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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Band- und Purpurschwalbe.
Schonung angedeihen läßt, sondern den man auch durch Vorrichtungen mancherlei Art in der
Nähe der Wohnungen zu fesseln sucht. Letzteres geschieht wenigstens in Nordamerika; im Süden des
Erdtheils, wo sie ebenfalls weit verbreitet und häufig ist, unterstützt man sie nicht, behelligt sie aber
auch nicht.

Nach Audubon erscheint die Purpurschwalbe in der Umgegend der Stadt Neuorleans zwischen
dem ersten und neunten Februar, gelegentlich wohl auch einige Tage früher, und dann sieht man sie
bald überall über der Stadt und dem Flusse dahinschweben. An den Fällen des Ohio hat unser
Forscher die Vögel erst am funfzehnten März ankommen sehen und zwar in kleinen Gesellschaften von
fünf oder sechs Stück; erst Ausgang März waren sie dort häufig; in Missouri kommen sie sogar
erst zwischen dem zehnten und funfzehnten April an. Sie pflegen im Lande bis gegen die Mitte des
August zu verweilen und dann gemächlich dem Süden wieder zuzuwandern. Dann sammeln sie sich
in Flüge von funfzig bis hundert und mehr um die Spitze eines Kirchthurmes oder um die Zweige
eines großen, abgestorbenen Baumes und treten vonhieraus gemeinschaftlich ihre Reise an.

Jm Allgemeinen ähnelt die Purpurschwalbe hinsichtlich ihres Fluges der Mehlschwalbe mehr,
als andern; wenigstens kann der Flug mit dem der amerikanischen Rauchschwalbe nicht verglichen
werden. Doch ist er immer noch schnell und anmuthig genug und übertrifft den anderer Vögel, mit
Ausnahme der Verwandten, bei weitem. Obgleich auch sie den größten Theil ihrer Geschäfte
fliegend abmacht und zumal im Fluge jagt oder jagend trinkt und sich badet, kommt sie doch auch oft
zum Boden herab und bewegt sich hier, ungeachtet der Kürze ihrer Füße, mit ziemlichem Geschick, nimmt
wohl selbst ein Kerbthier von hier weg und zeigt sich sogar einigermaßen gewandt im Gezweig der
Bäume, auf deren vorragenden Aesten sie sich, wie unsere Rauchschwalbe, oft niederläßt. Letzterer
gleicht sie außerdem hinsichtlich ihrer Keckheit und ihres Muthes. Sie zeigt den Raubthieren gegen-
über die größte Feindschaft und verfolgt namentlich Katzen, Hunde, Falken, Krähen und Geier mit
größtem Eifer. Die vorüberfliegenden Raubvögel fällt sie mit Jngrimm an und plagt sie so lange,
bis sie dieselben aus der Umgebung ihres Nestes vertrieben hat.

Jn den meisten Staaten Mittelamerikas erbaut man für die Purpurschwalbe eigene Wohnungen
nach Art unserer Staarkasten oder hängt ihr ausgehöhlte und mit einem Eingangsloch versehene
Flaschenkürbisse an die Bäume auf. Diese nimmt sie gern in Besitz. Sie vertreibt aber, wie unsere
Schwalben ebenfalls zu thun pflegen, auch andere Höhlenbrüter aus denselben und duldet überhaupt
in der Nähe ihrer Behausung keinen andern Vogel, welcher unter ähnlichen Umständen nistet wie sie.

Der Gesang ist nicht gerade klangreich, jedoch ansprechend. Das Gezwitscher des Männchens,
welches dieses zu Ehren seines Weibchens hören läßt, unterhält und erfreut auch deshalb, weil es zuerst
mit am Morgen gehört wird und gewissermaßen ein Willkomm des Tages ist. Selbst der Jndianer
freut sich über den Vogel, und auch er sucht ihn deshalb in der Nähe seiner Hütte zu fesseln.

Jn den mittleren Staaten nistet die Purpurschwalbe zum ersten Male Ende Aprils. Das Nest
besteht aus dürren Zweigen mancherlei Art, aus Gräsern, grünen und trockenen Blättern,
Federn und dergleichen. Das Gelege enthält vier bis sechs reinweiße Eier. Ende Mai's ist die erste
Brut flügge, Mitte Juli's die zweite. Jn Louisiana und anderen südlichen Staaten wird wohl auch
noch eine dritte herangezogen. Das Männchen hilft brüten und ist überhaupt außerordentlich
aufmerksam gegen seine Gattin. Es schlüpft aus und ein in die Höhle und sitzt stundenlang vor dem
Eingange zwitschernd und singend, in der Absicht, das Weibchen zu erfreuen. Wenn sich Gelegen-
heit zum Brüten für mehrere Paare findet, herrscht unter diesen die vollständigste Eintracht.



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Band- und Purpurſchwalbe.
Schonung angedeihen läßt, ſondern den man auch durch Vorrichtungen mancherlei Art in der
Nähe der Wohnungen zu feſſeln ſucht. Letzteres geſchieht wenigſtens in Nordamerika; im Süden des
Erdtheils, wo ſie ebenfalls weit verbreitet und häufig iſt, unterſtützt man ſie nicht, behelligt ſie aber
auch nicht.

Nach Audubon erſcheint die Purpurſchwalbe in der Umgegend der Stadt Neuorleans zwiſchen
dem erſten und neunten Februar, gelegentlich wohl auch einige Tage früher, und dann ſieht man ſie
bald überall über der Stadt und dem Fluſſe dahinſchweben. An den Fällen des Ohio hat unſer
Forſcher die Vögel erſt am funfzehnten März ankommen ſehen und zwar in kleinen Geſellſchaften von
fünf oder ſechs Stück; erſt Ausgang März waren ſie dort häufig; in Miſſouri kommen ſie ſogar
erſt zwiſchen dem zehnten und funfzehnten April an. Sie pflegen im Lande bis gegen die Mitte des
Auguſt zu verweilen und dann gemächlich dem Süden wieder zuzuwandern. Dann ſammeln ſie ſich
in Flüge von funfzig bis hundert und mehr um die Spitze eines Kirchthurmes oder um die Zweige
eines großen, abgeſtorbenen Baumes und treten vonhieraus gemeinſchaftlich ihre Reiſe an.

Jm Allgemeinen ähnelt die Purpurſchwalbe hinſichtlich ihres Fluges der Mehlſchwalbe mehr,
als andern; wenigſtens kann der Flug mit dem der amerikaniſchen Rauchſchwalbe nicht verglichen
werden. Doch iſt er immer noch ſchnell und anmuthig genug und übertrifft den anderer Vögel, mit
Ausnahme der Verwandten, bei weitem. Obgleich auch ſie den größten Theil ihrer Geſchäfte
fliegend abmacht und zumal im Fluge jagt oder jagend trinkt und ſich badet, kommt ſie doch auch oft
zum Boden herab und bewegt ſich hier, ungeachtet der Kürze ihrer Füße, mit ziemlichem Geſchick, nimmt
wohl ſelbſt ein Kerbthier von hier weg und zeigt ſich ſogar einigermaßen gewandt im Gezweig der
Bäume, auf deren vorragenden Aeſten ſie ſich, wie unſere Rauchſchwalbe, oft niederläßt. Letzterer
gleicht ſie außerdem hinſichtlich ihrer Keckheit und ihres Muthes. Sie zeigt den Raubthieren gegen-
über die größte Feindſchaft und verfolgt namentlich Katzen, Hunde, Falken, Krähen und Geier mit
größtem Eifer. Die vorüberfliegenden Raubvögel fällt ſie mit Jngrimm an und plagt ſie ſo lange,
bis ſie dieſelben aus der Umgebung ihres Neſtes vertrieben hat.

Jn den meiſten Staaten Mittelamerikas erbaut man für die Purpurſchwalbe eigene Wohnungen
nach Art unſerer Staarkaſten oder hängt ihr ausgehöhlte und mit einem Eingangsloch verſehene
Flaſchenkürbiſſe an die Bäume auf. Dieſe nimmt ſie gern in Beſitz. Sie vertreibt aber, wie unſere
Schwalben ebenfalls zu thun pflegen, auch andere Höhlenbrüter aus denſelben und duldet überhaupt
in der Nähe ihrer Behauſung keinen andern Vogel, welcher unter ähnlichen Umſtänden niſtet wie ſie.

Der Geſang iſt nicht gerade klangreich, jedoch anſprechend. Das Gezwitſcher des Männchens,
welches dieſes zu Ehren ſeines Weibchens hören läßt, unterhält und erfreut auch deshalb, weil es zuerſt
mit am Morgen gehört wird und gewiſſermaßen ein Willkomm des Tages iſt. Selbſt der Jndianer
freut ſich über den Vogel, und auch er ſucht ihn deshalb in der Nähe ſeiner Hütte zu feſſeln.

Jn den mittleren Staaten niſtet die Purpurſchwalbe zum erſten Male Ende Aprils. Das Neſt
beſteht aus dürren Zweigen mancherlei Art, aus Gräſern, grünen und trockenen Blättern,
Federn und dergleichen. Das Gelege enthält vier bis ſechs reinweiße Eier. Ende Mai’s iſt die erſte
Brut flügge, Mitte Juli’s die zweite. Jn Louiſiana und anderen ſüdlichen Staaten wird wohl auch
noch eine dritte herangezogen. Das Männchen hilft brüten und iſt überhaupt außerordentlich
aufmerkſam gegen ſeine Gattin. Es ſchlüpft aus und ein in die Höhle und ſitzt ſtundenlang vor dem
Eingange zwitſchernd und ſingend, in der Abſicht, das Weibchen zu erfreuen. Wenn ſich Gelegen-
heit zum Brüten für mehrere Paare findet, herrſcht unter dieſen die vollſtändigſte Eintracht.



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[643/0679] Band- und Purpurſchwalbe. Schonung angedeihen läßt, ſondern den man auch durch Vorrichtungen mancherlei Art in der Nähe der Wohnungen zu feſſeln ſucht. Letzteres geſchieht wenigſtens in Nordamerika; im Süden des Erdtheils, wo ſie ebenfalls weit verbreitet und häufig iſt, unterſtützt man ſie nicht, behelligt ſie aber auch nicht. Nach Audubon erſcheint die Purpurſchwalbe in der Umgegend der Stadt Neuorleans zwiſchen dem erſten und neunten Februar, gelegentlich wohl auch einige Tage früher, und dann ſieht man ſie bald überall über der Stadt und dem Fluſſe dahinſchweben. An den Fällen des Ohio hat unſer Forſcher die Vögel erſt am funfzehnten März ankommen ſehen und zwar in kleinen Geſellſchaften von fünf oder ſechs Stück; erſt Ausgang März waren ſie dort häufig; in Miſſouri kommen ſie ſogar erſt zwiſchen dem zehnten und funfzehnten April an. Sie pflegen im Lande bis gegen die Mitte des Auguſt zu verweilen und dann gemächlich dem Süden wieder zuzuwandern. Dann ſammeln ſie ſich in Flüge von funfzig bis hundert und mehr um die Spitze eines Kirchthurmes oder um die Zweige eines großen, abgeſtorbenen Baumes und treten vonhieraus gemeinſchaftlich ihre Reiſe an. Jm Allgemeinen ähnelt die Purpurſchwalbe hinſichtlich ihres Fluges der Mehlſchwalbe mehr, als andern; wenigſtens kann der Flug mit dem der amerikaniſchen Rauchſchwalbe nicht verglichen werden. Doch iſt er immer noch ſchnell und anmuthig genug und übertrifft den anderer Vögel, mit Ausnahme der Verwandten, bei weitem. Obgleich auch ſie den größten Theil ihrer Geſchäfte fliegend abmacht und zumal im Fluge jagt oder jagend trinkt und ſich badet, kommt ſie doch auch oft zum Boden herab und bewegt ſich hier, ungeachtet der Kürze ihrer Füße, mit ziemlichem Geſchick, nimmt wohl ſelbſt ein Kerbthier von hier weg und zeigt ſich ſogar einigermaßen gewandt im Gezweig der Bäume, auf deren vorragenden Aeſten ſie ſich, wie unſere Rauchſchwalbe, oft niederläßt. Letzterer gleicht ſie außerdem hinſichtlich ihrer Keckheit und ihres Muthes. Sie zeigt den Raubthieren gegen- über die größte Feindſchaft und verfolgt namentlich Katzen, Hunde, Falken, Krähen und Geier mit größtem Eifer. Die vorüberfliegenden Raubvögel fällt ſie mit Jngrimm an und plagt ſie ſo lange, bis ſie dieſelben aus der Umgebung ihres Neſtes vertrieben hat. Jn den meiſten Staaten Mittelamerikas erbaut man für die Purpurſchwalbe eigene Wohnungen nach Art unſerer Staarkaſten oder hängt ihr ausgehöhlte und mit einem Eingangsloch verſehene Flaſchenkürbiſſe an die Bäume auf. Dieſe nimmt ſie gern in Beſitz. Sie vertreibt aber, wie unſere Schwalben ebenfalls zu thun pflegen, auch andere Höhlenbrüter aus denſelben und duldet überhaupt in der Nähe ihrer Behauſung keinen andern Vogel, welcher unter ähnlichen Umſtänden niſtet wie ſie. Der Geſang iſt nicht gerade klangreich, jedoch anſprechend. Das Gezwitſcher des Männchens, welches dieſes zu Ehren ſeines Weibchens hören läßt, unterhält und erfreut auch deshalb, weil es zuerſt mit am Morgen gehört wird und gewiſſermaßen ein Willkomm des Tages iſt. Selbſt der Jndianer freut ſich über den Vogel, und auch er ſucht ihn deshalb in der Nähe ſeiner Hütte zu feſſeln. Jn den mittleren Staaten niſtet die Purpurſchwalbe zum erſten Male Ende Aprils. Das Neſt beſteht aus dürren Zweigen mancherlei Art, aus Gräſern, grünen und trockenen Blättern, Federn und dergleichen. Das Gelege enthält vier bis ſechs reinweiße Eier. Ende Mai’s iſt die erſte Brut flügge, Mitte Juli’s die zweite. Jn Louiſiana und anderen ſüdlichen Staaten wird wohl auch noch eine dritte herangezogen. Das Männchen hilft brüten und iſt überhaupt außerordentlich aufmerkſam gegen ſeine Gattin. Es ſchlüpft aus und ein in die Höhle und ſitzt ſtundenlang vor dem Eingange zwitſchernd und ſingend, in der Abſicht, das Weibchen zu erfreuen. Wenn ſich Gelegen- heit zum Brüten für mehrere Paare findet, herrſcht unter dieſen die vollſtändigſte Eintracht. 41 *

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 643. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/679>, abgerufen am 22.11.2024.