Als die nächsten Verwandten der Webervögel betrachtet man die Wittwen (Viduae). Sie sind mittelgroße Finken, welche sich vor allen übrigen dadurch auszeichnen, daß sie während der Brutzeit ein Gefieder anlegen, in welchem einige Schwanzfedern eine eigenthümliche Gestalt erhalten und eine unverhältnißmäßige Länge erreichen. Nach der Brutzeit verlieren sie diesen Hochzeitsschmuck vollstän- dig und legen dann auch ein unscheinbares Kleid an. Jch weiß nun nicht, ob man ihnen deshalb oder wegen ihres schwarzen Gefieders den auffallenden Namen gegeben hat, welcher jetzt in allen europäi- schen Sprachen üblich ist. Von einigen Forschern wird behauptet, daß der Name nur durch einen Jrrthum entstanden sei. Die ersten Wittwen wurden durch die Portugiesen aus Whydah an der afrikanischen Westküste gebracht und einfach Whydahvögel genannt, in welchem Namen man das lateinische Wort Vidua zu erkennen glaubte. Dem sei, wie ihm wolle, gewiß ist, daß unsere Vögel Wittwen heißen. Außer den angegebenen Merkmalen mag noch erwähnt werden, daß der Schnabel kurz, kegelförmig, spitzig, vorn zusammengedrückt, an der Wurzel aber etwas aufgetrieben ist. Die Flügel sind mittellang. Das Gefieder der Männchen ist auf der Oberseite schwarz mit Weiß oder Roth, auf der Unterseite roth, goldgelb oder weiß.
Alle Wittwen sind in Afrika zu Hause, und die meisten verbreiten sich weit über den Erdtheil, doch besitzen ebensowohl der Süden, wie der Westen und Osten ihre eigenthümlichen Arten.
Jn der Lebensweise haben die Wittwen manches Eigenthümliche. Sie erinnern mehr als andere finkenartigen Vögel an die Ammern. Während der Brutzeit leben die meisten paarweise, einige aber, wie es scheint, in Vielweiberei. Nach der Brutzeit und Mauser schlagen sie sich in starke Flüge zusammen. Die Männchen ändern je nach ihrem Kleide ihr Benehmen. Wenn sie im Hochzeitskleide prangen, nöthigt sie der lange und schwere Schwanz zu eigenthümlichen Stellungen und Bewegungen. Jm Sitzen lassen sie die langen Federn einfach herabhängen; im Gehen aber müssen sie dieselben hoch tragen, und deshalb stelzen sie den Schwanz dann ein wenig, während sie Dies sonst nicht thun. Den größten Einfluß übt der Schwanz auf ihren Flug aus. Er hindert sie an den raschen Bewegungen, welche sie sonst zeigen: sie schleppen denselben förmlich mit Mühe durch die Luft und werden bei einigermaßen starkem Winde durch ihn ungemein aufgehalten. Sobald sie gemausert haben, bewegen sie sich leicht und behend nach anderer Finken Art, durch wechselseitiges Zusammenziehen und Aus- breiten der Schwingen, wodurch eine bogenförmige Fluglinie entsteht.
Die meisten Arten scheinen Erdfinken zu sein, welche am Boden ihre hauptsächlichste Nahrung finden. Man sieht sie hier sich nach Art anderer Verwandten beschäftigen, um die ausgefallenen Grassämereien, ihr hauptsächlichstes Futter, und nebenbei Kerbthiere aufzulesen. Während der Brut- zeit jedoch halten sich namentlich die Männchen mehr auf Bäumen auf und suchen hier nach Nahrung umher; der lange Schwanz hindert sie auch während ihrer Mahlzeit. Manche Arten scheinen haupt- sächlich im Röhricht zu leben und auch dort zu brüten.
Die Brutzeit fällt mit dem Frühling ihrer Heimat zusammen, bald nachdem das Männchen sein Hochzeitskleid angelegt hat. Jm Sudahn brüten sie Ende Augusts; in den abissinischen Gebirgen hingegen in unsern Frühlingsmonaten. Die Nester ähneln denen der Webervögel, sind aber doch leicht kenntlich. Nach der Brutzeit streichen die Vögel, wohin und wie weit ist noch nicht ermittelt.
Leider werden von den bis jetzt bekannten Arten nur wenige gefangen und lebend zu uns gebracht. Es sind hauptsächlich deren zwei, welche die Westküste bewohnen. Wenn man von ihnen auf die Gesammtheit schließen darf, muß man sagen, daß die Wittwen anmuthige Stubenvögel sind. Es ermangelt ihnen zwar die Lebendigkeit mancher anderen Finken, und ihr Gesang ist auch nicht viel werth: sie erfreuen aber dafür durch die Liebenswürdigkeit ihres Wesens und durch die eigenthümliche Pracht ihres Gefieders, deren sie sich wohl bewußt zu sein scheinen. Bei geeigneter Pflege halten auch sie sich jahrelang im Käfig, und wahrscheinlich kann man sie ebenso gut zur Fortpflanzung bei uns bringen, als andere ausländische Finken.
Die Knacker. Sperlingsvögel. Wittwen.
Als die nächſten Verwandten der Webervögel betrachtet man die Wittwen (Viduae). Sie ſind mittelgroße Finken, welche ſich vor allen übrigen dadurch auszeichnen, daß ſie während der Brutzeit ein Gefieder anlegen, in welchem einige Schwanzfedern eine eigenthümliche Geſtalt erhalten und eine unverhältnißmäßige Länge erreichen. Nach der Brutzeit verlieren ſie dieſen Hochzeitsſchmuck vollſtän- dig und legen dann auch ein unſcheinbares Kleid an. Jch weiß nun nicht, ob man ihnen deshalb oder wegen ihres ſchwarzen Gefieders den auffallenden Namen gegeben hat, welcher jetzt in allen europäi- ſchen Sprachen üblich iſt. Von einigen Forſchern wird behauptet, daß der Name nur durch einen Jrrthum entſtanden ſei. Die erſten Wittwen wurden durch die Portugieſen aus Whydah an der afrikaniſchen Weſtküſte gebracht und einfach Whydahvögel genannt, in welchem Namen man das lateiniſche Wort Vidua zu erkennen glaubte. Dem ſei, wie ihm wolle, gewiß iſt, daß unſere Vögel Wittwen heißen. Außer den angegebenen Merkmalen mag noch erwähnt werden, daß der Schnabel kurz, kegelförmig, ſpitzig, vorn zuſammengedrückt, an der Wurzel aber etwas aufgetrieben iſt. Die Flügel ſind mittellang. Das Gefieder der Männchen iſt auf der Oberſeite ſchwarz mit Weiß oder Roth, auf der Unterſeite roth, goldgelb oder weiß.
Alle Wittwen ſind in Afrika zu Hauſe, und die meiſten verbreiten ſich weit über den Erdtheil, doch beſitzen ebenſowohl der Süden, wie der Weſten und Oſten ihre eigenthümlichen Arten.
Jn der Lebensweiſe haben die Wittwen manches Eigenthümliche. Sie erinnern mehr als andere finkenartigen Vögel an die Ammern. Während der Brutzeit leben die meiſten paarweiſe, einige aber, wie es ſcheint, in Vielweiberei. Nach der Brutzeit und Mauſer ſchlagen ſie ſich in ſtarke Flüge zuſammen. Die Männchen ändern je nach ihrem Kleide ihr Benehmen. Wenn ſie im Hochzeitskleide prangen, nöthigt ſie der lange und ſchwere Schwanz zu eigenthümlichen Stellungen und Bewegungen. Jm Sitzen laſſen ſie die langen Federn einfach herabhängen; im Gehen aber müſſen ſie dieſelben hoch tragen, und deshalb ſtelzen ſie den Schwanz dann ein wenig, während ſie Dies ſonſt nicht thun. Den größten Einfluß übt der Schwanz auf ihren Flug aus. Er hindert ſie an den raſchen Bewegungen, welche ſie ſonſt zeigen: ſie ſchleppen denſelben förmlich mit Mühe durch die Luft und werden bei einigermaßen ſtarkem Winde durch ihn ungemein aufgehalten. Sobald ſie gemauſert haben, bewegen ſie ſich leicht und behend nach anderer Finken Art, durch wechſelſeitiges Zuſammenziehen und Aus- breiten der Schwingen, wodurch eine bogenförmige Fluglinie entſteht.
Die meiſten Arten ſcheinen Erdfinken zu ſein, welche am Boden ihre hauptſächlichſte Nahrung finden. Man ſieht ſie hier ſich nach Art anderer Verwandten beſchäftigen, um die ausgefallenen Grasſämereien, ihr hauptſächlichſtes Futter, und nebenbei Kerbthiere aufzuleſen. Während der Brut- zeit jedoch halten ſich namentlich die Männchen mehr auf Bäumen auf und ſuchen hier nach Nahrung umher; der lange Schwanz hindert ſie auch während ihrer Mahlzeit. Manche Arten ſcheinen haupt- ſächlich im Röhricht zu leben und auch dort zu brüten.
Die Brutzeit fällt mit dem Frühling ihrer Heimat zuſammen, bald nachdem das Männchen ſein Hochzeitskleid angelegt hat. Jm Sudahn brüten ſie Ende Auguſts; in den abiſſiniſchen Gebirgen hingegen in unſern Frühlingsmonaten. Die Neſter ähneln denen der Webervögel, ſind aber doch leicht kenntlich. Nach der Brutzeit ſtreichen die Vögel, wohin und wie weit iſt noch nicht ermittelt.
Leider werden von den bis jetzt bekannten Arten nur wenige gefangen und lebend zu uns gebracht. Es ſind hauptſächlich deren zwei, welche die Weſtküſte bewohnen. Wenn man von ihnen auf die Geſammtheit ſchließen darf, muß man ſagen, daß die Wittwen anmuthige Stubenvögel ſind. Es ermangelt ihnen zwar die Lebendigkeit mancher anderen Finken, und ihr Geſang iſt auch nicht viel werth: ſie erfreuen aber dafür durch die Liebenswürdigkeit ihres Weſens und durch die eigenthümliche Pracht ihres Gefieders, deren ſie ſich wohl bewußt zu ſein ſcheinen. Bei geeigneter Pflege halten auch ſie ſich jahrelang im Käfig, und wahrſcheinlich kann man ſie ebenſo gut zur Fortpflanzung bei uns bringen, als andere ausländiſche Finken.
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Die Knacker. Sperlingsvögel. Wittwen.
Als die nächſten Verwandten der Webervögel betrachtet man die Wittwen (Viduae). Sie ſind
mittelgroße Finken, welche ſich vor allen übrigen dadurch auszeichnen, daß ſie während der Brutzeit
ein Gefieder anlegen, in welchem einige Schwanzfedern eine eigenthümliche Geſtalt erhalten und eine
unverhältnißmäßige Länge erreichen. Nach der Brutzeit verlieren ſie dieſen Hochzeitsſchmuck vollſtän-
dig und legen dann auch ein unſcheinbares Kleid an. Jch weiß nun nicht, ob man ihnen deshalb oder
wegen ihres ſchwarzen Gefieders den auffallenden Namen gegeben hat, welcher jetzt in allen europäi-
ſchen Sprachen üblich iſt. Von einigen Forſchern wird behauptet, daß der Name nur durch einen
Jrrthum entſtanden ſei. Die erſten Wittwen wurden durch die Portugieſen aus Whydah an der
afrikaniſchen Weſtküſte gebracht und einfach Whydahvögel genannt, in welchem Namen man das
lateiniſche Wort Vidua zu erkennen glaubte. Dem ſei, wie ihm wolle, gewiß iſt, daß unſere Vögel
Wittwen heißen. Außer den angegebenen Merkmalen mag noch erwähnt werden, daß der Schnabel
kurz, kegelförmig, ſpitzig, vorn zuſammengedrückt, an der Wurzel aber etwas aufgetrieben iſt. Die
Flügel ſind mittellang. Das Gefieder der Männchen iſt auf der Oberſeite ſchwarz mit Weiß oder
Roth, auf der Unterſeite roth, goldgelb oder weiß.
Alle Wittwen ſind in Afrika zu Hauſe, und die meiſten verbreiten ſich weit über den Erdtheil,
doch beſitzen ebenſowohl der Süden, wie der Weſten und Oſten ihre eigenthümlichen Arten.
Jn der Lebensweiſe haben die Wittwen manches Eigenthümliche. Sie erinnern mehr als andere
finkenartigen Vögel an die Ammern. Während der Brutzeit leben die meiſten paarweiſe, einige
aber, wie es ſcheint, in Vielweiberei. Nach der Brutzeit und Mauſer ſchlagen ſie ſich in ſtarke Flüge
zuſammen. Die Männchen ändern je nach ihrem Kleide ihr Benehmen. Wenn ſie im Hochzeitskleide
prangen, nöthigt ſie der lange und ſchwere Schwanz zu eigenthümlichen Stellungen und Bewegungen.
Jm Sitzen laſſen ſie die langen Federn einfach herabhängen; im Gehen aber müſſen ſie dieſelben hoch
tragen, und deshalb ſtelzen ſie den Schwanz dann ein wenig, während ſie Dies ſonſt nicht thun. Den
größten Einfluß übt der Schwanz auf ihren Flug aus. Er hindert ſie an den raſchen Bewegungen,
welche ſie ſonſt zeigen: ſie ſchleppen denſelben förmlich mit Mühe durch die Luft und werden bei
einigermaßen ſtarkem Winde durch ihn ungemein aufgehalten. Sobald ſie gemauſert haben, bewegen
ſie ſich leicht und behend nach anderer Finken Art, durch wechſelſeitiges Zuſammenziehen und Aus-
breiten der Schwingen, wodurch eine bogenförmige Fluglinie entſteht.
Die meiſten Arten ſcheinen Erdfinken zu ſein, welche am Boden ihre hauptſächlichſte Nahrung
finden. Man ſieht ſie hier ſich nach Art anderer Verwandten beſchäftigen, um die ausgefallenen
Grasſämereien, ihr hauptſächlichſtes Futter, und nebenbei Kerbthiere aufzuleſen. Während der Brut-
zeit jedoch halten ſich namentlich die Männchen mehr auf Bäumen auf und ſuchen hier nach Nahrung
umher; der lange Schwanz hindert ſie auch während ihrer Mahlzeit. Manche Arten ſcheinen haupt-
ſächlich im Röhricht zu leben und auch dort zu brüten.
Die Brutzeit fällt mit dem Frühling ihrer Heimat zuſammen, bald nachdem das Männchen ſein
Hochzeitskleid angelegt hat. Jm Sudahn brüten ſie Ende Auguſts; in den abiſſiniſchen Gebirgen
hingegen in unſern Frühlingsmonaten. Die Neſter ähneln denen der Webervögel, ſind aber doch
leicht kenntlich. Nach der Brutzeit ſtreichen die Vögel, wohin und wie weit iſt noch nicht ermittelt.
Leider werden von den bis jetzt bekannten Arten nur wenige gefangen und lebend zu uns
gebracht. Es ſind hauptſächlich deren zwei, welche die Weſtküſte bewohnen. Wenn man von ihnen
auf die Geſammtheit ſchließen darf, muß man ſagen, daß die Wittwen anmuthige Stubenvögel ſind.
Es ermangelt ihnen zwar die Lebendigkeit mancher anderen Finken, und ihr Geſang iſt auch nicht viel
werth: ſie erfreuen aber dafür durch die Liebenswürdigkeit ihres Weſens und durch die eigenthümliche
Pracht ihres Gefieders, deren ſie ſich wohl bewußt zu ſein ſcheinen. Bei geeigneter Pflege halten auch
ſie ſich jahrelang im Käfig, und wahrſcheinlich kann man ſie ebenſo gut zur Fortpflanzung bei uns
bringen, als andere ausländiſche Finken.
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/256>, abgerufen am 21.11.2024.
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