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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Knacker. Rabenvögel. Raben.
andere Reisende, welche denselben Vogel oder seinen Verwandten beobachten konnten, urtheilen
anders. Der Geierrabe, erzählt Le Baillant, ist gefräßig, frech, unrein, schreilustig und ungesellig;
er vertritt also den Raben vollständig. Seine Stimme ähnelt mehr oder weniger diesem Verwandten,
wie denn der Geierrabe überhaupt in seinen Sitten und Wesen dem Bilde jenes allbekannten Vogels
entspricht. Seine Hauptnahrung ist Aas, und auf ihm vereinigt er sich oft zu sehr starken Trupps.
Er liebt es aber auch, lebende Beute zu machen, greift Schafe und junge Gazellen an, hackt
ihnen die Augen und die Zunge aus und tödtet und zerreißt sie. Nicht minder folgt er den Herden
der Büffel, der Rinder und Pferde, selbst dem Nashorn und dem Elefanten, welche ihm
ebenfalls Nahrung zollen müssen. Hätte er die nöthige Kraft, er würde diesen Thieren gefährlich
werden; so aber muß er sich begnügen, mit seinem Schnabel die wunden Stellen zu bearbeiten, welche
durch Zecken und Maden verursacht werden. Diese Quälgeister der Säugethiere finden sich bei
vielen von ihnen so zahlreich, daß sie es den Raben gern erlauben, auf ihrem Rücken herumzuhacken,
selbst wenn das Blut danach läuft; denn der Rabe begnügt sich nicht mit den Kerbthieren, sondern
frißt auch die eiternden Wunden aus.

Er nistet im Oktober und legt ein großes Nest auf den Baumzweigen aus Reisig an, dessen
innere Mulde mit weicheren Stoffen ausgefüttert wird. Die vier Eier sind auf grünlichem Grunde
braun gefleckt.

Der Geierrabe wandert nicht, sondern hält sich jahraus jahrein in demselben Gebiete auf. Le
Vaillant
fand ihn überall auf seinen Reisen, an einigen Orten häufiger als an andern, sehr häufig
im Lande der großen Namaquen, seltener in der Umgebung der Kapstadt. Zuweilen mischt er sich
auch mit andern Rabenarten zusammen, welche ja ohnehin dieselbe Nahrung mit ihm theilen.



Südlich des 18. Grads nördl. Breite begegnet man zuerst einem durch sein Gefieder sehr aus-
gezeichneten kleinen schwachschnäbligen Raben, welcher weit über Afrika verbreitet ist und im Westen
durch eine sehr nahe verwandte Art vertreten wird: dem Schildraben (Pterocorax scapulatus).
Er ist glänzend schwarz, auf der Oberbrust und einem breiten Nackenbande aber blendendweiß. Das
dunkle Gefieder schillert, das lichte glänzt wie Atlas. Das Auge ist lichtbraun, der Schnabel und
die Füße sind schwarz. Die Länge beträgt ungefähr 18 Zoll, die Fittiglänge 13 Zoll, die Schwanz-
länge 6 Zoll.

Jm ganzen Sudahn und auch in den Tiefebenen Abissiniens ist der Schildrabe eine überall vor-
kommende, wenn auch nicht gerade gemeine Erscheinung. Er gehört nach meinen Beobachtungen den
Ebenen an und fehlt dem Gebirge, in welchem ihn der Geierrabe so würdig vertritt. Jch habe ihn
gewöhnlich paarweise gefunden. Zuweilen vereinigen sich übrigens mehrere Paare zu einer kleinen
Gesellschaft, welche jedoch niemals längere Zeit zusammenbleibt. Jn größeren Scharen habe ich ihn
nicht bemerkt.

Hartmann sagt, daß ihn der Schildrabe nicht blos durch seine Befiederung, sondern auch durch
sein possirliches Wesen an die Elster erinnert habe: ich meinestheils glaube gefunden zu haben, daß
er unseren Kolkraben mehr, als allen übrigen Verwandten entspricht. So viel aber ist gewiß: er ist
ein höchst zierliches Thier. "Sein Flug", so habe ich in meinen "Ergebnissen u. s. w." gesagt, "ist
gewandt, leicht, schwebend und sehr schnell; dabei nimmt sich der Vogel prächtig aus. Die spitzen
Schwingen und der abgerundete Schwanz geben ihm beinahe etwas Falkenartiges, und der weiße
Brustfleck schimmert auf weit hin. Sein Gang ist ernst und würdevoll, aber doch leicht und fördernd;
seine Stimme ist ein sanftes "Kurr", welches entfernt an manchen Ton des Kolkraben erinnert."

"Jn allen Gegenden, wo der Schildrabe häufig ist, hat er sich mit dem Menschen befreundet.
Scheu fand ich ihn nur in manchen Theilen der Samhara; doch war es auch hier mehr die fremd-
artige, ihm auffallende Erscheinung des Europäers, als die Furcht vor dem Menschen überhaupt,

Die Knacker. Rabenvögel. Raben.
andere Reiſende, welche denſelben Vogel oder ſeinen Verwandten beobachten konnten, urtheilen
anders. Der Geierrabe, erzählt Le Baillant, iſt gefräßig, frech, unrein, ſchreiluſtig und ungeſellig;
er vertritt alſo den Raben vollſtändig. Seine Stimme ähnelt mehr oder weniger dieſem Verwandten,
wie denn der Geierrabe überhaupt in ſeinen Sitten und Weſen dem Bilde jenes allbekannten Vogels
entſpricht. Seine Hauptnahrung iſt Aas, und auf ihm vereinigt er ſich oft zu ſehr ſtarken Trupps.
Er liebt es aber auch, lebende Beute zu machen, greift Schafe und junge Gazellen an, hackt
ihnen die Augen und die Zunge aus und tödtet und zerreißt ſie. Nicht minder folgt er den Herden
der Büffel, der Rinder und Pferde, ſelbſt dem Nashorn und dem Elefanten, welche ihm
ebenfalls Nahrung zollen müſſen. Hätte er die nöthige Kraft, er würde dieſen Thieren gefährlich
werden; ſo aber muß er ſich begnügen, mit ſeinem Schnabel die wunden Stellen zu bearbeiten, welche
durch Zecken und Maden verurſacht werden. Dieſe Quälgeiſter der Säugethiere finden ſich bei
vielen von ihnen ſo zahlreich, daß ſie es den Raben gern erlauben, auf ihrem Rücken herumzuhacken,
ſelbſt wenn das Blut danach läuft; denn der Rabe begnügt ſich nicht mit den Kerbthieren, ſondern
frißt auch die eiternden Wunden aus.

Er niſtet im Oktober und legt ein großes Neſt auf den Baumzweigen aus Reiſig an, deſſen
innere Mulde mit weicheren Stoffen ausgefüttert wird. Die vier Eier ſind auf grünlichem Grunde
braun gefleckt.

Der Geierrabe wandert nicht, ſondern hält ſich jahraus jahrein in demſelben Gebiete auf. Le
Vaillant
fand ihn überall auf ſeinen Reiſen, an einigen Orten häufiger als an andern, ſehr häufig
im Lande der großen Namaquen, ſeltener in der Umgebung der Kapſtadt. Zuweilen miſcht er ſich
auch mit andern Rabenarten zuſammen, welche ja ohnehin dieſelbe Nahrung mit ihm theilen.



Südlich des 18. Grads nördl. Breite begegnet man zuerſt einem durch ſein Gefieder ſehr aus-
gezeichneten kleinen ſchwachſchnäbligen Raben, welcher weit über Afrika verbreitet iſt und im Weſten
durch eine ſehr nahe verwandte Art vertreten wird: dem Schildraben (Pterocorax scapulatus).
Er iſt glänzend ſchwarz, auf der Oberbruſt und einem breiten Nackenbande aber blendendweiß. Das
dunkle Gefieder ſchillert, das lichte glänzt wie Atlas. Das Auge iſt lichtbraun, der Schnabel und
die Füße ſind ſchwarz. Die Länge beträgt ungefähr 18 Zoll, die Fittiglänge 13 Zoll, die Schwanz-
länge 6 Zoll.

Jm ganzen Sudahn und auch in den Tiefebenen Abiſſiniens iſt der Schildrabe eine überall vor-
kommende, wenn auch nicht gerade gemeine Erſcheinung. Er gehört nach meinen Beobachtungen den
Ebenen an und fehlt dem Gebirge, in welchem ihn der Geierrabe ſo würdig vertritt. Jch habe ihn
gewöhnlich paarweiſe gefunden. Zuweilen vereinigen ſich übrigens mehrere Paare zu einer kleinen
Geſellſchaft, welche jedoch niemals längere Zeit zuſammenbleibt. Jn größeren Scharen habe ich ihn
nicht bemerkt.

Hartmann ſagt, daß ihn der Schildrabe nicht blos durch ſeine Befiederung, ſondern auch durch
ſein poſſirliches Weſen an die Elſter erinnert habe: ich meinestheils glaube gefunden zu haben, daß
er unſeren Kolkraben mehr, als allen übrigen Verwandten entſpricht. So viel aber iſt gewiß: er iſt
ein höchſt zierliches Thier. „Sein Flug‟, ſo habe ich in meinen „Ergebniſſen u. ſ. w.‟ geſagt, „iſt
gewandt, leicht, ſchwebend und ſehr ſchnell; dabei nimmt ſich der Vogel prächtig aus. Die ſpitzen
Schwingen und der abgerundete Schwanz geben ihm beinahe etwas Falkenartiges, und der weiße
Bruſtfleck ſchimmert auf weit hin. Sein Gang iſt ernſt und würdevoll, aber doch leicht und fördernd;
ſeine Stimme iſt ein ſanftes „Kurr‟, welches entfernt an manchen Ton des Kolkraben erinnert.‟

„Jn allen Gegenden, wo der Schildrabe häufig iſt, hat er ſich mit dem Menſchen befreundet.
Scheu fand ich ihn nur in manchen Theilen der Samhara; doch war es auch hier mehr die fremd-
artige, ihm auffallende Erſcheinung des Europäers, als die Furcht vor dem Menſchen überhaupt,

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[350/0378] Die Knacker. Rabenvögel. Raben. andere Reiſende, welche denſelben Vogel oder ſeinen Verwandten beobachten konnten, urtheilen anders. Der Geierrabe, erzählt Le Baillant, iſt gefräßig, frech, unrein, ſchreiluſtig und ungeſellig; er vertritt alſo den Raben vollſtändig. Seine Stimme ähnelt mehr oder weniger dieſem Verwandten, wie denn der Geierrabe überhaupt in ſeinen Sitten und Weſen dem Bilde jenes allbekannten Vogels entſpricht. Seine Hauptnahrung iſt Aas, und auf ihm vereinigt er ſich oft zu ſehr ſtarken Trupps. Er liebt es aber auch, lebende Beute zu machen, greift Schafe und junge Gazellen an, hackt ihnen die Augen und die Zunge aus und tödtet und zerreißt ſie. Nicht minder folgt er den Herden der Büffel, der Rinder und Pferde, ſelbſt dem Nashorn und dem Elefanten, welche ihm ebenfalls Nahrung zollen müſſen. Hätte er die nöthige Kraft, er würde dieſen Thieren gefährlich werden; ſo aber muß er ſich begnügen, mit ſeinem Schnabel die wunden Stellen zu bearbeiten, welche durch Zecken und Maden verurſacht werden. Dieſe Quälgeiſter der Säugethiere finden ſich bei vielen von ihnen ſo zahlreich, daß ſie es den Raben gern erlauben, auf ihrem Rücken herumzuhacken, ſelbſt wenn das Blut danach läuft; denn der Rabe begnügt ſich nicht mit den Kerbthieren, ſondern frißt auch die eiternden Wunden aus. Er niſtet im Oktober und legt ein großes Neſt auf den Baumzweigen aus Reiſig an, deſſen innere Mulde mit weicheren Stoffen ausgefüttert wird. Die vier Eier ſind auf grünlichem Grunde braun gefleckt. Der Geierrabe wandert nicht, ſondern hält ſich jahraus jahrein in demſelben Gebiete auf. Le Vaillant fand ihn überall auf ſeinen Reiſen, an einigen Orten häufiger als an andern, ſehr häufig im Lande der großen Namaquen, ſeltener in der Umgebung der Kapſtadt. Zuweilen miſcht er ſich auch mit andern Rabenarten zuſammen, welche ja ohnehin dieſelbe Nahrung mit ihm theilen. Südlich des 18. Grads nördl. Breite begegnet man zuerſt einem durch ſein Gefieder ſehr aus- gezeichneten kleinen ſchwachſchnäbligen Raben, welcher weit über Afrika verbreitet iſt und im Weſten durch eine ſehr nahe verwandte Art vertreten wird: dem Schildraben (Pterocorax scapulatus). Er iſt glänzend ſchwarz, auf der Oberbruſt und einem breiten Nackenbande aber blendendweiß. Das dunkle Gefieder ſchillert, das lichte glänzt wie Atlas. Das Auge iſt lichtbraun, der Schnabel und die Füße ſind ſchwarz. Die Länge beträgt ungefähr 18 Zoll, die Fittiglänge 13 Zoll, die Schwanz- länge 6 Zoll. Jm ganzen Sudahn und auch in den Tiefebenen Abiſſiniens iſt der Schildrabe eine überall vor- kommende, wenn auch nicht gerade gemeine Erſcheinung. Er gehört nach meinen Beobachtungen den Ebenen an und fehlt dem Gebirge, in welchem ihn der Geierrabe ſo würdig vertritt. Jch habe ihn gewöhnlich paarweiſe gefunden. Zuweilen vereinigen ſich übrigens mehrere Paare zu einer kleinen Geſellſchaft, welche jedoch niemals längere Zeit zuſammenbleibt. Jn größeren Scharen habe ich ihn nicht bemerkt. Hartmann ſagt, daß ihn der Schildrabe nicht blos durch ſeine Befiederung, ſondern auch durch ſein poſſirliches Weſen an die Elſter erinnert habe: ich meinestheils glaube gefunden zu haben, daß er unſeren Kolkraben mehr, als allen übrigen Verwandten entſpricht. So viel aber iſt gewiß: er iſt ein höchſt zierliches Thier. „Sein Flug‟, ſo habe ich in meinen „Ergebniſſen u. ſ. w.‟ geſagt, „iſt gewandt, leicht, ſchwebend und ſehr ſchnell; dabei nimmt ſich der Vogel prächtig aus. Die ſpitzen Schwingen und der abgerundete Schwanz geben ihm beinahe etwas Falkenartiges, und der weiße Bruſtfleck ſchimmert auf weit hin. Sein Gang iſt ernſt und würdevoll, aber doch leicht und fördernd; ſeine Stimme iſt ein ſanftes „Kurr‟, welches entfernt an manchen Ton des Kolkraben erinnert.‟ „Jn allen Gegenden, wo der Schildrabe häufig iſt, hat er ſich mit dem Menſchen befreundet. Scheu fand ich ihn nur in manchen Theilen der Samhara; doch war es auch hier mehr die fremd- artige, ihm auffallende Erſcheinung des Europäers, als die Furcht vor dem Menſchen überhaupt,

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 350. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/378>, abgerufen am 25.11.2024.