Lesson sagt, daß das Geschrei wie "Woiko" klinge und ausgestoßen werde, um die Weibchen herbei- zurufen, welche gackernd auf niedern Bäumen sitzen. Des Morgens und Abends hört man dieses Geschrei durch den Wald schallen, selten mitten am Tage.
"Die Stimme des rothen Paradiesvogels", bemerkt Wallace, "ähnelt der seiner Verwandten sehr, ist jedoch weniger schrillend. Man hört sie so oft in den Wäldern, daß man annehmen darf, der Vogel müsse sehr häufig sein. Demungeachtet ist er wegen seiner Lebendigkeit und unaufhörlichen Bewegung sehr schwer zu erlangen. Jch habe mehrere Male alte Männchen auf niedern Bäumen und Gebüschen, wenige Fuß über dem Boden, gesehen. Sie schlüpften durch das Gezweig auf den fast wagrechten Stämmen dahin, anscheinend auf der Jagd nach Kerbthieren, welche, wie ich glaube, ihr alleinigstes Futter sind, wenn ihre Lieblingsfrucht, die indische Feige, nicht in Reife steht. Bei dieser
[Abbildung]
Der rothe Paradiesvogel (Paradisea rubra).
Gelegenheit lassen sie einen leisen, glucksenden Ton hören, welcher sehr verschieden ist von ihrem gewöhnlich schrillenden Lockruf, den sie nur, wie es scheint, hoch oben vom Wipfel der Bäume erschal- len lassen."
Beständig in Bewegung fliegt der Paradiesvogel von Baum zu Baum, bleibt nie lange auf dem- selben Zweige still sitzen und verbirgt sich beim mindesten Geräusch in die dichtbelaubtesten Wipfel der Bäume. Er ist schon vor Sonnenaufgang munter und beschäftigt, seine Nahrung zu suchen, welche in Früchten und Kerbthieren besteht. Abends versammelt er sich truppweise, um im Wipfel irgend eines hohen Baumes zu übernachten. Lesson erzählt, daß die Paradiesvögel in Flügen von dreißig bis vierzig ankommen, unter Leitung eines Anführers, welcher höher fliegt, als die andern, und dabei wie die Staaren schreien, so lange sie gegen den Wind fliegen, aber wie Raben krächzen, wenn sie durch zu starken Wind in Unordnung gerathen. Bei Sturm erheben sie sich hoch in die Luft
Die Knacker. Rabenvögel. Paradiesvögel.
Leſſon ſagt, daß das Geſchrei wie „Woiko‟ klinge und ausgeſtoßen werde, um die Weibchen herbei- zurufen, welche gackernd auf niedern Bäumen ſitzen. Des Morgens und Abends hört man dieſes Geſchrei durch den Wald ſchallen, ſelten mitten am Tage.
„Die Stimme des rothen Paradiesvogels‟, bemerkt Wallace, „ähnelt der ſeiner Verwandten ſehr, iſt jedoch weniger ſchrillend. Man hört ſie ſo oft in den Wäldern, daß man annehmen darf, der Vogel müſſe ſehr häufig ſein. Demungeachtet iſt er wegen ſeiner Lebendigkeit und unaufhörlichen Bewegung ſehr ſchwer zu erlangen. Jch habe mehrere Male alte Männchen auf niedern Bäumen und Gebüſchen, wenige Fuß über dem Boden, geſehen. Sie ſchlüpften durch das Gezweig auf den faſt wagrechten Stämmen dahin, anſcheinend auf der Jagd nach Kerbthieren, welche, wie ich glaube, ihr alleinigſtes Futter ſind, wenn ihre Lieblingsfrucht, die indiſche Feige, nicht in Reife ſteht. Bei dieſer
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Der rothe Paradiesvogel (Paradisea rubra).
Gelegenheit laſſen ſie einen leiſen, gluckſenden Ton hören, welcher ſehr verſchieden iſt von ihrem gewöhnlich ſchrillenden Lockruf, den ſie nur, wie es ſcheint, hoch oben vom Wipfel der Bäume erſchal- len laſſen.‟
Beſtändig in Bewegung fliegt der Paradiesvogel von Baum zu Baum, bleibt nie lange auf dem- ſelben Zweige ſtill ſitzen und verbirgt ſich beim mindeſten Geräuſch in die dichtbelaubteſten Wipfel der Bäume. Er iſt ſchon vor Sonnenaufgang munter und beſchäftigt, ſeine Nahrung zu ſuchen, welche in Früchten und Kerbthieren beſteht. Abends verſammelt er ſich truppweiſe, um im Wipfel irgend eines hohen Baumes zu übernachten. Leſſon erzählt, daß die Paradiesvögel in Flügen von dreißig bis vierzig ankommen, unter Leitung eines Anführers, welcher höher fliegt, als die andern, und dabei wie die Staaren ſchreien, ſo lange ſie gegen den Wind fliegen, aber wie Raben krächzen, wenn ſie durch zu ſtarken Wind in Unordnung gerathen. Bei Sturm erheben ſie ſich hoch in die Luft
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Die Knacker. Rabenvögel. Paradiesvögel.
Leſſon ſagt, daß das Geſchrei wie „Woiko‟ klinge und ausgeſtoßen werde, um die Weibchen herbei-
zurufen, welche gackernd auf niedern Bäumen ſitzen. Des Morgens und Abends hört man dieſes
Geſchrei durch den Wald ſchallen, ſelten mitten am Tage.
„Die Stimme des rothen Paradiesvogels‟, bemerkt Wallace, „ähnelt der ſeiner Verwandten
ſehr, iſt jedoch weniger ſchrillend. Man hört ſie ſo oft in den Wäldern, daß man annehmen darf, der
Vogel müſſe ſehr häufig ſein. Demungeachtet iſt er wegen ſeiner Lebendigkeit und unaufhörlichen
Bewegung ſehr ſchwer zu erlangen. Jch habe mehrere Male alte Männchen auf niedern Bäumen und
Gebüſchen, wenige Fuß über dem Boden, geſehen. Sie ſchlüpften durch das Gezweig auf den faſt
wagrechten Stämmen dahin, anſcheinend auf der Jagd nach Kerbthieren, welche, wie ich glaube, ihr
alleinigſtes Futter ſind, wenn ihre Lieblingsfrucht, die indiſche Feige, nicht in Reife ſteht. Bei dieſer
[Abbildung Der rothe Paradiesvogel (Paradisea rubra).]
Gelegenheit laſſen ſie einen leiſen, gluckſenden Ton hören, welcher ſehr verſchieden iſt von ihrem
gewöhnlich ſchrillenden Lockruf, den ſie nur, wie es ſcheint, hoch oben vom Wipfel der Bäume erſchal-
len laſſen.‟
Beſtändig in Bewegung fliegt der Paradiesvogel von Baum zu Baum, bleibt nie lange auf dem-
ſelben Zweige ſtill ſitzen und verbirgt ſich beim mindeſten Geräuſch in die dichtbelaubteſten Wipfel der
Bäume. Er iſt ſchon vor Sonnenaufgang munter und beſchäftigt, ſeine Nahrung zu ſuchen, welche
in Früchten und Kerbthieren beſteht. Abends verſammelt er ſich truppweiſe, um im Wipfel irgend
eines hohen Baumes zu übernachten. Leſſon erzählt, daß die Paradiesvögel in Flügen von
dreißig bis vierzig ankommen, unter Leitung eines Anführers, welcher höher fliegt, als die andern,
und dabei wie die Staaren ſchreien, ſo lange ſie gegen den Wind fliegen, aber wie Raben krächzen,
wenn ſie durch zu ſtarken Wind in Unordnung gerathen. Bei Sturm erheben ſie ſich hoch in die Luft
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 324. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/350>, abgerufen am 22.11.2024.
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