanz zeigt diese beiden Farben. Selys entdeckte diese Maus im Jahre 1831 in Frank- reich auf feuchten Wiesen und in Gemüsegärten in der Nähe der Flüsse; Blasius fand sie auch auf Feldern und Bergwiesen am Niederrhein und in Braunschweig auf; andere Naturforscher lernten sie als Bewohner Sachsens und des Vogtlandes kennen. Sie lebt mehr unterirdisch, als ihre Gattungs- verwandten, und es scheint fast, daß ihre sehr kleinen Ohren und Augen auf diese Lebensweise hin- deuten. Jhre Höhlen sind weit verzweigter und zahlreicher, als die der anderen Wühlmäuse, und jedes Pärchen lebt für sich. Jn den Vorrathskammern fand Dehne im Dezember 18 Unzen Wurzeln, jede Art gesondert und gereinigt. Sie bestanden in Löwenzahn, Quecke, Hainane- mone, Sauerampher, in dem Knöllchen der gemeinen Butterblume, einigen Zwiebeln, Möhren und der Vogelmilch. Die Niederlagen waren etwa fußtief unter dem Rasen der niedrigen Wiesen des Lößnitzer Grundes angebracht und hatten 6 bis 8 Zoll im Durchmesser. Mehrere zick- zackförmige, ganz flach unter dem Rasen fortlaufende Gänge führten zu ihnen und verbanden sie.
Nur selten vermehrt sich diese Maus so stark wie ihre Verwandten. Jn ihren weich ausge- polsterten Nestern findet man allerdings 5 bis 6 Mal im Jahr 3 bis 5 Junge, aber von diesen gehen, weil die Niederungen oft überschwemmt werden, regelmäßig sehr viele zu Grunde. Man kann die Jungen mit Runkelrüben, Möhren, Sellerie, Pastinaken, Kartoffeln, Aepfeln und Kürbiskörnern sehr leicht großziehen und lange erhalten; bei Brod und Getreidekörnern verhungern sie aber in wenigen Tagen. Dehne hatte ein Junges so gezähmt, daß er es in die Hand nehmen und mit sich herum- tragen konnte, obgleich er ihm nicht ganz trauen durfte, weil es zuweilen scheinbar unwissentlich zu beißen versuchte. Mit anderen Wühlmäusen verträgt sich die Wurzelmaus nicht. Sobald man zwei zusammensteckt, entsteht ein wüthender Kampf, und die Schwächere muß, wenn sie nicht baldigst abge- trennt wird, der Stärkeren regelmäßig unterliegen.
Die Lemminge (Myodes) sind unter den Wühlmäusen in Gestalt und Wesen dasselbe, was die Hamster unter den eigentlichen Mäusen sind. Man kennt bisjetzt etwa ein halbes Dutzend Arten dieser merkwürdigen Geschöpfe, unter denen uns selbstverständlich der norwegische Lemming (Myodes Lemmus) am nächsten angeht. Er ist eine mittelgroße Wühlmaus von sehr gedrungenem Körperbau mit ganz kleinem Stutzschwänzchen. Seine Gesammtlänge beträgt 6 Zoll; der Schwanz ist blos 3/4 Zoll lang. Die Nase ist behaart, die Oberlippe tief gespalten und mit kurzen Schnurren besetzt; die Ohren sind klein rundlich und ganz im Pelze versteckt; an den fünfzehigen Füßen sitzen große Scharrkrallen, namentlich an dem Vorderpaare, und diese sind beim Männ- chen gewöhnlich größer, als beim Weibchen. Der reiche und lange Pelz ist sehr ansprechend gezeichnet. Von der braungelben, im Nacken gewässerten Grundfärbung heben sich dunkle Flecken ab. Der Schwanz und die Pfoten sind gelb; von den Augen laufen zwei gelbe Streifen nach dem Hinterkopf; die Unterseite ist einfach gelb, fast sandfarbig.
Der Lemming ist unbedingt das räthselhafteste Thier ganz Skandinaviens. Noch heute glauben die Bauern der Gebirgsgegenden, daß er von dem Himmel herabgeregnet werde und deshalb in so ungeheuerer Menge auftrete, später aber wegen seiner Freßgier sich den Magen ver- derbe und zu Grunde gehen müsse. Olaus Magnus, der bekannte Bischof von Upsala, erwähnt des Thieres zuerst. Er sagt, daß er im Jahre 1518 durch einen Wald geritten sei und dort eine so große Anzahl Hermeline gesehen habe, daß sie den ganzen Wald mit ihrem Gestank erfüllt hätten. Hieran wären kleine vierfüßige Thiere mit Namen Lemar Schuld ge- wesen, welche zuweilen bei plötzlichem Gewitter und Regen vom Himmel fielen: -- man wisse nicht, ob aus entfernten Jnseln hergetrieben oder in den Wolken erzeugt. "Diese Thiere, welche wie die Heuschrecken in ungeheuren Schwärmen auftreten, zerstören alles Grüne, und was sie einmal angebissen haben, stirbt ab, wie vergiftet. Sie leben, solange sie nicht frisch-
Die Wühlmäuſe. — Der Lemming.
auch der Schwanz zeigt dieſe beiden Farben. Selys entdeckte dieſe Maus im Jahre 1831 in Frank- reich auf feuchten Wieſen und in Gemüſegärten in der Nähe der Flüſſe; Blaſius fand ſie auch auf Feldern und Bergwieſen am Niederrhein und in Braunſchweig auf; andere Naturforſcher lernten ſie als Bewohner Sachſens und des Vogtlandes kennen. Sie lebt mehr unterirdiſch, als ihre Gattungs- verwandten, und es ſcheint faſt, daß ihre ſehr kleinen Ohren und Augen auf dieſe Lebensweiſe hin- deuten. Jhre Höhlen ſind weit verzweigter und zahlreicher, als die der anderen Wühlmäuſe, und jedes Pärchen lebt für ſich. Jn den Vorrathskammern fand Dehne im Dezember 18 Unzen Wurzeln, jede Art geſondert und gereinigt. Sie beſtanden in Löwenzahn, Quecke, Hainane- mone, Sauerampher, in dem Knöllchen der gemeinen Butterblume, einigen Zwiebeln, Möhren und der Vogelmilch. Die Niederlagen waren etwa fußtief unter dem Raſen der niedrigen Wieſen des Lößnitzer Grundes angebracht und hatten 6 bis 8 Zoll im Durchmeſſer. Mehrere zick- zackförmige, ganz flach unter dem Raſen fortlaufende Gänge führten zu ihnen und verbanden ſie.
Nur ſelten vermehrt ſich dieſe Maus ſo ſtark wie ihre Verwandten. Jn ihren weich ausge- polſterten Neſtern findet man allerdings 5 bis 6 Mal im Jahr 3 bis 5 Junge, aber von dieſen gehen, weil die Niederungen oft überſchwemmt werden, regelmäßig ſehr viele zu Grunde. Man kann die Jungen mit Runkelrüben, Möhren, Sellerie, Paſtinaken, Kartoffeln, Aepfeln und Kürbiskörnern ſehr leicht großziehen und lange erhalten; bei Brod und Getreidekörnern verhungern ſie aber in wenigen Tagen. Dehne hatte ein Junges ſo gezähmt, daß er es in die Hand nehmen und mit ſich herum- tragen konnte, obgleich er ihm nicht ganz trauen durfte, weil es zuweilen ſcheinbar unwiſſentlich zu beißen verſuchte. Mit anderen Wühlmäuſen verträgt ſich die Wurzelmaus nicht. Sobald man zwei zuſammenſteckt, entſteht ein wüthender Kampf, und die Schwächere muß, wenn ſie nicht baldigſt abge- trennt wird, der Stärkeren regelmäßig unterliegen.
Die Lemminge (Myodes) ſind unter den Wühlmäuſen in Geſtalt und Weſen daſſelbe, was die Hamſter unter den eigentlichen Mäuſen ſind. Man kennt bisjetzt etwa ein halbes Dutzend Arten dieſer merkwürdigen Geſchöpfe, unter denen uns ſelbſtverſtändlich der norwegiſche Lemming (Myodes Lemmus) am nächſten angeht. Er iſt eine mittelgroße Wühlmaus von ſehr gedrungenem Körperbau mit ganz kleinem Stutzſchwänzchen. Seine Geſammtlänge beträgt 6 Zoll; der Schwanz iſt blos ¾ Zoll lang. Die Naſe iſt behaart, die Oberlippe tief geſpalten und mit kurzen Schnurren beſetzt; die Ohren ſind klein rundlich und ganz im Pelze verſteckt; an den fünfzehigen Füßen ſitzen große Scharrkrallen, namentlich an dem Vorderpaare, und dieſe ſind beim Männ- chen gewöhnlich größer, als beim Weibchen. Der reiche und lange Pelz iſt ſehr anſprechend gezeichnet. Von der braungelben, im Nacken gewäſſerten Grundfärbung heben ſich dunkle Flecken ab. Der Schwanz und die Pfoten ſind gelb; von den Augen laufen zwei gelbe Streifen nach dem Hinterkopf; die Unterſeite iſt einfach gelb, faſt ſandfarbig.
Der Lemming iſt unbedingt das räthſelhafteſte Thier ganz Skandinaviens. Noch heute glauben die Bauern der Gebirgsgegenden, daß er von dem Himmel herabgeregnet werde und deshalb in ſo ungeheuerer Menge auftrete, ſpäter aber wegen ſeiner Freßgier ſich den Magen ver- derbe und zu Grunde gehen müſſe. Olaus Magnus, der bekannte Biſchof von Upſala, erwähnt des Thieres zuerſt. Er ſagt, daß er im Jahre 1518 durch einen Wald geritten ſei und dort eine ſo große Anzahl Hermeline geſehen habe, daß ſie den ganzen Wald mit ihrem Geſtank erfüllt hätten. Hieran wären kleine vierfüßige Thiere mit Namen Lemar Schuld ge- weſen, welche zuweilen bei plötzlichem Gewitter und Regen vom Himmel fielen: — man wiſſe nicht, ob aus entfernten Jnſeln hergetrieben oder in den Wolken erzeugt. „Dieſe Thiere, welche wie die Heuſchrecken in ungeheuren Schwärmen auftreten, zerſtören alles Grüne, und was ſie einmal angebiſſen haben, ſtirbt ab, wie vergiftet. Sie leben, ſolange ſie nicht friſch-
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[164/0180]
Die Wühlmäuſe. — Der Lemming.
auch der Schwanz zeigt dieſe beiden Farben. Selys entdeckte dieſe Maus im Jahre 1831 in Frank-
reich auf feuchten Wieſen und in Gemüſegärten in der Nähe der Flüſſe; Blaſius fand ſie auch auf
Feldern und Bergwieſen am Niederrhein und in Braunſchweig auf; andere Naturforſcher lernten ſie
als Bewohner Sachſens und des Vogtlandes kennen. Sie lebt mehr unterirdiſch, als ihre Gattungs-
verwandten, und es ſcheint faſt, daß ihre ſehr kleinen Ohren und Augen auf dieſe Lebensweiſe hin-
deuten. Jhre Höhlen ſind weit verzweigter und zahlreicher, als die der anderen Wühlmäuſe, und
jedes Pärchen lebt für ſich. Jn den Vorrathskammern fand Dehne im Dezember 18 Unzen
Wurzeln, jede Art geſondert und gereinigt. Sie beſtanden in Löwenzahn, Quecke, Hainane-
mone, Sauerampher, in dem Knöllchen der gemeinen Butterblume, einigen Zwiebeln,
Möhren und der Vogelmilch. Die Niederlagen waren etwa fußtief unter dem Raſen der niedrigen
Wieſen des Lößnitzer Grundes angebracht und hatten 6 bis 8 Zoll im Durchmeſſer. Mehrere zick-
zackförmige, ganz flach unter dem Raſen fortlaufende Gänge führten zu ihnen und verbanden ſie.
Nur ſelten vermehrt ſich dieſe Maus ſo ſtark wie ihre Verwandten. Jn ihren weich ausge-
polſterten Neſtern findet man allerdings 5 bis 6 Mal im Jahr 3 bis 5 Junge, aber von dieſen gehen,
weil die Niederungen oft überſchwemmt werden, regelmäßig ſehr viele zu Grunde. Man kann die
Jungen mit Runkelrüben, Möhren, Sellerie, Paſtinaken, Kartoffeln, Aepfeln und Kürbiskörnern ſehr
leicht großziehen und lange erhalten; bei Brod und Getreidekörnern verhungern ſie aber in wenigen
Tagen. Dehne hatte ein Junges ſo gezähmt, daß er es in die Hand nehmen und mit ſich herum-
tragen konnte, obgleich er ihm nicht ganz trauen durfte, weil es zuweilen ſcheinbar unwiſſentlich zu
beißen verſuchte. Mit anderen Wühlmäuſen verträgt ſich die Wurzelmaus nicht. Sobald man zwei
zuſammenſteckt, entſteht ein wüthender Kampf, und die Schwächere muß, wenn ſie nicht baldigſt abge-
trennt wird, der Stärkeren regelmäßig unterliegen.
Die Lemminge (Myodes) ſind unter den Wühlmäuſen in Geſtalt und Weſen daſſelbe, was die
Hamſter unter den eigentlichen Mäuſen ſind. Man kennt bisjetzt etwa ein halbes Dutzend Arten
dieſer merkwürdigen Geſchöpfe, unter denen uns ſelbſtverſtändlich der norwegiſche Lemming
(Myodes Lemmus) am nächſten angeht. Er iſt eine mittelgroße Wühlmaus von ſehr gedrungenem
Körperbau mit ganz kleinem Stutzſchwänzchen. Seine Geſammtlänge beträgt 6 Zoll; der Schwanz
iſt blos ¾ Zoll lang. Die Naſe iſt behaart, die Oberlippe tief geſpalten und mit kurzen
Schnurren beſetzt; die Ohren ſind klein rundlich und ganz im Pelze verſteckt; an den fünfzehigen
Füßen ſitzen große Scharrkrallen, namentlich an dem Vorderpaare, und dieſe ſind beim Männ-
chen gewöhnlich größer, als beim Weibchen. Der reiche und lange Pelz iſt ſehr anſprechend
gezeichnet. Von der braungelben, im Nacken gewäſſerten Grundfärbung heben ſich dunkle Flecken
ab. Der Schwanz und die Pfoten ſind gelb; von den Augen laufen zwei gelbe Streifen nach
dem Hinterkopf; die Unterſeite iſt einfach gelb, faſt ſandfarbig.
Der Lemming iſt unbedingt das räthſelhafteſte Thier ganz Skandinaviens. Noch heute
glauben die Bauern der Gebirgsgegenden, daß er von dem Himmel herabgeregnet werde und
deshalb in ſo ungeheuerer Menge auftrete, ſpäter aber wegen ſeiner Freßgier ſich den Magen ver-
derbe und zu Grunde gehen müſſe. Olaus Magnus, der bekannte Biſchof von Upſala,
erwähnt des Thieres zuerſt. Er ſagt, daß er im Jahre 1518 durch einen Wald geritten ſei
und dort eine ſo große Anzahl Hermeline geſehen habe, daß ſie den ganzen Wald mit ihrem
Geſtank erfüllt hätten. Hieran wären kleine vierfüßige Thiere mit Namen Lemar Schuld ge-
weſen, welche zuweilen bei plötzlichem Gewitter und Regen vom Himmel fielen: — man wiſſe
nicht, ob aus entfernten Jnſeln hergetrieben oder in den Wolken erzeugt. „Dieſe Thiere,
welche wie die Heuſchrecken in ungeheuren Schwärmen auftreten, zerſtören alles Grüne, und
was ſie einmal angebiſſen haben, ſtirbt ab, wie vergiftet. Sie leben, ſolange ſie nicht friſch-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/180>, abgerufen am 29.11.2024.
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