Orangen, Bananen und Guaven nach, und dann thut sie oft vielen Schaden. Jn Guiana, wo sie häufig ist, soll sie in die Reisfelder einfallen und hier zuweilen sehr lästig werden. Schomburgk erwähnt davon jedoch Nichts; er sagt blos, daß der Vogel sich häufiger an der Küste als im Jnnern finde, die Fruchtbäume der Gärten und die vereinzelt stehenden Bäume in den Feldern der Jndianer zum Lieblingsaufenthalt erwähle, sich theils einzeln, theils in kleinen Gesellschaften halte, im übrigen aber den Tangaras vollständig ähnele. Der Prinz von Wied hat weder bei dieser noch bei einer andern Art die schon von Buffon erwähnte Stimme vernommen und vermuthet, daß der gedachte Naturforscher einen ganz andern Vogel meine; Burmeister jedoch spricht mit solcher Sicherheit von dem Gesange, daß wir nicht wohl an Buffon's Angabe zweifeln können.
Afrika, Südasien und Neuholland beherbergen eine Menge kleiner, oft prachtvoll bunt gezeichne- ter Finken von gedrungenem Leibesbau, mit verschieden dickem Schnabel ohne übergebogenen Haken, mittellangen Flügeln, kurzem, meist stufigen Schwanze, dessen beide Mittelfedern sich zuweilen verlän- gern, und verhältnißmäßig schwachen Füßen. Die Vögel haben mit unsern Edelfinken manche Aehnlichkeit, aber doch ein sehr selbständiges Gepräge. Noch ist es nicht entschieden, in wie viele Haupt- gruppen sie zerfallen; wohl aber hat man sie schon gegenwärtig in eine außerordentlich große Anzahl von Sippen zertheilt. Die Unterscheidung derselben geht jedoch nur den Fachmann an; denn es erfordert ein bereits sehr geübtes Auge, um die unterscheidenden Merkmale, mögen sie auch noch so gut beschrieben sein, zu erkennen. Die Männchen der hierher zu zählenden Vögel sind gewöhnlich viel schöner gefärbt, als die Weibchen, obgleich sich auch an diesen das Artgepräge selten verkennen läßt. Die Jungen tragen oft ein von beiden Eltern verschiedenes Kleid.
Die Finken, welche wir, um ihnen einen Namen zu geben, Prachtfinken (Amadinae) nennen wollen, sind muntere regsame Thierchen, welche wesentlich zur Belebung ihrer Heimatsgegend bei- tragen. Selten finden sie sich einzeln, wie viele der bisher genannten, gewöhnlich vielmehr in Gesell- schaften, welche zeitweilig zu starken Schwärmen anwachsen können. Sie halten sich vorzugsweise in den lichten Steppenwaldungen auf, manche Arten aber auch im Schilf oder in dem hohen Grase, welches meilenweit die Ebenen bedeckt, während wieder andere selbst noch auf den dürrsten Strecken zu finden sind. Hier schweifen sie außer der Brutzeit regellos umher, ihrer Nahrung nachgehend. Die Männ- chen versuchen durch ihren Eifer im Singen den Mangel an Begabung zu ersetzen. Man hört ihre Lieder fast das ganze Jahr. Manche sind recht angenehme Sänger; die große Mehrzahl aber stümpert erbärmlich, und kaum ein einziger dürste mit den bevorzugten Brüdern im Norden wetteifern können. Eigenthümlich sind diesem Gesange leise und gezogene Töne, welche zuweilen geradezu bauchrednerisch klingen. Hinsichtlich ihrer Bewegungen stehen die Prachtfinken hinter keinem Mitgliede ihrer Familie zurück. Sie fliegen gut, einzelne Arten pfeilschnell, obwohl mit stark schwirrendem Flügelschlag; sie bewegen sich, ihrer schwachen Füße ungeachtet, geschickt auf dem Boden und an den Halmen des Grases oder des Schilfes; einzelne von ihnen hängen sich wie die Meisen an die Zweige an. Jhre Brutzeit trifft mit dem erwachenden Frühling ihrer bezüglichen Heimatländer zusammen; sie währt aber länger, als dieser. Die meisten Arten brüten auch dann noch, wenn der heiße Sommer bereits winterliche Armuth über das Land verhängte. Freilich läßt dieser Sommer sie nicht Sorge leiden; denn er reift gerade ihre Nahrung, welche vorzugsweise aus dem Gesäme allerhand Gräser oder schilfartiger Pflan- zen besteht. Mit diesen und mit Kerbthieren werden die drei bis sechs Jungen eines Geleges leicht genug aufgefüttert.
Ungeachtet ihres schönen Gefieders, ihrer liebenswürdigen Sitten, ihrer leichten Zähmbarkeit und ihrer häufigen Gefangenhaltung sind die Prachtfinken nicht mehr beliebt, als andere Verwandte. Auch sie erlauben sich Plünderungen im reifen Getreide, und auch sie müssen von den Feldern vertrieben werden, wenn sie sich zu Tausenden hier einfinden. Außer dem Menschen, welcher ihnen oft scho-
Guttarama.
Orangen, Bananen und Guaven nach, und dann thut ſie oft vielen Schaden. Jn Guiana, wo ſie häufig iſt, ſoll ſie in die Reisfelder einfallen und hier zuweilen ſehr läſtig werden. Schomburgk erwähnt davon jedoch Nichts; er ſagt blos, daß der Vogel ſich häufiger an der Küſte als im Jnnern finde, die Fruchtbäume der Gärten und die vereinzelt ſtehenden Bäume in den Feldern der Jndianer zum Lieblingsaufenthalt erwähle, ſich theils einzeln, theils in kleinen Geſellſchaften halte, im übrigen aber den Tangaras vollſtändig ähnele. Der Prinz von Wied hat weder bei dieſer noch bei einer andern Art die ſchon von Buffon erwähnte Stimme vernommen und vermuthet, daß der gedachte Naturforſcher einen ganz andern Vogel meine; Burmeiſter jedoch ſpricht mit ſolcher Sicherheit von dem Geſange, daß wir nicht wohl an Buffon’s Angabe zweifeln können.
Afrika, Südaſien und Neuholland beherbergen eine Menge kleiner, oft prachtvoll bunt gezeichne- ter Finken von gedrungenem Leibesbau, mit verſchieden dickem Schnabel ohne übergebogenen Haken, mittellangen Flügeln, kurzem, meiſt ſtufigen Schwanze, deſſen beide Mittelfedern ſich zuweilen verlän- gern, und verhältnißmäßig ſchwachen Füßen. Die Vögel haben mit unſern Edelfinken manche Aehnlichkeit, aber doch ein ſehr ſelbſtändiges Gepräge. Noch iſt es nicht entſchieden, in wie viele Haupt- gruppen ſie zerfallen; wohl aber hat man ſie ſchon gegenwärtig in eine außerordentlich große Anzahl von Sippen zertheilt. Die Unterſcheidung derſelben geht jedoch nur den Fachmann an; denn es erfordert ein bereits ſehr geübtes Auge, um die unterſcheidenden Merkmale, mögen ſie auch noch ſo gut beſchrieben ſein, zu erkennen. Die Männchen der hierher zu zählenden Vögel ſind gewöhnlich viel ſchöner gefärbt, als die Weibchen, obgleich ſich auch an dieſen das Artgepräge ſelten verkennen läßt. Die Jungen tragen oft ein von beiden Eltern verſchiedenes Kleid.
Die Finken, welche wir, um ihnen einen Namen zu geben, Prachtfinken (Amadinae) nennen wollen, ſind muntere regſame Thierchen, welche weſentlich zur Belebung ihrer Heimatsgegend bei- tragen. Selten finden ſie ſich einzeln, wie viele der bisher genannten, gewöhnlich vielmehr in Geſell- ſchaften, welche zeitweilig zu ſtarken Schwärmen anwachſen können. Sie halten ſich vorzugsweiſe in den lichten Steppenwaldungen auf, manche Arten aber auch im Schilf oder in dem hohen Graſe, welches meilenweit die Ebenen bedeckt, während wieder andere ſelbſt noch auf den dürrſten Strecken zu finden ſind. Hier ſchweifen ſie außer der Brutzeit regellos umher, ihrer Nahrung nachgehend. Die Männ- chen verſuchen durch ihren Eifer im Singen den Mangel an Begabung zu erſetzen. Man hört ihre Lieder faſt das ganze Jahr. Manche ſind recht angenehme Sänger; die große Mehrzahl aber ſtümpert erbärmlich, und kaum ein einziger dürſte mit den bevorzugten Brüdern im Norden wetteifern können. Eigenthümlich ſind dieſem Geſange leiſe und gezogene Töne, welche zuweilen geradezu bauchredneriſch klingen. Hinſichtlich ihrer Bewegungen ſtehen die Prachtfinken hinter keinem Mitgliede ihrer Familie zurück. Sie fliegen gut, einzelne Arten pfeilſchnell, obwohl mit ſtark ſchwirrendem Flügelſchlag; ſie bewegen ſich, ihrer ſchwachen Füße ungeachtet, geſchickt auf dem Boden und an den Halmen des Graſes oder des Schilfes; einzelne von ihnen hängen ſich wie die Meiſen an die Zweige an. Jhre Brutzeit trifft mit dem erwachenden Frühling ihrer bezüglichen Heimatländer zuſammen; ſie währt aber länger, als dieſer. Die meiſten Arten brüten auch dann noch, wenn der heiße Sommer bereits winterliche Armuth über das Land verhängte. Freilich läßt dieſer Sommer ſie nicht Sorge leiden; denn er reift gerade ihre Nahrung, welche vorzugsweiſe aus dem Geſäme allerhand Gräſer oder ſchilfartiger Pflan- zen beſteht. Mit dieſen und mit Kerbthieren werden die drei bis ſechs Jungen eines Geleges leicht genug aufgefüttert.
Ungeachtet ihres ſchönen Gefieders, ihrer liebenswürdigen Sitten, ihrer leichten Zähmbarkeit und ihrer häufigen Gefangenhaltung ſind die Prachtfinken nicht mehr beliebt, als andere Verwandte. Auch ſie erlauben ſich Plünderungen im reifen Getreide, und auch ſie müſſen von den Feldern vertrieben werden, wenn ſie ſich zu Tauſenden hier einfinden. Außer dem Menſchen, welcher ihnen oft ſcho-
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[197/0217]
Guttarama.
Orangen, Bananen und Guaven nach, und dann thut ſie oft vielen Schaden. Jn Guiana, wo ſie
häufig iſt, ſoll ſie in die Reisfelder einfallen und hier zuweilen ſehr läſtig werden. Schomburgk
erwähnt davon jedoch Nichts; er ſagt blos, daß der Vogel ſich häufiger an der Küſte als im Jnnern
finde, die Fruchtbäume der Gärten und die vereinzelt ſtehenden Bäume in den Feldern der Jndianer
zum Lieblingsaufenthalt erwähle, ſich theils einzeln, theils in kleinen Geſellſchaften halte, im übrigen
aber den Tangaras vollſtändig ähnele. Der Prinz von Wied hat weder bei dieſer noch bei einer
andern Art die ſchon von Buffon erwähnte Stimme vernommen und vermuthet, daß der gedachte
Naturforſcher einen ganz andern Vogel meine; Burmeiſter jedoch ſpricht mit ſolcher Sicherheit von
dem Geſange, daß wir nicht wohl an Buffon’s Angabe zweifeln können.
Afrika, Südaſien und Neuholland beherbergen eine Menge kleiner, oft prachtvoll bunt gezeichne-
ter Finken von gedrungenem Leibesbau, mit verſchieden dickem Schnabel ohne übergebogenen Haken,
mittellangen Flügeln, kurzem, meiſt ſtufigen Schwanze, deſſen beide Mittelfedern ſich zuweilen verlän-
gern, und verhältnißmäßig ſchwachen Füßen. Die Vögel haben mit unſern Edelfinken manche
Aehnlichkeit, aber doch ein ſehr ſelbſtändiges Gepräge. Noch iſt es nicht entſchieden, in wie viele Haupt-
gruppen ſie zerfallen; wohl aber hat man ſie ſchon gegenwärtig in eine außerordentlich große Anzahl
von Sippen zertheilt. Die Unterſcheidung derſelben geht jedoch nur den Fachmann an; denn es
erfordert ein bereits ſehr geübtes Auge, um die unterſcheidenden Merkmale, mögen ſie auch noch ſo
gut beſchrieben ſein, zu erkennen. Die Männchen der hierher zu zählenden Vögel ſind gewöhnlich
viel ſchöner gefärbt, als die Weibchen, obgleich ſich auch an dieſen das Artgepräge ſelten verkennen
läßt. Die Jungen tragen oft ein von beiden Eltern verſchiedenes Kleid.
Die Finken, welche wir, um ihnen einen Namen zu geben, Prachtfinken (Amadinae) nennen
wollen, ſind muntere regſame Thierchen, welche weſentlich zur Belebung ihrer Heimatsgegend bei-
tragen. Selten finden ſie ſich einzeln, wie viele der bisher genannten, gewöhnlich vielmehr in Geſell-
ſchaften, welche zeitweilig zu ſtarken Schwärmen anwachſen können. Sie halten ſich vorzugsweiſe in den
lichten Steppenwaldungen auf, manche Arten aber auch im Schilf oder in dem hohen Graſe, welches
meilenweit die Ebenen bedeckt, während wieder andere ſelbſt noch auf den dürrſten Strecken zu finden
ſind. Hier ſchweifen ſie außer der Brutzeit regellos umher, ihrer Nahrung nachgehend. Die Männ-
chen verſuchen durch ihren Eifer im Singen den Mangel an Begabung zu erſetzen. Man hört ihre
Lieder faſt das ganze Jahr. Manche ſind recht angenehme Sänger; die große Mehrzahl aber ſtümpert
erbärmlich, und kaum ein einziger dürſte mit den bevorzugten Brüdern im Norden wetteifern können.
Eigenthümlich ſind dieſem Geſange leiſe und gezogene Töne, welche zuweilen geradezu bauchredneriſch
klingen. Hinſichtlich ihrer Bewegungen ſtehen die Prachtfinken hinter keinem Mitgliede ihrer Familie
zurück. Sie fliegen gut, einzelne Arten pfeilſchnell, obwohl mit ſtark ſchwirrendem Flügelſchlag; ſie
bewegen ſich, ihrer ſchwachen Füße ungeachtet, geſchickt auf dem Boden und an den Halmen des Graſes
oder des Schilfes; einzelne von ihnen hängen ſich wie die Meiſen an die Zweige an. Jhre Brutzeit
trifft mit dem erwachenden Frühling ihrer bezüglichen Heimatländer zuſammen; ſie währt aber länger,
als dieſer. Die meiſten Arten brüten auch dann noch, wenn der heiße Sommer bereits winterliche
Armuth über das Land verhängte. Freilich läßt dieſer Sommer ſie nicht Sorge leiden; denn er reift
gerade ihre Nahrung, welche vorzugsweiſe aus dem Geſäme allerhand Gräſer oder ſchilfartiger Pflan-
zen beſteht. Mit dieſen und mit Kerbthieren werden die drei bis ſechs Jungen eines Geleges
leicht genug aufgefüttert.
Ungeachtet ihres ſchönen Gefieders, ihrer liebenswürdigen Sitten, ihrer leichten Zähmbarkeit und
ihrer häufigen Gefangenhaltung ſind die Prachtfinken nicht mehr beliebt, als andere Verwandte. Auch
ſie erlauben ſich Plünderungen im reifen Getreide, und auch ſie müſſen von den Feldern vertrieben
werden, wenn ſie ſich zu Tauſenden hier einfinden. Außer dem Menſchen, welcher ihnen oft ſcho-
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 197. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/217>, abgerufen am 23.11.2024.
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