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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Sperrvögel. Segler.

Jn einigen Lehrbüchern der Neuzeit werden die Segler, in denen ältere Naturforscher die
nächsten Verwandten der Schwalben sahen, von diesen getrennt und einer andern Ordnung zugetheilt.
Man hat geglaubt, zwischen Kolibris und Seglern größere Aehnlichkeit herauszusinden, als
zwischen den letztgenannten und den Schwalben.

Die Forschung, welche auf das Leben der Thiere nur einige Rücksicht nimmt, verwehrt eine der-
artige Trennung auf das Entschiedenste. Es soll gar nicht in Abrede gestellt werden, daß die Familie
der Segler durchaus nicht in jeder Hinsicht mit den Schwalben übereinstimmt: alle zu ihr gehörigen
Mitglieder bekunden vielmehr ein sehr selbständiges Gepräge, und eben deshalb ist die Familien-
trennung beider Gruppen vollkommen gerechtfertigt; zieht man aber die Summe der Merkmale in
Betracht, so wird man immer noch größere Uebereinstimmungen zwischen den Schwalben und Seglern
sehen müssen, als solche zwischen Seglern und Kolibris stattfinden. Dazu kommt, daß einige aus-
ländische Arten so recht eigentlich als Uebergangs- oder Verbindungsglieder zwischen den Schwalben
und den wahren Seglern betrachtet werden können, während zwischen Seglern und Kolibris jedes
Mittelglied fehlt.

Jn ihrer äußeren Erscheinung ähneln die Segler den Schwalben sehr, hinsichtlich des Flügel-
schnittes und Schwanzbaues aber erinnern sie wieder an die Kolibris. Es fragt sich nun, ob auf
diese beiden Unterscheidungsmerkmale zwischen Schwalben und Seglern, zu denen noch ein drittes
wesentliches, der Mangel der Singmuskeln kommt, ein so großes Gewicht gelegt werden darf, daß
man Schwalben und Segler besondern Ordnungen einreihen muß, oder ob Reichenbach recht hat,
welcher die Trennung der beiden Gruppen "das Ergebniß einer unglücklichen Phantasie" nennt.

Eingehendere Betrachtung unserer Vögel ergibt Folgendes: Die Segler (Cypseli) sind mittel-
große oder kleine Vögel mit lang gestrecktem Leib, kurzem Hals und breitem, ziemlich flach gewölbten
Kopf, welcher einen kleinen, äußerst kurzen und schwachen, dreieckigen, d. h. hinten verbreiteten, an der
Spitze aber zusammengedrückten, etwas bogenförmigen Schnabel trägt, dessen Kinnladen sich so tief
spalten, daß der Rachen sehr weit geöffnet werden kann. Die Flügel sind schmal und wegen der
gekrümmten Schwingen säbelförmig gebogen; der Handtheil trägt zehn Schwingen, und von diesen
ist die erste die längste oder bei einigen Arten höchstens etwas gegen die zweite verkürzt; der Armtheil
hingegen trägt nur sieben bis acht Schwingen, welche breit zugerundet und am Ende leicht ausge-
buchtet, aber nicht spitz sind, wie die Handschwingen. Der Schwanz ist sehr verschieden gestaltet, bald
länger, bald kürzer, bald seichter, bald tiefer ausgeschnitten; er besteht aber nur aus zehn, nicht aus
zwölf Federn. Die Füße sind kurz und verhältnißmäßig kräftig: Dies spricht sich namentlich im
Lauftheile aus. Die kurzen Zehen sind mit seitlich zusammengedrückten, stark gebogenen und sehr
spitzen Krallen bewehrt. Das Gefieder ist im Allgemeinen kleinfedrig und derb, ausnahmsweise durch
metallisch glänzende Färbung ausgezeichnet, gewöhnlich einfarbig und düster.

Nach Nitzsch ähneln die Segler, "soweit sich nach Untersuchung des Mauerseglers beurtheilen
läßt, den Schwalben, wie in den äußeren Formen, so auch in einigen Verhältnissen des innern Baus,
als namentlich in der Form des Kopfgerüstes, besonders der Gaumenbeine, in der Kürze des Ober-
arms und in der Länge der Hand. Jm Besitz des Röhrenbeinchens, der Armpadelle, in der
Beschaffenheit der Luftzellen des Rumpfes, der Leber und der doppelten Bauchspeicheldrüse stimmen sie
ebenfalls mit denselben, sowie mit andern (Singvögeln) überein. Allein sie entfernen sich in vielen
Punkten gar sehr von den letzteren und in einigen von allen Vögeln." Das Brustbein ist groß,
länger als breit, nach hinten allmählich immer breiter werdend, ohne Spur einer häutigen Bucht oder
Jnsel, am hintern Rande mit hohem, großen Kiel. Die Vorderglieder sind durch die Kürze der
Oberarmknochen und die Länge der Hand noch weit mehr ausgezeichnet, als die der Schwalben, in
denen der Luft führende Oberarmknochen, welcher drei sonderbare, fast hakenförmige Fortsätze zeigt,
nur die Länge des zweiten Gliedes, des Langfingers, hat und der Handtheil im ganzen Vordergliede
überwiegt. "Außer den Kolibris dürfte keine Vogelfamilie eine so ungewöhnlich lange Hand und
einen so ungemein kurzen Oberarm haben. Ganz einzig ist die Gliederung der Fußzehen; denn statt

Die Fänger. Sperrvögel. Segler.

Jn einigen Lehrbüchern der Neuzeit werden die Segler, in denen ältere Naturforſcher die
nächſten Verwandten der Schwalben ſahen, von dieſen getrennt und einer andern Ordnung zugetheilt.
Man hat geglaubt, zwiſchen Kolibris und Seglern größere Aehnlichkeit herauszuſinden, als
zwiſchen den letztgenannten und den Schwalben.

Die Forſchung, welche auf das Leben der Thiere nur einige Rückſicht nimmt, verwehrt eine der-
artige Trennung auf das Entſchiedenſte. Es ſoll gar nicht in Abrede geſtellt werden, daß die Familie
der Segler durchaus nicht in jeder Hinſicht mit den Schwalben übereinſtimmt: alle zu ihr gehörigen
Mitglieder bekunden vielmehr ein ſehr ſelbſtändiges Gepräge, und eben deshalb iſt die Familien-
trennung beider Gruppen vollkommen gerechtfertigt; zieht man aber die Summe der Merkmale in
Betracht, ſo wird man immer noch größere Uebereinſtimmungen zwiſchen den Schwalben und Seglern
ſehen müſſen, als ſolche zwiſchen Seglern und Kolibris ſtattfinden. Dazu kommt, daß einige aus-
ländiſche Arten ſo recht eigentlich als Uebergangs- oder Verbindungsglieder zwiſchen den Schwalben
und den wahren Seglern betrachtet werden können, während zwiſchen Seglern und Kolibris jedes
Mittelglied fehlt.

Jn ihrer äußeren Erſcheinung ähneln die Segler den Schwalben ſehr, hinſichtlich des Flügel-
ſchnittes und Schwanzbaues aber erinnern ſie wieder an die Kolibris. Es fragt ſich nun, ob auf
dieſe beiden Unterſcheidungsmerkmale zwiſchen Schwalben und Seglern, zu denen noch ein drittes
weſentliches, der Mangel der Singmuskeln kommt, ein ſo großes Gewicht gelegt werden darf, daß
man Schwalben und Segler beſondern Ordnungen einreihen muß, oder ob Reichenbach recht hat,
welcher die Trennung der beiden Gruppen „das Ergebniß einer unglücklichen Phantaſie‟ nennt.

Eingehendere Betrachtung unſerer Vögel ergibt Folgendes: Die Segler (Cypseli) ſind mittel-
große oder kleine Vögel mit lang geſtrecktem Leib, kurzem Hals und breitem, ziemlich flach gewölbten
Kopf, welcher einen kleinen, äußerſt kurzen und ſchwachen, dreieckigen, d. h. hinten verbreiteten, an der
Spitze aber zuſammengedrückten, etwas bogenförmigen Schnabel trägt, deſſen Kinnladen ſich ſo tief
ſpalten, daß der Rachen ſehr weit geöffnet werden kann. Die Flügel ſind ſchmal und wegen der
gekrümmten Schwingen ſäbelförmig gebogen; der Handtheil trägt zehn Schwingen, und von dieſen
iſt die erſte die längſte oder bei einigen Arten höchſtens etwas gegen die zweite verkürzt; der Armtheil
hingegen trägt nur ſieben bis acht Schwingen, welche breit zugerundet und am Ende leicht ausge-
buchtet, aber nicht ſpitz ſind, wie die Handſchwingen. Der Schwanz iſt ſehr verſchieden geſtaltet, bald
länger, bald kürzer, bald ſeichter, bald tiefer ausgeſchnitten; er beſteht aber nur aus zehn, nicht aus
zwölf Federn. Die Füße ſind kurz und verhältnißmäßig kräftig: Dies ſpricht ſich namentlich im
Lauftheile aus. Die kurzen Zehen ſind mit ſeitlich zuſammengedrückten, ſtark gebogenen und ſehr
ſpitzen Krallen bewehrt. Das Gefieder iſt im Allgemeinen kleinfedrig und derb, ausnahmsweiſe durch
metalliſch glänzende Färbung ausgezeichnet, gewöhnlich einfarbig und düſter.

Nach Nitzſch ähneln die Segler, „ſoweit ſich nach Unterſuchung des Mauerſeglers beurtheilen
läßt, den Schwalben, wie in den äußeren Formen, ſo auch in einigen Verhältniſſen des innern Baus,
als namentlich in der Form des Kopfgerüſtes, beſonders der Gaumenbeine, in der Kürze des Ober-
arms und in der Länge der Hand. Jm Beſitz des Röhrenbeinchens, der Armpadelle, in der
Beſchaffenheit der Luftzellen des Rumpfes, der Leber und der doppelten Bauchſpeicheldrüſe ſtimmen ſie
ebenfalls mit denſelben, ſowie mit andern (Singvögeln) überein. Allein ſie entfernen ſich in vielen
Punkten gar ſehr von den letzteren und in einigen von allen Vögeln.‟ Das Bruſtbein iſt groß,
länger als breit, nach hinten allmählich immer breiter werdend, ohne Spur einer häutigen Bucht oder
Jnſel, am hintern Rande mit hohem, großen Kiel. Die Vorderglieder ſind durch die Kürze der
Oberarmknochen und die Länge der Hand noch weit mehr ausgezeichnet, als die der Schwalben, in
denen der Luft führende Oberarmknochen, welcher drei ſonderbare, faſt hakenförmige Fortſätze zeigt,
nur die Länge des zweiten Gliedes, des Langfingers, hat und der Handtheil im ganzen Vordergliede
überwiegt. „Außer den Kolibris dürfte keine Vogelfamilie eine ſo ungewöhnlich lange Hand und
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[644/0680] Die Fänger. Sperrvögel. Segler. Jn einigen Lehrbüchern der Neuzeit werden die Segler, in denen ältere Naturforſcher die nächſten Verwandten der Schwalben ſahen, von dieſen getrennt und einer andern Ordnung zugetheilt. Man hat geglaubt, zwiſchen Kolibris und Seglern größere Aehnlichkeit herauszuſinden, als zwiſchen den letztgenannten und den Schwalben. Die Forſchung, welche auf das Leben der Thiere nur einige Rückſicht nimmt, verwehrt eine der- artige Trennung auf das Entſchiedenſte. Es ſoll gar nicht in Abrede geſtellt werden, daß die Familie der Segler durchaus nicht in jeder Hinſicht mit den Schwalben übereinſtimmt: alle zu ihr gehörigen Mitglieder bekunden vielmehr ein ſehr ſelbſtändiges Gepräge, und eben deshalb iſt die Familien- trennung beider Gruppen vollkommen gerechtfertigt; zieht man aber die Summe der Merkmale in Betracht, ſo wird man immer noch größere Uebereinſtimmungen zwiſchen den Schwalben und Seglern ſehen müſſen, als ſolche zwiſchen Seglern und Kolibris ſtattfinden. Dazu kommt, daß einige aus- ländiſche Arten ſo recht eigentlich als Uebergangs- oder Verbindungsglieder zwiſchen den Schwalben und den wahren Seglern betrachtet werden können, während zwiſchen Seglern und Kolibris jedes Mittelglied fehlt. Jn ihrer äußeren Erſcheinung ähneln die Segler den Schwalben ſehr, hinſichtlich des Flügel- ſchnittes und Schwanzbaues aber erinnern ſie wieder an die Kolibris. Es fragt ſich nun, ob auf dieſe beiden Unterſcheidungsmerkmale zwiſchen Schwalben und Seglern, zu denen noch ein drittes weſentliches, der Mangel der Singmuskeln kommt, ein ſo großes Gewicht gelegt werden darf, daß man Schwalben und Segler beſondern Ordnungen einreihen muß, oder ob Reichenbach recht hat, welcher die Trennung der beiden Gruppen „das Ergebniß einer unglücklichen Phantaſie‟ nennt. Eingehendere Betrachtung unſerer Vögel ergibt Folgendes: Die Segler (Cypseli) ſind mittel- große oder kleine Vögel mit lang geſtrecktem Leib, kurzem Hals und breitem, ziemlich flach gewölbten Kopf, welcher einen kleinen, äußerſt kurzen und ſchwachen, dreieckigen, d. h. hinten verbreiteten, an der Spitze aber zuſammengedrückten, etwas bogenförmigen Schnabel trägt, deſſen Kinnladen ſich ſo tief ſpalten, daß der Rachen ſehr weit geöffnet werden kann. Die Flügel ſind ſchmal und wegen der gekrümmten Schwingen ſäbelförmig gebogen; der Handtheil trägt zehn Schwingen, und von dieſen iſt die erſte die längſte oder bei einigen Arten höchſtens etwas gegen die zweite verkürzt; der Armtheil hingegen trägt nur ſieben bis acht Schwingen, welche breit zugerundet und am Ende leicht ausge- buchtet, aber nicht ſpitz ſind, wie die Handſchwingen. Der Schwanz iſt ſehr verſchieden geſtaltet, bald länger, bald kürzer, bald ſeichter, bald tiefer ausgeſchnitten; er beſteht aber nur aus zehn, nicht aus zwölf Federn. Die Füße ſind kurz und verhältnißmäßig kräftig: Dies ſpricht ſich namentlich im Lauftheile aus. Die kurzen Zehen ſind mit ſeitlich zuſammengedrückten, ſtark gebogenen und ſehr ſpitzen Krallen bewehrt. Das Gefieder iſt im Allgemeinen kleinfedrig und derb, ausnahmsweiſe durch metalliſch glänzende Färbung ausgezeichnet, gewöhnlich einfarbig und düſter. Nach Nitzſch ähneln die Segler, „ſoweit ſich nach Unterſuchung des Mauerſeglers beurtheilen läßt, den Schwalben, wie in den äußeren Formen, ſo auch in einigen Verhältniſſen des innern Baus, als namentlich in der Form des Kopfgerüſtes, beſonders der Gaumenbeine, in der Kürze des Ober- arms und in der Länge der Hand. Jm Beſitz des Röhrenbeinchens, der Armpadelle, in der Beſchaffenheit der Luftzellen des Rumpfes, der Leber und der doppelten Bauchſpeicheldrüſe ſtimmen ſie ebenfalls mit denſelben, ſowie mit andern (Singvögeln) überein. Allein ſie entfernen ſich in vielen Punkten gar ſehr von den letzteren und in einigen von allen Vögeln.‟ Das Bruſtbein iſt groß, länger als breit, nach hinten allmählich immer breiter werdend, ohne Spur einer häutigen Bucht oder Jnſel, am hintern Rande mit hohem, großen Kiel. Die Vorderglieder ſind durch die Kürze der Oberarmknochen und die Länge der Hand noch weit mehr ausgezeichnet, als die der Schwalben, in denen der Luft führende Oberarmknochen, welcher drei ſonderbare, faſt hakenförmige Fortſätze zeigt, nur die Länge des zweiten Gliedes, des Langfingers, hat und der Handtheil im ganzen Vordergliede überwiegt. „Außer den Kolibris dürfte keine Vogelfamilie eine ſo ungewöhnlich lange Hand und einen ſo ungemein kurzen Oberarm haben. Ganz einzig iſt die Gliederung der Fußzehen; denn ſtatt

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 644. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/680>, abgerufen am 26.06.2024.