Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Quastenstachler.
Wied mittheilt, glauben die Jndianer, daß die Mutter keine Zitzen habe und deshalb ihre Jungen
nicht säugen könne. Sie sei in Folge dessen genöthigt, die Neugeborenen sofort nach ihrer Geburt
von sich zu treiben und zwinge sie hierdurch, vom ersten Tage ihres Lebens an die harte, nagende
Arbeit zu beginnen.

Die Jungen, welche aus dem Neste genommen und in Gefangenschaft gehalten werden, gewöh-
nen sich bald an ihren Herrn und an die Umgebung. Man ernährt sie mit allerhand Pflanzenstoffen,
auch verzehren sie Brod sehr gern. Wenn man sie im Garten frei umherlaufen läßt, besteigen sie die
Bäume und fressen hier Schale und Blätter. Audubon erzählt, daß sein Gefangener nur dann
sich erzürnt habe, wenn man ihn von einem Baume des Gartens, den er regelmäßig bestieg, ent-
fernen wollte. Die Haltung des Thieres verursacht keine Schwierigkeiten; doch verträgt es größere
Hitze nicht. "Als der Frühling vorschritt," berichtet Audubon, "überzeugten wir uns, daß unser
armes Stachelschwein nicht für warme Länder geschaffen war. Wenn es heiß wurde, litt es so, daß
wir es immer in seine canadischen Wälder zurückwünschten. Es lag den ganzen Tag über keuchend
in seinem Käfig, schien bewegungslos und elend, verlor seine Eßlust und verschmähete alle Nahrung.
Schließlich brachten wir es nach seinem geliebten Baume und dort begann es auch sofort, Rinde ab-
zunagen. Wir betrachteten Dies als ein günstiges Zeichen; aber am andern Morgen war es
verendet."

Der Urson wird von Jahr zu Jahr seltener. "Jm westlichen Connecticut," so erzählt William
Case unserm Audubon, "war das Thier noch vor einigen Jahren so häufig, daß ein Jäger sieben
oder acht gelegentlich der Eichhornjagd im Laufe eines Nachmittags erlegen konnte, und zwar in einer
Entfernung von drei oder vier Meilen von der Stadt, während man jetzt vielleicht nicht ein Einziges
dort finden würde. Sie werden mit erstaunlicher Schnelligkeit ausgerottet, hauptsächlich aus Rache
von den Jägern wegen der Verletzungen, welche sie den Jagdhunden beibringen.

Außer dem Menschen dürften nur wenige Feinde dem wohlgewaffneten Thiere gefährlich werden.
Audubon erheielt einen canadischen Luchs, welcher den Angriff auf ein Stachelschwein hatte schwer
büßen müssen. Das Raubthier war dem Tode nahe, sein Kopf heftig entzündet und der Mund voll
von den scharfen Stacheln. Derselbe Naturforscher hörte wiederholt, daß Hunde, Wölfe, ja selbst
Jaguare an ähnlichen Verletzungen zu Grunde gegangen sind.

Den erlegten Urson wissen nur die Jndianer entsprechend zu benutzen. Das Fleisch des Thieres
wird von ihnen sehr gern gegessen und soll auch den Weißen munden. Das Fell ist, nachdem die
Stacheln entfernt sind, seiner angenehmen Weiche halber brauchbar, die Stacheln werden von den
Wilden vorzugsweise zum Schmuck ihrer Jagdtasche, Stiefeln u. s. w. verwendet.



Die zweite, kaum minder zahlreiche Gruppe der Stachelschweine enthält die Arten, welche auf
den Boden gebannt sind. Sie unterscheiden sich von den bisher Genannten durch den Mangel des
Greifschwanzes, die längeren und stärkeren Stacheln und die kräftigen Grabklauen, sowie durch
Eigenthümlichkeiten ihres Gebisses. Die verschiedenen Arten bewohnen die wärmeren Länder der
alten Welt.

Wie es scheint, hat man die Quastenstachler (Atherura) als die vollkommensten Erdstachel-
schweine zu betrachten. Sie sind verhältnißmäßig Uein, haben kurze, nackte Ohren, vierzehige
Vordersüße mit kleinerer Daumenwarze, fünfzehige Hinterfüße und einen langen Schwanz, welcher
theilweise mit Schuppen bekleidet ist und am Ende eine pinselförmige Quaste aus Horngebilde trägt,
welche weder Stacheln, noch Haare, noch Borsten sind, sondern eher Pergamentstreifen ähneln,
welche von einem launenhaften Menschen ausgeschnitten worden. Diese Gebilde sind gleich breit,
lanzettartig, bald mehrfach eingeschnürt und wieder erweitert. Sie stehen dicht neben einander und
ragen ziemlich weit über das Ende des Schwanzes hinaus. Die Stacheln, welche Rücken und Seiten

Die Quaſtenſtachler.
Wied mittheilt, glauben die Jndianer, daß die Mutter keine Zitzen habe und deshalb ihre Jungen
nicht ſäugen könne. Sie ſei in Folge deſſen genöthigt, die Neugeborenen ſofort nach ihrer Geburt
von ſich zu treiben und zwinge ſie hierdurch, vom erſten Tage ihres Lebens an die harte, nagende
Arbeit zu beginnen.

Die Jungen, welche aus dem Neſte genommen und in Gefangenſchaft gehalten werden, gewöh-
nen ſich bald an ihren Herrn und an die Umgebung. Man ernährt ſie mit allerhand Pflanzenſtoffen,
auch verzehren ſie Brod ſehr gern. Wenn man ſie im Garten frei umherlaufen läßt, beſteigen ſie die
Bäume und freſſen hier Schale und Blätter. Audubon erzählt, daß ſein Gefangener nur dann
ſich erzürnt habe, wenn man ihn von einem Baume des Gartens, den er regelmäßig beſtieg, ent-
fernen wollte. Die Haltung des Thieres verurſacht keine Schwierigkeiten; doch verträgt es größere
Hitze nicht. „Als der Frühling vorſchritt,‟ berichtet Audubon, „überzeugten wir uns, daß unſer
armes Stachelſchwein nicht für warme Länder geſchaffen war. Wenn es heiß wurde, litt es ſo, daß
wir es immer in ſeine canadiſchen Wälder zurückwünſchten. Es lag den ganzen Tag über keuchend
in ſeinem Käfig, ſchien bewegungslos und elend, verlor ſeine Eßluſt und verſchmähete alle Nahrung.
Schließlich brachten wir es nach ſeinem geliebten Baume und dort begann es auch ſofort, Rinde ab-
zunagen. Wir betrachteten Dies als ein günſtiges Zeichen; aber am andern Morgen war es
verendet.‟

Der Urſon wird von Jahr zu Jahr ſeltener. „Jm weſtlichen Connecticut,‟ ſo erzählt William
Caſe unſerm Audubon, „war das Thier noch vor einigen Jahren ſo häufig, daß ein Jäger ſieben
oder acht gelegentlich der Eichhornjagd im Laufe eines Nachmittags erlegen konnte, und zwar in einer
Entfernung von drei oder vier Meilen von der Stadt, während man jetzt vielleicht nicht ein Einziges
dort finden würde. Sie werden mit erſtaunlicher Schnelligkeit ausgerottet, hauptſächlich aus Rache
von den Jägern wegen der Verletzungen, welche ſie den Jagdhunden beibringen.

Außer dem Menſchen dürften nur wenige Feinde dem wohlgewaffneten Thiere gefährlich werden.
Audubon erheielt einen canadiſchen Luchs, welcher den Angriff auf ein Stachelſchwein hatte ſchwer
büßen müſſen. Das Raubthier war dem Tode nahe, ſein Kopf heftig entzündet und der Mund voll
von den ſcharfen Stacheln. Derſelbe Naturforſcher hörte wiederholt, daß Hunde, Wölfe, ja ſelbſt
Jaguare an ähnlichen Verletzungen zu Grunde gegangen ſind.

Den erlegten Urſon wiſſen nur die Jndianer entſprechend zu benutzen. Das Fleiſch des Thieres
wird von ihnen ſehr gern gegeſſen und ſoll auch den Weißen munden. Das Fell iſt, nachdem die
Stacheln entfernt ſind, ſeiner angenehmen Weiche halber brauchbar, die Stacheln werden von den
Wilden vorzugsweiſe zum Schmuck ihrer Jagdtaſche, Stiefeln u. ſ. w. verwendet.



Die zweite, kaum minder zahlreiche Gruppe der Stachelſchweine enthält die Arten, welche auf
den Boden gebannt ſind. Sie unterſcheiden ſich von den bisher Genannten durch den Mangel des
Greifſchwanzes, die längeren und ſtärkeren Stacheln und die kräftigen Grabklauen, ſowie durch
Eigenthümlichkeiten ihres Gebiſſes. Die verſchiedenen Arten bewohnen die wärmeren Länder der
alten Welt.

Wie es ſcheint, hat man die Quaſtenſtachler (Atherura) als die vollkommenſten Erdſtachel-
ſchweine zu betrachten. Sie ſind verhältnißmäßig Uein, haben kurze, nackte Ohren, vierzehige
Vorderſüße mit kleinerer Daumenwarze, fünfzehige Hinterfüße und einen langen Schwanz, welcher
theilweiſe mit Schuppen bekleidet iſt und am Ende eine pinſelförmige Quaſte aus Horngebilde trägt,
welche weder Stacheln, noch Haare, noch Borſten ſind, ſondern eher Pergamentſtreifen ähneln,
welche von einem launenhaften Menſchen ausgeſchnitten worden. Dieſe Gebilde ſind gleich breit,
lanzettartig, bald mehrfach eingeſchnürt und wieder erweitert. Sie ſtehen dicht neben einander und
ragen ziemlich weit über das Ende des Schwanzes hinaus. Die Stacheln, welche Rücken und Seiten

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0241" n="223"/><fw place="top" type="header">Die Qua&#x017F;ten&#x017F;tachler.</fw><lb/><hi rendition="#g">Wied</hi> mittheilt, glauben die Jndianer, daß die Mutter keine Zitzen habe und deshalb ihre Jungen<lb/>
nicht &#x017F;äugen könne. Sie &#x017F;ei in Folge de&#x017F;&#x017F;en genöthigt, die Neugeborenen &#x017F;ofort nach ihrer Geburt<lb/>
von &#x017F;ich zu treiben und zwinge &#x017F;ie hierdurch, vom er&#x017F;ten Tage ihres Lebens an die harte, nagende<lb/>
Arbeit zu beginnen.</p><lb/>
              <p>Die Jungen, welche aus dem Ne&#x017F;te genommen und in Gefangen&#x017F;chaft gehalten werden, gewöh-<lb/>
nen &#x017F;ich bald an ihren Herrn und an die Umgebung. Man ernährt &#x017F;ie mit allerhand Pflanzen&#x017F;toffen,<lb/>
auch verzehren &#x017F;ie Brod &#x017F;ehr gern. Wenn man &#x017F;ie im Garten frei umherlaufen läßt, be&#x017F;teigen &#x017F;ie die<lb/>
Bäume und fre&#x017F;&#x017F;en hier Schale und Blätter. <hi rendition="#g">Audubon</hi> erzählt, daß &#x017F;ein Gefangener nur dann<lb/>
&#x017F;ich erzürnt habe, wenn man ihn von einem Baume des Gartens, den er regelmäßig be&#x017F;tieg, ent-<lb/>
fernen wollte. Die Haltung des Thieres verur&#x017F;acht keine Schwierigkeiten; doch verträgt es größere<lb/>
Hitze nicht. &#x201E;Als der Frühling vor&#x017F;chritt,&#x201F; berichtet <hi rendition="#g">Audubon,</hi> &#x201E;überzeugten wir uns, daß un&#x017F;er<lb/>
armes Stachel&#x017F;chwein nicht für warme Länder ge&#x017F;chaffen war. Wenn es heiß wurde, litt es &#x017F;o, daß<lb/>
wir es immer in &#x017F;eine canadi&#x017F;chen Wälder zurückwün&#x017F;chten. Es lag den ganzen Tag über keuchend<lb/>
in &#x017F;einem Käfig, &#x017F;chien bewegungslos und elend, verlor &#x017F;eine Eßlu&#x017F;t und ver&#x017F;chmähete alle Nahrung.<lb/>
Schließlich brachten wir es nach &#x017F;einem geliebten Baume und dort begann es auch &#x017F;ofort, Rinde ab-<lb/>
zunagen. Wir betrachteten Dies als ein gün&#x017F;tiges Zeichen; aber am andern Morgen war es<lb/>
verendet.&#x201F;</p><lb/>
              <p>Der Ur&#x017F;on wird von Jahr zu Jahr &#x017F;eltener. &#x201E;Jm we&#x017F;tlichen Connecticut,&#x201F; &#x017F;o erzählt William<lb/><hi rendition="#g">Ca&#x017F;e</hi> un&#x017F;erm <hi rendition="#g">Audubon,</hi> &#x201E;war das Thier noch vor einigen Jahren &#x017F;o häufig, daß ein Jäger &#x017F;ieben<lb/>
oder acht gelegentlich der Eichhornjagd im Laufe eines Nachmittags erlegen konnte, und zwar in einer<lb/>
Entfernung von drei oder vier Meilen von der Stadt, während man jetzt vielleicht nicht ein Einziges<lb/>
dort finden würde. Sie werden mit er&#x017F;taunlicher Schnelligkeit ausgerottet, haupt&#x017F;ächlich aus Rache<lb/>
von den Jägern wegen der Verletzungen, welche &#x017F;ie den Jagdhunden beibringen.</p><lb/>
              <p>Außer dem Men&#x017F;chen dürften nur wenige Feinde dem wohlgewaffneten Thiere gefährlich werden.<lb/><hi rendition="#g">Audubon</hi> erheielt einen canadi&#x017F;chen Luchs, welcher den Angriff auf ein Stachel&#x017F;chwein hatte &#x017F;chwer<lb/>
büßen mü&#x017F;&#x017F;en. Das Raubthier war dem Tode nahe, &#x017F;ein Kopf heftig entzündet und der Mund voll<lb/>
von den &#x017F;charfen Stacheln. Der&#x017F;elbe Naturfor&#x017F;cher hörte wiederholt, daß Hunde, Wölfe, ja &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
Jaguare an ähnlichen Verletzungen zu Grunde gegangen &#x017F;ind.</p><lb/>
              <p>Den erlegten Ur&#x017F;on wi&#x017F;&#x017F;en nur die Jndianer ent&#x017F;prechend zu benutzen. Das Flei&#x017F;ch des Thieres<lb/>
wird von ihnen &#x017F;ehr gern gege&#x017F;&#x017F;en und &#x017F;oll auch den Weißen munden. Das Fell i&#x017F;t, nachdem die<lb/>
Stacheln entfernt &#x017F;ind, &#x017F;einer angenehmen Weiche halber brauchbar, die Stacheln werden von den<lb/>
Wilden vorzugswei&#x017F;e zum Schmuck ihrer Jagdta&#x017F;che, Stiefeln u. &#x017F;. w. verwendet.</p><lb/>
              <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
              <p>Die zweite, kaum minder zahlreiche Gruppe der Stachel&#x017F;chweine enthält die Arten, welche auf<lb/>
den Boden gebannt &#x017F;ind. Sie unter&#x017F;cheiden &#x017F;ich von den bisher Genannten durch den Mangel des<lb/>
Greif&#x017F;chwanzes, die längeren und &#x017F;tärkeren Stacheln und die kräftigen Grabklauen, &#x017F;owie durch<lb/>
Eigenthümlichkeiten ihres Gebi&#x017F;&#x017F;es. Die ver&#x017F;chiedenen Arten bewohnen die wärmeren Länder der<lb/>
alten Welt.</p><lb/>
              <p>Wie es &#x017F;cheint, hat man die <hi rendition="#g">Qua&#x017F;ten&#x017F;tachler</hi> (<hi rendition="#aq">Atherura</hi>) als die vollkommen&#x017F;ten Erd&#x017F;tachel-<lb/>
&#x017F;chweine zu betrachten. Sie &#x017F;ind verhältnißmäßig Uein, haben kurze, nackte Ohren, vierzehige<lb/>
Vorder&#x017F;üße mit kleinerer Daumenwarze, fünfzehige Hinterfüße und einen langen Schwanz, welcher<lb/>
theilwei&#x017F;e mit Schuppen bekleidet i&#x017F;t und am Ende eine pin&#x017F;elförmige Qua&#x017F;te aus Horngebilde trägt,<lb/>
welche weder Stacheln, noch Haare, noch Bor&#x017F;ten &#x017F;ind, &#x017F;ondern eher Pergament&#x017F;treifen ähneln,<lb/>
welche von einem launenhaften Men&#x017F;chen ausge&#x017F;chnitten worden. Die&#x017F;e Gebilde &#x017F;ind gleich breit,<lb/>
lanzettartig, bald mehrfach einge&#x017F;chnürt und wieder erweitert. Sie &#x017F;tehen dicht neben einander und<lb/>
ragen ziemlich weit über das Ende des Schwanzes hinaus. Die Stacheln, welche Rücken und Seiten<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[223/0241] Die Quaſtenſtachler. Wied mittheilt, glauben die Jndianer, daß die Mutter keine Zitzen habe und deshalb ihre Jungen nicht ſäugen könne. Sie ſei in Folge deſſen genöthigt, die Neugeborenen ſofort nach ihrer Geburt von ſich zu treiben und zwinge ſie hierdurch, vom erſten Tage ihres Lebens an die harte, nagende Arbeit zu beginnen. Die Jungen, welche aus dem Neſte genommen und in Gefangenſchaft gehalten werden, gewöh- nen ſich bald an ihren Herrn und an die Umgebung. Man ernährt ſie mit allerhand Pflanzenſtoffen, auch verzehren ſie Brod ſehr gern. Wenn man ſie im Garten frei umherlaufen läßt, beſteigen ſie die Bäume und freſſen hier Schale und Blätter. Audubon erzählt, daß ſein Gefangener nur dann ſich erzürnt habe, wenn man ihn von einem Baume des Gartens, den er regelmäßig beſtieg, ent- fernen wollte. Die Haltung des Thieres verurſacht keine Schwierigkeiten; doch verträgt es größere Hitze nicht. „Als der Frühling vorſchritt,‟ berichtet Audubon, „überzeugten wir uns, daß unſer armes Stachelſchwein nicht für warme Länder geſchaffen war. Wenn es heiß wurde, litt es ſo, daß wir es immer in ſeine canadiſchen Wälder zurückwünſchten. Es lag den ganzen Tag über keuchend in ſeinem Käfig, ſchien bewegungslos und elend, verlor ſeine Eßluſt und verſchmähete alle Nahrung. Schließlich brachten wir es nach ſeinem geliebten Baume und dort begann es auch ſofort, Rinde ab- zunagen. Wir betrachteten Dies als ein günſtiges Zeichen; aber am andern Morgen war es verendet.‟ Der Urſon wird von Jahr zu Jahr ſeltener. „Jm weſtlichen Connecticut,‟ ſo erzählt William Caſe unſerm Audubon, „war das Thier noch vor einigen Jahren ſo häufig, daß ein Jäger ſieben oder acht gelegentlich der Eichhornjagd im Laufe eines Nachmittags erlegen konnte, und zwar in einer Entfernung von drei oder vier Meilen von der Stadt, während man jetzt vielleicht nicht ein Einziges dort finden würde. Sie werden mit erſtaunlicher Schnelligkeit ausgerottet, hauptſächlich aus Rache von den Jägern wegen der Verletzungen, welche ſie den Jagdhunden beibringen. Außer dem Menſchen dürften nur wenige Feinde dem wohlgewaffneten Thiere gefährlich werden. Audubon erheielt einen canadiſchen Luchs, welcher den Angriff auf ein Stachelſchwein hatte ſchwer büßen müſſen. Das Raubthier war dem Tode nahe, ſein Kopf heftig entzündet und der Mund voll von den ſcharfen Stacheln. Derſelbe Naturforſcher hörte wiederholt, daß Hunde, Wölfe, ja ſelbſt Jaguare an ähnlichen Verletzungen zu Grunde gegangen ſind. Den erlegten Urſon wiſſen nur die Jndianer entſprechend zu benutzen. Das Fleiſch des Thieres wird von ihnen ſehr gern gegeſſen und ſoll auch den Weißen munden. Das Fell iſt, nachdem die Stacheln entfernt ſind, ſeiner angenehmen Weiche halber brauchbar, die Stacheln werden von den Wilden vorzugsweiſe zum Schmuck ihrer Jagdtaſche, Stiefeln u. ſ. w. verwendet. Die zweite, kaum minder zahlreiche Gruppe der Stachelſchweine enthält die Arten, welche auf den Boden gebannt ſind. Sie unterſcheiden ſich von den bisher Genannten durch den Mangel des Greifſchwanzes, die längeren und ſtärkeren Stacheln und die kräftigen Grabklauen, ſowie durch Eigenthümlichkeiten ihres Gebiſſes. Die verſchiedenen Arten bewohnen die wärmeren Länder der alten Welt. Wie es ſcheint, hat man die Quaſtenſtachler (Atherura) als die vollkommenſten Erdſtachel- ſchweine zu betrachten. Sie ſind verhältnißmäßig Uein, haben kurze, nackte Ohren, vierzehige Vorderſüße mit kleinerer Daumenwarze, fünfzehige Hinterfüße und einen langen Schwanz, welcher theilweiſe mit Schuppen bekleidet iſt und am Ende eine pinſelförmige Quaſte aus Horngebilde trägt, welche weder Stacheln, noch Haare, noch Borſten ſind, ſondern eher Pergamentſtreifen ähneln, welche von einem launenhaften Menſchen ausgeſchnitten worden. Dieſe Gebilde ſind gleich breit, lanzettartig, bald mehrfach eingeſchnürt und wieder erweitert. Sie ſtehen dicht neben einander und ragen ziemlich weit über das Ende des Schwanzes hinaus. Die Stacheln, welche Rücken und Seiten

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/241
Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 223. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/241>, abgerufen am 23.11.2024.