zum dritten Mal in die Freiheit, ließ sich erst am 3. November wieder sehen, bezog seinen gewohnten Käfig, verließ ihn aber wieder, blieb während des Winters, der sehr mild war, weg, zeigte sich aber am 6. April 1859 nochmals im Pfarrgarten, flog in den hingehängten Käfig, labte sich an dem darin befindlichen Futter, während sein Männchen auf den Bäumen verweilte, und flog darauf mit diesem wieder ins Weite."
Diese Thatsachen genügen gewiß jedem meiner Leser als Beweis meiner vorhin ausgesprochenen Behauptung. Es ist wahrhaftig kein Wunder, daß man solchen Vogel lieb gewinnt. Dazu kommt nun noch, daß der Gimpel sich sehr leicht im Käfig erhalten läßt. Wenn man ihm einen geräumigen Bauer gibt, diesen reinlich hält und ihn mit Badewasser versorgt, begnügt er sich gern mit blosem Rübsamen. Doch ist es anzurathen, daß man ihm ab und zu Grünzeug aller Art: Salat, Kohl, Brunnenkresse, Vogelmiere, Kreuzwurzel und mancherlei Beeren nicht vorenthält; man befriedigt damit gewissermaßen eine Leckerei. Bei geeigneter Pflege kann man ein gefangenes Paar sogar leicht zum Nisten bringen.
Der Fang des Gimpels verursacht dem Geübten kaum Schwierigkeiten; der Hang zur Ge- selligkeit, welcher gerade bei diesen Vögeln besonders ausgebildet ist, wird ihm verderblich. "Wer seinen Lockton gut nachzupfeifen versteht", sagt Naumann, "kann ihn im Walde nach und nach weite Strecken fort und an den Ort hinlocken, wo er ihn hinhaben will. Kaum braucht man dann neben den Sprenkeln, Kloben und Leimruthen noch einen lebenden Vogel seiner Art; schon ein ausgestopfter thut oftmals dieselben Dienste." Außerdem geht der Gimpel ohne langes Be- sinnen auf den mit Vogelbeeren geköderten Herd, unter das Rucknetz, in Meisenkasten, auf den Lockbusch, kurz auf oder in alle Arten von Fallen. Mit dem Feuergewehr erlegt ihn wohl nur der Naturforscher oder aber das gerade Gegentheil von ihm, der Unfug stiftende sogenannte "Aas- jäger"; denn einen Gimpel seines Fleisches wegen zu tödten, ist wahrhaftig ein Verbrechen. Man hat zwar auch den von ihm verursachten Schaden gebucht und hervorgehoben, daß er durch Ab- nagen der Knospen im Frühjahr manchen Baum beschädige und hierdurch lästig werde, oder daß er dem Jäger im Drohnenstege die vorgehängten Beeren zerkaue und dergleichen Uebelthaten mehr: sie alle aber fallen schwerlich ins Gewicht, wenn man aber daran denkt, wie sehr die Schönheit des Gimpels und sein liebenswürdiges Betragen den thierfreundlichen Menschen erfreuen, ganz abgesehen von dem nicht zu unterschätzenden Gewinn, welchen die Zähmung und Abrichtung dieser Waldvögel den armen Gebirgsbewohnern gewisser Gegenden bringt.
Zudem hat der Vogel ohnehin Feinde genug: die Marder und Sippschaft, die Eichhörnchen und Haselmäuse, Habichte, Sperber und Falken, Krähen und Heher befehden Alt und Jung und thun ihrer Vermehrung viel Abbruch, und auch der strenge Winter rafft gar manchen dahin.
Vor etwa zwanzig Jahren galt ein bei uns wohnendes Mitglied der Gimpelfamilie noch überall in Deutschland, wo es sich blicken ließ, als seltene Erscheinung: gegenwärtig ist Dies nicht mehr der Fall. Der Girlitz ist nach und nach eingewandert und hat sich einen Landstrich nach dem andern erobert. Gegenwärtig ist er bereits bis nach Thüringen vorgedrungen und wahr- scheinlich wird er hier binnen wenigen Jahrzehnten ebenso häufig sein, als er es in den Rhein- ländern bereits ist. Wir dürfen uns freuen, daß ihm unser Deutschland gefällt; denn wir erhalten durch ihn einen der anmuthigsten Gartenbewohner, welchen wir uns wünschen können.
Der Girlitz oder Grilitsch, Hirngirl, Hirngritterl, Schwäderlein, Zinit, Kanarienzeischen etc. (Serinus hortulanus), ist der Vertreter einer besondern Sippe der Gimpelfamilie, zu welcher man einige südafrikanische Finken oder den Karmingimpel oder auch den allbekannten Kauarienvogel zählt, weil er in der That mit allen den Genannten viel Uebereinstimmendes hat. Sein Schnabel ist ein Mittelding zwischen dem eines Gimpels und Häuflings, sehr kurz und klein, aber weniger bombenförmig gewölbt als bei den Gimpeln und vorn abgestumpft, nicht zugespitzt. Der Fuß
Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.
zum dritten Mal in die Freiheit, ließ ſich erſt am 3. November wieder ſehen, bezog ſeinen gewohnten Käfig, verließ ihn aber wieder, blieb während des Winters, der ſehr mild war, weg, zeigte ſich aber am 6. April 1859 nochmals im Pfarrgarten, flog in den hingehängten Käfig, labte ſich an dem darin befindlichen Futter, während ſein Männchen auf den Bäumen verweilte, und flog darauf mit dieſem wieder ins Weite.‟
Dieſe Thatſachen genügen gewiß jedem meiner Leſer als Beweis meiner vorhin ausgeſprochenen Behauptung. Es iſt wahrhaftig kein Wunder, daß man ſolchen Vogel lieb gewinnt. Dazu kommt nun noch, daß der Gimpel ſich ſehr leicht im Käfig erhalten läßt. Wenn man ihm einen geräumigen Bauer gibt, dieſen reinlich hält und ihn mit Badewaſſer verſorgt, begnügt er ſich gern mit bloſem Rübſamen. Doch iſt es anzurathen, daß man ihm ab und zu Grünzeug aller Art: Salat, Kohl, Brunnenkreſſe, Vogelmiere, Kreuzwurzel und mancherlei Beeren nicht vorenthält; man befriedigt damit gewiſſermaßen eine Leckerei. Bei geeigneter Pflege kann man ein gefangenes Paar ſogar leicht zum Niſten bringen.
Der Fang des Gimpels verurſacht dem Geübten kaum Schwierigkeiten; der Hang zur Ge- ſelligkeit, welcher gerade bei dieſen Vögeln beſonders ausgebildet iſt, wird ihm verderblich. „Wer ſeinen Lockton gut nachzupfeifen verſteht‟, ſagt Naumann, „kann ihn im Walde nach und nach weite Strecken fort und an den Ort hinlocken, wo er ihn hinhaben will. Kaum braucht man dann neben den Sprenkeln, Kloben und Leimruthen noch einen lebenden Vogel ſeiner Art; ſchon ein ausgeſtopfter thut oftmals dieſelben Dienſte.‟ Außerdem geht der Gimpel ohne langes Be- ſinnen auf den mit Vogelbeeren geköderten Herd, unter das Rucknetz, in Meiſenkaſten, auf den Lockbuſch, kurz auf oder in alle Arten von Fallen. Mit dem Feuergewehr erlegt ihn wohl nur der Naturforſcher oder aber das gerade Gegentheil von ihm, der Unfug ſtiftende ſogenannte „Aas- jäger‟; denn einen Gimpel ſeines Fleiſches wegen zu tödten, iſt wahrhaftig ein Verbrechen. Man hat zwar auch den von ihm verurſachten Schaden gebucht und hervorgehoben, daß er durch Ab- nagen der Knoſpen im Frühjahr manchen Baum beſchädige und hierdurch läſtig werde, oder daß er dem Jäger im Drohnenſtege die vorgehängten Beeren zerkaue und dergleichen Uebelthaten mehr: ſie alle aber fallen ſchwerlich ins Gewicht, wenn man aber daran denkt, wie ſehr die Schönheit des Gimpels und ſein liebenswürdiges Betragen den thierfreundlichen Menſchen erfreuen, ganz abgeſehen von dem nicht zu unterſchätzenden Gewinn, welchen die Zähmung und Abrichtung dieſer Waldvögel den armen Gebirgsbewohnern gewiſſer Gegenden bringt.
Zudem hat der Vogel ohnehin Feinde genug: die Marder und Sippſchaft, die Eichhörnchen und Haſelmäuſe, Habichte, Sperber und Falken, Krähen und Heher befehden Alt und Jung und thun ihrer Vermehrung viel Abbruch, und auch der ſtrenge Winter rafft gar manchen dahin.
Vor etwa zwanzig Jahren galt ein bei uns wohnendes Mitglied der Gimpelfamilie noch überall in Deutſchland, wo es ſich blicken ließ, als ſeltene Erſcheinung: gegenwärtig iſt Dies nicht mehr der Fall. Der Girlitz iſt nach und nach eingewandert und hat ſich einen Landſtrich nach dem andern erobert. Gegenwärtig iſt er bereits bis nach Thüringen vorgedrungen und wahr- ſcheinlich wird er hier binnen wenigen Jahrzehnten ebenſo häufig ſein, als er es in den Rhein- ländern bereits iſt. Wir dürfen uns freuen, daß ihm unſer Deutſchland gefällt; denn wir erhalten durch ihn einen der anmuthigſten Gartenbewohner, welchen wir uns wünſchen können.
Der Girlitz oder Grilitſch, Hirngirl, Hirngritterl, Schwäderlein, Zinit, Kanarienzeischen ꝛc. (Serinus hortulanus), iſt der Vertreter einer beſondern Sippe der Gimpelfamilie, zu welcher man einige ſüdafrikaniſche Finken oder den Karmingimpel oder auch den allbekannten Kauarienvogel zählt, weil er in der That mit allen den Genannten viel Uebereinſtimmendes hat. Sein Schnabel iſt ein Mittelding zwiſchen dem eines Gimpels und Häuflings, ſehr kurz und klein, aber weniger bombenförmig gewölbt als bei den Gimpeln und vorn abgeſtumpft, nicht zugeſpitzt. Der Fuß
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[116/0134]
Die Knacker. Sperlingsvögel. Gimpel.
zum dritten Mal in die Freiheit, ließ ſich erſt am 3. November wieder ſehen, bezog ſeinen gewohnten
Käfig, verließ ihn aber wieder, blieb während des Winters, der ſehr mild war, weg, zeigte ſich aber am
6. April 1859 nochmals im Pfarrgarten, flog in den hingehängten Käfig, labte ſich an dem darin
befindlichen Futter, während ſein Männchen auf den Bäumen verweilte, und flog darauf mit dieſem
wieder ins Weite.‟
Dieſe Thatſachen genügen gewiß jedem meiner Leſer als Beweis meiner vorhin ausgeſprochenen
Behauptung. Es iſt wahrhaftig kein Wunder, daß man ſolchen Vogel lieb gewinnt. Dazu kommt
nun noch, daß der Gimpel ſich ſehr leicht im Käfig erhalten läßt. Wenn man ihm einen geräumigen
Bauer gibt, dieſen reinlich hält und ihn mit Badewaſſer verſorgt, begnügt er ſich gern mit bloſem
Rübſamen. Doch iſt es anzurathen, daß man ihm ab und zu Grünzeug aller Art: Salat, Kohl,
Brunnenkreſſe, Vogelmiere, Kreuzwurzel und mancherlei Beeren nicht vorenthält; man befriedigt
damit gewiſſermaßen eine Leckerei. Bei geeigneter Pflege kann man ein gefangenes Paar ſogar leicht
zum Niſten bringen.
Der Fang des Gimpels verurſacht dem Geübten kaum Schwierigkeiten; der Hang zur Ge-
ſelligkeit, welcher gerade bei dieſen Vögeln beſonders ausgebildet iſt, wird ihm verderblich. „Wer
ſeinen Lockton gut nachzupfeifen verſteht‟, ſagt Naumann, „kann ihn im Walde nach und nach
weite Strecken fort und an den Ort hinlocken, wo er ihn hinhaben will. Kaum braucht man
dann neben den Sprenkeln, Kloben und Leimruthen noch einen lebenden Vogel ſeiner Art; ſchon
ein ausgeſtopfter thut oftmals dieſelben Dienſte.‟ Außerdem geht der Gimpel ohne langes Be-
ſinnen auf den mit Vogelbeeren geköderten Herd, unter das Rucknetz, in Meiſenkaſten, auf den
Lockbuſch, kurz auf oder in alle Arten von Fallen. Mit dem Feuergewehr erlegt ihn wohl nur
der Naturforſcher oder aber das gerade Gegentheil von ihm, der Unfug ſtiftende ſogenannte „Aas-
jäger‟; denn einen Gimpel ſeines Fleiſches wegen zu tödten, iſt wahrhaftig ein Verbrechen. Man
hat zwar auch den von ihm verurſachten Schaden gebucht und hervorgehoben, daß er durch Ab-
nagen der Knoſpen im Frühjahr manchen Baum beſchädige und hierdurch läſtig werde, oder daß
er dem Jäger im Drohnenſtege die vorgehängten Beeren zerkaue und dergleichen Uebelthaten mehr:
ſie alle aber fallen ſchwerlich ins Gewicht, wenn man aber daran denkt, wie ſehr die Schönheit
des Gimpels und ſein liebenswürdiges Betragen den thierfreundlichen Menſchen erfreuen, ganz
abgeſehen von dem nicht zu unterſchätzenden Gewinn, welchen die Zähmung und Abrichtung dieſer
Waldvögel den armen Gebirgsbewohnern gewiſſer Gegenden bringt.
Zudem hat der Vogel ohnehin Feinde genug: die Marder und Sippſchaft, die Eichhörnchen
und Haſelmäuſe, Habichte, Sperber und Falken, Krähen und Heher befehden Alt und Jung und
thun ihrer Vermehrung viel Abbruch, und auch der ſtrenge Winter rafft gar manchen dahin.
Vor etwa zwanzig Jahren galt ein bei uns wohnendes Mitglied der Gimpelfamilie noch
überall in Deutſchland, wo es ſich blicken ließ, als ſeltene Erſcheinung: gegenwärtig iſt Dies
nicht mehr der Fall. Der Girlitz iſt nach und nach eingewandert und hat ſich einen Landſtrich
nach dem andern erobert. Gegenwärtig iſt er bereits bis nach Thüringen vorgedrungen und wahr-
ſcheinlich wird er hier binnen wenigen Jahrzehnten ebenſo häufig ſein, als er es in den Rhein-
ländern bereits iſt. Wir dürfen uns freuen, daß ihm unſer Deutſchland gefällt; denn wir erhalten
durch ihn einen der anmuthigſten Gartenbewohner, welchen wir uns wünſchen können.
Der Girlitz oder Grilitſch, Hirngirl, Hirngritterl, Schwäderlein, Zinit, Kanarienzeischen ꝛc.
(Serinus hortulanus), iſt der Vertreter einer beſondern Sippe der Gimpelfamilie, zu welcher man
einige ſüdafrikaniſche Finken oder den Karmingimpel oder auch den allbekannten Kauarienvogel
zählt, weil er in der That mit allen den Genannten viel Uebereinſtimmendes hat. Sein Schnabel
iſt ein Mittelding zwiſchen dem eines Gimpels und Häuflings, ſehr kurz und klein, aber weniger
bombenförmig gewölbt als bei den Gimpeln und vorn abgeſtumpft, nicht zugeſpitzt. Der Fuß
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/134>, abgerufen am 21.11.2024.
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