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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Die spanischen Stiergefechte.
einander. Der Reisende, welcher sich längere Zeit in Spanien aufhält, kann dem Schauspiele gar
nicht entgehen. Jch beschreibe ein Stiergefecht, welchem ich in Murcia beiwohnte.

Schon in den ersten Nachmittagsstunden des festlichen Sonntags drängten sich die Menschen in
den dahin führenden Straßen. Ueberfüllte Wagen aller Art kreuzten sich mit leeren, welche vom
Platze zurückkehrten, um neue Schaulustige dahinzubringen. Am Eingange des Schauplatzes drängte
sich die bunte Masse unter Fluchen und Toben, obgleich die Thüren bereits seit mehreren Stunden ge-
öffnet waren und die ärmeren Stadtbewohner, sowie die wie überall geizigen Landleute schon seit
Mittag ihre Plätze gewählt und besetzt hatten. Diese Leute mußten fünf Stunden lang die furchthare
Sonnengluth aushalten, um dann während der Vorstellung Schatten zu haben; aber sie ertrugen
Alles gern, um nur das erhabene Schauspiel in Ruhe genießen zu können. Der Anblick des Amphi-
theaters war überraschend. Die Menschenmenge verschmolz zu einem bunten Ganzen; nur die rothen
Binden der Männer der Fruchtebene und die lebhaft gefärbten Halstücher der Frauen stachen hervor.
Auf der Sonnenseite hatte man Regenschirme zum Schutz gegen das brennende Gestirn ausgespannt.
Einige junge Leute schwenkten rothe Fahnen mit daraufgestickten Ochsenköpfen und andere passende
d. h. auf das Rindvieh bezügliche Zeichen des Festes. Sehr Viele waren mit Sprachröhren versehen,
um den wüsten Lärm, welcher herrschte, noch eigenthümlicher Weise vermehren, um das Gekreisch
und Gebrüll noch vervollständigen zu können.

Unsere aufangs noch den Sonnenstrahlen ausgesetzten Plätze befanden sich hart an der zum Stier-
zwinger führenden Thüre. Links vor uns hatten wir die Pforte, durch welche die Kämpfer hereintre-
ten und die getödteten Thiere hinausgeschafft werden, rechts über uns war der Schausitz der Obrigkeit,
dicht vor uns, blos durch eine Planke getrennt, der Kampfplatz. Dieser mochte ungefähr sechzig oder
achtzig Schritte im Durchmesser halten und war ziemlich geebnet, jetzt aber voller Pfirsichkerne und
anderer Fruchtreste, welche man von oben herabgeworfen hatte und beständig noch herabwarf. Die
Planke mochte 41/2 Fuß hoch sein, an der inneren Seite hatte sie in einer Höhe von 11/2 Fuß ziemlich
breite Leisten, dazu bestimmt, den vor dem Stier fliehenden Kämpfern beim Ueberspringen Unter-
stützung zu leisten. Zwischen dieser Umhegung und den Schauplätzen war ein schmaler Gang für die
Toreros leergelassen worden, hierauf folgten "in weiter stets geschweiften Bogen" die für die Masse
bestimmten Bänke, etwa zwanzig oder dreißig an der Zahl. Hierher drängten sich noch immer Men-
schen, welche es versuchten, sich zwischen bereits Sitzende gewaltsam einzupressen. Ueber diesen Sitz-
reihen kamen die gesperrten Plätze und über ihnen endlich die Logenreihen, in welchen man die Frauen
der Stadt im höchsten Putze sehen konnte. Der Schausitz der Obrigkeit oder des vorsitzenden Alcalden
war mit rothem Damast behängt und trug das Wappen der Stadt, die übrigen waren einfacher ge-
schmückt. Auf den Dächern dieser Logen sah man noch Schaulustige in Menge. Hunderte von
Menschen standen, den Regenschirm in der Hand, da oben, wahrscheinlich, weil sie unten keine Sitze ge-
funden hatten. Erst beim Anblick dieser Menschenmenge wurde es glaublich, daß eine Arena ihre
zwölf- bis zwanzigtausend Menschen fassen kann.

Jeder Zuschauer that, was er von seinem Platze aus thun konnte, und die Bedeutung des
Sprichwortes: "Er beträgt sich, wie auf dem Platz der Stiere" wurde uns einleuchtend. Nicht ein
Einziger saß ruhig, sondern bewegte wenigstens Arme, Regenschirm, Fächer oft nach allen Richtungen
hin, schrie aus vollem Halse, warf mit Früchten um sich, kurz, bemühte sich so viel als möglich, einem
wilden Thiere gleichzukommen.

Mit dem Schlag der bestimmten Stunde erschien der Alcalde in seiner Loge. Die großen Thore
öffneten sich und die Toreros traten herein. Vor ihnen her ritt ein Alguazil in seiner uralten Amts-
tracht, auf ihn folgten die Espadas, Bandarilleros und Cacheteros, hierauf die Picadores und zuletzt
ein Gespann mit drei reichgeschmückten Maulthieren. Die Fechter waren kostbar gekleidet; sie trugen
enge, überreich gestickte Kleider und darüber rothe, mit Goldschmuck überladene Sammetmäntel; selbst
die sammetenen Beinkleider waren an den Seiten mit goldenem Laubwerk gestickt. Die kurze Jacke war
förmlich mit Silber überladen; denn man hatte dicke Platten, welche Edelsteine umfaßten, darauf ge-

Die ſpaniſchen Stiergefechte.
einander. Der Reiſende, welcher ſich längere Zeit in Spanien aufhält, kann dem Schauſpiele gar
nicht entgehen. Jch beſchreibe ein Stiergefecht, welchem ich in Murcia beiwohnte.

Schon in den erſten Nachmittagsſtunden des feſtlichen Sonntags drängten ſich die Menſchen in
den dahin führenden Straßen. Ueberfüllte Wagen aller Art kreuzten ſich mit leeren, welche vom
Platze zurückkehrten, um neue Schauluſtige dahinzubringen. Am Eingange des Schauplatzes drängte
ſich die bunte Maſſe unter Fluchen und Toben, obgleich die Thüren bereits ſeit mehreren Stunden ge-
öffnet waren und die ärmeren Stadtbewohner, ſowie die wie überall geizigen Landleute ſchon ſeit
Mittag ihre Plätze gewählt und beſetzt hatten. Dieſe Leute mußten fünf Stunden lang die furchthare
Sonnengluth aushalten, um dann während der Vorſtellung Schatten zu haben; aber ſie ertrugen
Alles gern, um nur das erhabene Schauſpiel in Ruhe genießen zu können. Der Anblick des Amphi-
theaters war überraſchend. Die Menſchenmenge verſchmolz zu einem bunten Ganzen; nur die rothen
Binden der Männer der Fruchtebene und die lebhaft gefärbten Halstücher der Frauen ſtachen hervor.
Auf der Sonnenſeite hatte man Regenſchirme zum Schutz gegen das brennende Geſtirn ausgeſpannt.
Einige junge Leute ſchwenkten rothe Fahnen mit daraufgeſtickten Ochſenköpfen und andere paſſende
d. h. auf das Rindvieh bezügliche Zeichen des Feſtes. Sehr Viele waren mit Sprachröhren verſehen,
um den wüſten Lärm, welcher herrſchte, noch eigenthümlicher Weiſe vermehren, um das Gekreiſch
und Gebrüll noch vervollſtändigen zu können.

Unſere aufangs noch den Sonnenſtrahlen ausgeſetzten Plätze befanden ſich hart an der zum Stier-
zwinger führenden Thüre. Links vor uns hatten wir die Pforte, durch welche die Kämpfer hereintre-
ten und die getödteten Thiere hinausgeſchafft werden, rechts über uns war der Schauſitz der Obrigkeit,
dicht vor uns, blos durch eine Planke getrennt, der Kampfplatz. Dieſer mochte ungefähr ſechzig oder
achtzig Schritte im Durchmeſſer halten und war ziemlich geebnet, jetzt aber voller Pfirſichkerne und
anderer Fruchtreſte, welche man von oben herabgeworfen hatte und beſtändig noch herabwarf. Die
Planke mochte 4½ Fuß hoch ſein, an der inneren Seite hatte ſie in einer Höhe von 1½ Fuß ziemlich
breite Leiſten, dazu beſtimmt, den vor dem Stier fliehenden Kämpfern beim Ueberſpringen Unter-
ſtützung zu leiſten. Zwiſchen dieſer Umhegung und den Schauplätzen war ein ſchmaler Gang für die
Toreros leergelaſſen worden, hierauf folgten „in weiter ſtets geſchweiften Bogen‟ die für die Maſſe
beſtimmten Bänke, etwa zwanzig oder dreißig an der Zahl. Hierher drängten ſich noch immer Men-
ſchen, welche es verſuchten, ſich zwiſchen bereits Sitzende gewaltſam einzupreſſen. Ueber dieſen Sitz-
reihen kamen die geſperrten Plätze und über ihnen endlich die Logenreihen, in welchen man die Frauen
der Stadt im höchſten Putze ſehen konnte. Der Schauſitz der Obrigkeit oder des vorſitzenden Alcalden
war mit rothem Damaſt behängt und trug das Wappen der Stadt, die übrigen waren einfacher ge-
ſchmückt. Auf den Dächern dieſer Logen ſah man noch Schauluſtige in Menge. Hunderte von
Menſchen ſtanden, den Regenſchirm in der Hand, da oben, wahrſcheinlich, weil ſie unten keine Sitze ge-
funden hatten. Erſt beim Anblick dieſer Menſchenmenge wurde es glaublich, daß eine Arena ihre
zwölf- bis zwanzigtauſend Menſchen faſſen kann.

Jeder Zuſchauer that, was er von ſeinem Platze aus thun konnte, und die Bedeutung des
Sprichwortes: „Er beträgt ſich, wie auf dem Platz der Stiere‟ wurde uns einleuchtend. Nicht ein
Einziger ſaß ruhig, ſondern bewegte wenigſtens Arme, Regenſchirm, Fächer oft nach allen Richtungen
hin, ſchrie aus vollem Halſe, warf mit Früchten um ſich, kurz, bemühte ſich ſo viel als möglich, einem
wilden Thiere gleichzukommen.

Mit dem Schlag der beſtimmten Stunde erſchien der Alcalde in ſeiner Loge. Die großen Thore
öffneten ſich und die Toreros traten herein. Vor ihnen her ritt ein Alguazil in ſeiner uralten Amts-
tracht, auf ihn folgten die Eſpadas, Bandarilleros und Cacheteros, hierauf die Picadores und zuletzt
ein Geſpann mit drei reichgeſchmückten Maulthieren. Die Fechter waren koſtbar gekleidet; ſie trugen
enge, überreich geſtickte Kleider und darüber rothe, mit Goldſchmuck überladene Sammetmäntel; ſelbſt
die ſammetenen Beinkleider waren an den Seiten mit goldenem Laubwerk geſtickt. Die kurze Jacke war
förmlich mit Silber überladen; denn man hatte dicke Platten, welche Edelſteine umfaßten, darauf ge-

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[679/0713] Die ſpaniſchen Stiergefechte. einander. Der Reiſende, welcher ſich längere Zeit in Spanien aufhält, kann dem Schauſpiele gar nicht entgehen. Jch beſchreibe ein Stiergefecht, welchem ich in Murcia beiwohnte. Schon in den erſten Nachmittagsſtunden des feſtlichen Sonntags drängten ſich die Menſchen in den dahin führenden Straßen. Ueberfüllte Wagen aller Art kreuzten ſich mit leeren, welche vom Platze zurückkehrten, um neue Schauluſtige dahinzubringen. Am Eingange des Schauplatzes drängte ſich die bunte Maſſe unter Fluchen und Toben, obgleich die Thüren bereits ſeit mehreren Stunden ge- öffnet waren und die ärmeren Stadtbewohner, ſowie die wie überall geizigen Landleute ſchon ſeit Mittag ihre Plätze gewählt und beſetzt hatten. Dieſe Leute mußten fünf Stunden lang die furchthare Sonnengluth aushalten, um dann während der Vorſtellung Schatten zu haben; aber ſie ertrugen Alles gern, um nur das erhabene Schauſpiel in Ruhe genießen zu können. Der Anblick des Amphi- theaters war überraſchend. Die Menſchenmenge verſchmolz zu einem bunten Ganzen; nur die rothen Binden der Männer der Fruchtebene und die lebhaft gefärbten Halstücher der Frauen ſtachen hervor. Auf der Sonnenſeite hatte man Regenſchirme zum Schutz gegen das brennende Geſtirn ausgeſpannt. Einige junge Leute ſchwenkten rothe Fahnen mit daraufgeſtickten Ochſenköpfen und andere paſſende d. h. auf das Rindvieh bezügliche Zeichen des Feſtes. Sehr Viele waren mit Sprachröhren verſehen, um den wüſten Lärm, welcher herrſchte, noch eigenthümlicher Weiſe vermehren, um das Gekreiſch und Gebrüll noch vervollſtändigen zu können. Unſere aufangs noch den Sonnenſtrahlen ausgeſetzten Plätze befanden ſich hart an der zum Stier- zwinger führenden Thüre. Links vor uns hatten wir die Pforte, durch welche die Kämpfer hereintre- ten und die getödteten Thiere hinausgeſchafft werden, rechts über uns war der Schauſitz der Obrigkeit, dicht vor uns, blos durch eine Planke getrennt, der Kampfplatz. Dieſer mochte ungefähr ſechzig oder achtzig Schritte im Durchmeſſer halten und war ziemlich geebnet, jetzt aber voller Pfirſichkerne und anderer Fruchtreſte, welche man von oben herabgeworfen hatte und beſtändig noch herabwarf. Die Planke mochte 4½ Fuß hoch ſein, an der inneren Seite hatte ſie in einer Höhe von 1½ Fuß ziemlich breite Leiſten, dazu beſtimmt, den vor dem Stier fliehenden Kämpfern beim Ueberſpringen Unter- ſtützung zu leiſten. Zwiſchen dieſer Umhegung und den Schauplätzen war ein ſchmaler Gang für die Toreros leergelaſſen worden, hierauf folgten „in weiter ſtets geſchweiften Bogen‟ die für die Maſſe beſtimmten Bänke, etwa zwanzig oder dreißig an der Zahl. Hierher drängten ſich noch immer Men- ſchen, welche es verſuchten, ſich zwiſchen bereits Sitzende gewaltſam einzupreſſen. Ueber dieſen Sitz- reihen kamen die geſperrten Plätze und über ihnen endlich die Logenreihen, in welchen man die Frauen der Stadt im höchſten Putze ſehen konnte. Der Schauſitz der Obrigkeit oder des vorſitzenden Alcalden war mit rothem Damaſt behängt und trug das Wappen der Stadt, die übrigen waren einfacher ge- ſchmückt. Auf den Dächern dieſer Logen ſah man noch Schauluſtige in Menge. Hunderte von Menſchen ſtanden, den Regenſchirm in der Hand, da oben, wahrſcheinlich, weil ſie unten keine Sitze ge- funden hatten. Erſt beim Anblick dieſer Menſchenmenge wurde es glaublich, daß eine Arena ihre zwölf- bis zwanzigtauſend Menſchen faſſen kann. Jeder Zuſchauer that, was er von ſeinem Platze aus thun konnte, und die Bedeutung des Sprichwortes: „Er beträgt ſich, wie auf dem Platz der Stiere‟ wurde uns einleuchtend. Nicht ein Einziger ſaß ruhig, ſondern bewegte wenigſtens Arme, Regenſchirm, Fächer oft nach allen Richtungen hin, ſchrie aus vollem Halſe, warf mit Früchten um ſich, kurz, bemühte ſich ſo viel als möglich, einem wilden Thiere gleichzukommen. Mit dem Schlag der beſtimmten Stunde erſchien der Alcalde in ſeiner Loge. Die großen Thore öffneten ſich und die Toreros traten herein. Vor ihnen her ritt ein Alguazil in ſeiner uralten Amts- tracht, auf ihn folgten die Eſpadas, Bandarilleros und Cacheteros, hierauf die Picadores und zuletzt ein Geſpann mit drei reichgeſchmückten Maulthieren. Die Fechter waren koſtbar gekleidet; ſie trugen enge, überreich geſtickte Kleider und darüber rothe, mit Goldſchmuck überladene Sammetmäntel; ſelbſt die ſammetenen Beinkleider waren an den Seiten mit goldenem Laubwerk geſtickt. Die kurze Jacke war förmlich mit Silber überladen; denn man hatte dicke Platten, welche Edelſteine umfaßten, darauf ge-

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 679. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/713>, abgerufen am 23.11.2024.