wird es eingefangen, an einen Pfahl gebunden, und trotz seines Widerstrebens gesattelt und ge- zäumt. Nun wird es vom Pfahle losgemacht; im nämlichen Augenblicke aber schwingt sich ein Pferdebändiger, welcher mit sehr großen und scharfen Sporen und einer starken Peitsche bewaffnet ist, auf seinen Rücken und tummelt das arme Geschöpf unter Sporenstreichen und Peitschenhieben solange auf dem Felde herum, bis es sich vor Müdigkeit nicht mehr widersetzen kann und der Lenkung seines Reiters folgt. Man wiederholt diese Uebungen von Zeit zu Zeit, und das Pferd heißt zahm, sobald es keinen Bocksprung mehr macht. Es ist erklärlich, daß bei einer solchen Behandlung sehr viele Pferde störrisch und bösartig werden, ausschlagen, Seitensprünge machen, sich bäumen bis zum Ueberschlagen, kurz, den Reiter abzuwerfen suchen; bei sanfter Behandlung dagegen wird das Pferd, selbst wenn man es früher gemißhandelt hatte, äußerst lenksam und zuthunlich, läßt sich auf der Weide leicht fangen und unterzieht sich willig den stärksten Anstrengungen. Kranke oder schwäch- liche Pferde und auch solche, welche als Füllen von einem Jaguar verwundet wurden, sind fast un- brauchbar; jene können den Ansprüchen der Südamerikaner nicht entsprechen, diese entsetzen sich vor jedem lebenden Wesen."
"Bewunderungswürdig ist das Gedächtniß dieser Pferde. Einzelne, welche nur ein Mal den Weg von Billa Real nach den Missionen gemacht hatten, kehrten aus den letzteren nach mehreren Monaten auf dem nämlichen, mehr als funfzig Meilen langen Wege nach Villa Real zurück. Wenn in der Regenzeit des Herbstes alle Wege voller Wasser, voller Pfützen und bodenloser Stellen und alle Bäche angeschwollen sind, wird doch ein gutes Pferd, welches diese Wege schon einige Male zurück- gelegt hat, seinen Reiter nicht nur bei Tage, sondern auch bei Nacht sicher durch alle diese oft gefähr- lichen Strecken tragen. Wenn es nicht angetrieben wird, geht es immer mit größter Bedächtigkeit zu Werke, und Dies umsomehr, je weniger ihm die Gegend bekannt ist. Jn sumpfigen Stellen be- riecht es bei jedem Schritte den Boden und untersucht ihn beständig mit den Vorderhufen. Diese Bedächtigkeit ist keineswegs Mangel an Muth; denn das paraguanische Pferd ist sehr beherzt und stürzt sich, wenn es von einem kräftigen Reiter gelenkt wird, ohne Zaudern in jede Gefahr. Es geht dem wüthenden Stiere und selbst dem Jaguar entgegen, springt vom schroffen Ufer in die Flüsse und durchschneidet im vollen Laufe die Feuerlinie einer brennenden Steppe."
"Jm ganzen sind diese Pferde wenig Krankheiten unterworfen. Wenn sie gute Nahrung erhalten und nicht übermäßig angestrengt werden, erreichen sie ein ebenso hohes Alter, wie die Pferde in Europa; da ihnen gewöhnlich aber weder gutes Futter, noch gute Behandlung zu Theil wird, kann man ein zwölfjähriges Pferd schon für alt ansehen. Die Bewohner Paraguays nützen übrigens die Pferde durchaus nicht in dem Grade, wie wir. Sie halten sie hauptsächlich der Fortpflanzung wegen und machen eigentlich blos von den Wallachen Gebrauch. Dennoch findet man nirgends mehr berittene Leute, als in Paraguay. Das Pferd dient dazu, der angeborenen Trägheit seines Herrn zu fröhnen, indem dieser hundert kleine Verrichtungen, die er weit schneller zu Fuße vornehmen würde, seiner Bequemlichkeit wegen zu Pferde ausführt. Es ist ein gewöhnlicher Ausruf der Paraguaner: "Was wäre der Mensch ohne das Pferd!"
Jn den weiter nach Norden hin gelegenen Llanos sind die verwilderten Pferde meist zahlreicher, als in den Pampas von Buenos Ayres. Jhr Leben hat uns Alexander von Humboldt in seinen herrlichen "Ansichten der Natur" mit kurzen Worten meisterhaft geschildert. "Wenn im Sommer unter dem senkrechten Strahl der niebewölkten Sonne die Grasdecke jener unermeßlichen Ebenen gänzlich verkohlt ist und in Staub zerfällt, klafft allmählich der Boden auf, als wäre er von mäch- tigen Erdstößen zerrissen. Jn dichte Staubwolken gehüllt und von Hunger und brennendem Durste geängstet, schweifen die Pferde und Rinder umher, erstere mit langgestrecktem Halse, hoch gegen den Wind aufschnaubend, um durch die Feuchtigkeit des Luftstromes die Nähe einer noch nicht ganz verdampften Lache zu errathen. Bedächtiger und verschlagener suchen die Maulthiere auf andere Art ihren Durst zu lindern. Eine kugelförmige und dabei vielrippige Pflanze, der Melonenkaktus, ver- schließt unter seiner stachlichten Hülle ein wasserreiches Mark. Mit den Vorderfüßen schlägt das Maul-
Muſtangs.
wird es eingefangen, an einen Pfahl gebunden, und trotz ſeines Widerſtrebens geſattelt und ge- zäumt. Nun wird es vom Pfahle losgemacht; im nämlichen Augenblicke aber ſchwingt ſich ein Pferdebändiger, welcher mit ſehr großen und ſcharfen Sporen und einer ſtarken Peitſche bewaffnet iſt, auf ſeinen Rücken und tummelt das arme Geſchöpf unter Sporenſtreichen und Peitſchenhieben ſolange auf dem Felde herum, bis es ſich vor Müdigkeit nicht mehr widerſetzen kann und der Lenkung ſeines Reiters folgt. Man wiederholt dieſe Uebungen von Zeit zu Zeit, und das Pferd heißt zahm, ſobald es keinen Bockſprung mehr macht. Es iſt erklärlich, daß bei einer ſolchen Behandlung ſehr viele Pferde ſtörriſch und bösartig werden, ausſchlagen, Seitenſprünge machen, ſich bäumen bis zum Ueberſchlagen, kurz, den Reiter abzuwerfen ſuchen; bei ſanfter Behandlung dagegen wird das Pferd, ſelbſt wenn man es früher gemißhandelt hatte, äußerſt lenkſam und zuthunlich, läßt ſich auf der Weide leicht fangen und unterzieht ſich willig den ſtärkſten Anſtrengungen. Kranke oder ſchwäch- liche Pferde und auch ſolche, welche als Füllen von einem Jaguar verwundet wurden, ſind faſt un- brauchbar; jene können den Anſprüchen der Südamerikaner nicht entſprechen, dieſe entſetzen ſich vor jedem lebenden Weſen.‟
„Bewunderungswürdig iſt das Gedächtniß dieſer Pferde. Einzelne, welche nur ein Mal den Weg von Billa Real nach den Miſſionen gemacht hatten, kehrten aus den letzteren nach mehreren Monaten auf dem nämlichen, mehr als funfzig Meilen langen Wege nach Villa Real zurück. Wenn in der Regenzeit des Herbſtes alle Wege voller Waſſer, voller Pfützen und bodenloſer Stellen und alle Bäche angeſchwollen ſind, wird doch ein gutes Pferd, welches dieſe Wege ſchon einige Male zurück- gelegt hat, ſeinen Reiter nicht nur bei Tage, ſondern auch bei Nacht ſicher durch alle dieſe oft gefähr- lichen Strecken tragen. Wenn es nicht angetrieben wird, geht es immer mit größter Bedächtigkeit zu Werke, und Dies umſomehr, je weniger ihm die Gegend bekannt iſt. Jn ſumpfigen Stellen be- riecht es bei jedem Schritte den Boden und unterſucht ihn beſtändig mit den Vorderhufen. Dieſe Bedächtigkeit iſt keineswegs Mangel an Muth; denn das paraguaniſche Pferd iſt ſehr beherzt und ſtürzt ſich, wenn es von einem kräftigen Reiter gelenkt wird, ohne Zaudern in jede Gefahr. Es geht dem wüthenden Stiere und ſelbſt dem Jaguar entgegen, ſpringt vom ſchroffen Ufer in die Flüſſe und durchſchneidet im vollen Laufe die Feuerlinie einer brennenden Steppe.‟
„Jm ganzen ſind dieſe Pferde wenig Krankheiten unterworfen. Wenn ſie gute Nahrung erhalten und nicht übermäßig angeſtrengt werden, erreichen ſie ein ebenſo hohes Alter, wie die Pferde in Europa; da ihnen gewöhnlich aber weder gutes Futter, noch gute Behandlung zu Theil wird, kann man ein zwölfjähriges Pferd ſchon für alt anſehen. Die Bewohner Paraguays nützen übrigens die Pferde durchaus nicht in dem Grade, wie wir. Sie halten ſie hauptſächlich der Fortpflanzung wegen und machen eigentlich blos von den Wallachen Gebrauch. Dennoch findet man nirgends mehr berittene Leute, als in Paraguay. Das Pferd dient dazu, der angeborenen Trägheit ſeines Herrn zu fröhnen, indem dieſer hundert kleine Verrichtungen, die er weit ſchneller zu Fuße vornehmen würde, ſeiner Bequemlichkeit wegen zu Pferde ausführt. Es iſt ein gewöhnlicher Ausruf der Paraguaner: „Was wäre der Menſch ohne das Pferd!‟
Jn den weiter nach Norden hin gelegenen Llanos ſind die verwilderten Pferde meiſt zahlreicher, als in den Pampas von Buenos Ayres. Jhr Leben hat uns Alexander von Humboldt in ſeinen herrlichen „Anſichten der Natur‟ mit kurzen Worten meiſterhaft geſchildert. „Wenn im Sommer unter dem ſenkrechten Strahl der niebewölkten Sonne die Grasdecke jener unermeßlichen Ebenen gänzlich verkohlt iſt und in Staub zerfällt, klafft allmählich der Boden auf, als wäre er von mäch- tigen Erdſtößen zerriſſen. Jn dichte Staubwolken gehüllt und von Hunger und brennendem Durſte geängſtet, ſchweifen die Pferde und Rinder umher, erſtere mit langgeſtrecktem Halſe, hoch gegen den Wind aufſchnaubend, um durch die Feuchtigkeit des Luftſtromes die Nähe einer noch nicht ganz verdampften Lache zu errathen. Bedächtiger und verſchlagener ſuchen die Maulthiere auf andere Art ihren Durſt zu lindern. Eine kugelförmige und dabei vielrippige Pflanze, der Melonenkaktus, ver- ſchließt unter ſeiner ſtachlichten Hülle ein waſſerreiches Mark. Mit den Vorderfüßen ſchlägt das Maul-
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Muſtangs.
wird es eingefangen, an einen Pfahl gebunden, und trotz ſeines Widerſtrebens geſattelt und ge-
zäumt. Nun wird es vom Pfahle losgemacht; im nämlichen Augenblicke aber ſchwingt ſich ein
Pferdebändiger, welcher mit ſehr großen und ſcharfen Sporen und einer ſtarken Peitſche bewaffnet
iſt, auf ſeinen Rücken und tummelt das arme Geſchöpf unter Sporenſtreichen und Peitſchenhieben
ſolange auf dem Felde herum, bis es ſich vor Müdigkeit nicht mehr widerſetzen kann und der Lenkung
ſeines Reiters folgt. Man wiederholt dieſe Uebungen von Zeit zu Zeit, und das Pferd heißt zahm,
ſobald es keinen Bockſprung mehr macht. Es iſt erklärlich, daß bei einer ſolchen Behandlung ſehr
viele Pferde ſtörriſch und bösartig werden, ausſchlagen, Seitenſprünge machen, ſich bäumen bis
zum Ueberſchlagen, kurz, den Reiter abzuwerfen ſuchen; bei ſanfter Behandlung dagegen wird das
Pferd, ſelbſt wenn man es früher gemißhandelt hatte, äußerſt lenkſam und zuthunlich, läßt ſich auf
der Weide leicht fangen und unterzieht ſich willig den ſtärkſten Anſtrengungen. Kranke oder ſchwäch-
liche Pferde und auch ſolche, welche als Füllen von einem Jaguar verwundet wurden, ſind faſt un-
brauchbar; jene können den Anſprüchen der Südamerikaner nicht entſprechen, dieſe entſetzen ſich vor
jedem lebenden Weſen.‟
„Bewunderungswürdig iſt das Gedächtniß dieſer Pferde. Einzelne, welche nur ein Mal den
Weg von Billa Real nach den Miſſionen gemacht hatten, kehrten aus den letzteren nach mehreren
Monaten auf dem nämlichen, mehr als funfzig Meilen langen Wege nach Villa Real zurück. Wenn
in der Regenzeit des Herbſtes alle Wege voller Waſſer, voller Pfützen und bodenloſer Stellen und alle
Bäche angeſchwollen ſind, wird doch ein gutes Pferd, welches dieſe Wege ſchon einige Male zurück-
gelegt hat, ſeinen Reiter nicht nur bei Tage, ſondern auch bei Nacht ſicher durch alle dieſe oft gefähr-
lichen Strecken tragen. Wenn es nicht angetrieben wird, geht es immer mit größter Bedächtigkeit zu
Werke, und Dies umſomehr, je weniger ihm die Gegend bekannt iſt. Jn ſumpfigen Stellen be-
riecht es bei jedem Schritte den Boden und unterſucht ihn beſtändig mit den Vorderhufen. Dieſe
Bedächtigkeit iſt keineswegs Mangel an Muth; denn das paraguaniſche Pferd iſt ſehr beherzt und
ſtürzt ſich, wenn es von einem kräftigen Reiter gelenkt wird, ohne Zaudern in jede Gefahr. Es
geht dem wüthenden Stiere und ſelbſt dem Jaguar entgegen, ſpringt vom ſchroffen Ufer in die Flüſſe
und durchſchneidet im vollen Laufe die Feuerlinie einer brennenden Steppe.‟
„Jm ganzen ſind dieſe Pferde wenig Krankheiten unterworfen. Wenn ſie gute Nahrung erhalten
und nicht übermäßig angeſtrengt werden, erreichen ſie ein ebenſo hohes Alter, wie die Pferde in Europa;
da ihnen gewöhnlich aber weder gutes Futter, noch gute Behandlung zu Theil wird, kann man ein
zwölfjähriges Pferd ſchon für alt anſehen. Die Bewohner Paraguays nützen übrigens die Pferde
durchaus nicht in dem Grade, wie wir. Sie halten ſie hauptſächlich der Fortpflanzung wegen und
machen eigentlich blos von den Wallachen Gebrauch. Dennoch findet man nirgends mehr berittene
Leute, als in Paraguay. Das Pferd dient dazu, der angeborenen Trägheit ſeines Herrn zu
fröhnen, indem dieſer hundert kleine Verrichtungen, die er weit ſchneller zu Fuße vornehmen würde,
ſeiner Bequemlichkeit wegen zu Pferde ausführt. Es iſt ein gewöhnlicher Ausruf der Paraguaner:
„Was wäre der Menſch ohne das Pferd!‟
Jn den weiter nach Norden hin gelegenen Llanos ſind die verwilderten Pferde meiſt zahlreicher,
als in den Pampas von Buenos Ayres. Jhr Leben hat uns Alexander von Humboldt in ſeinen
herrlichen „Anſichten der Natur‟ mit kurzen Worten meiſterhaft geſchildert. „Wenn im Sommer
unter dem ſenkrechten Strahl der niebewölkten Sonne die Grasdecke jener unermeßlichen Ebenen
gänzlich verkohlt iſt und in Staub zerfällt, klafft allmählich der Boden auf, als wäre er von mäch-
tigen Erdſtößen zerriſſen. Jn dichte Staubwolken gehüllt und von Hunger und brennendem Durſte
geängſtet, ſchweifen die Pferde und Rinder umher, erſtere mit langgeſtrecktem Halſe, hoch gegen
den Wind aufſchnaubend, um durch die Feuchtigkeit des Luftſtromes die Nähe einer noch nicht ganz
verdampften Lache zu errathen. Bedächtiger und verſchlagener ſuchen die Maulthiere auf andere Art
ihren Durſt zu lindern. Eine kugelförmige und dabei vielrippige Pflanze, der Melonenkaktus, ver-
ſchließt unter ſeiner ſtachlichten Hülle ein waſſerreiches Mark. Mit den Vorderfüßen ſchlägt das Maul-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/361>, abgerufen am 23.11.2024.
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