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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Allgemeines.
der gewöhnlichen Steigerung der Zahl der Zehenglieder, nach welchen der Daumen zwei, die innere
Vorderzehe drei, die mittlere vier und die äußere fünf Glieder hat, ist die Zahl hier zwei, drei, drei,
drei, indem die äußere Zehe um zwei Glieder, die mittlere um ein Glied so zu sagen verkürzt ist.
(Hierzu bemerkt Burmeister, daß dieses Zahlenverhältniß nur für die echten Segler Giltigkeit habe,
während bei andern Arten sich das gewöhnliche Zahlenverhältniß, drei, vier, fünf zeige.) Der untere
Kehlkopf hat nur ein schwaches Muskelpaar; die Zunge ist fast so platt und breit, auch vorn so zuge-
spitzt wie bei den Schwalben; der Schlund ist ohne Bauch oder Kropf, der Vormagen klein, der Magen
schwachmusklig, der Darmschlauch kurz und ohne Spur von Blinddärmen."

Vergleicht man nun diese Merkmale mit denen der Schwalben und der Kolibris, so ergibt sich,
daß man vielleicht sagen könnte, die Segler seien Schwalben mit Kolibriflügeln und Kolibrischwanz.
Legt man auf das eine Muskelpaar am Kehlkopf ein besonderes Gewicht, so sollte man auf der andern
Seite die auffallende Entwickelung der Speicheldrüsen, welche Segler und Schwalben mit einander
gemein haben, billiger Weise auch nicht vergessen und findet man, daß die Verdauungswerkzeuge der
Segler und Kolibris übereinstimmen, so darf man nicht außer Acht lassen, daß diese Uebereinstimmung
ebensogut auch zwischen Seglern und Schwalben bemerkt wird. Man kann ferner gern zugeben, daß
die Aehnlichkeit zwischen dem Schnabel des Seglers und der Schwalbe eine mehr scheinbare, als
wirkliche ist; immerhin wird man festhalten müssen, daß hier doch noch von einer Aehnlichkeit gesprochen
werden kann, während Dies hinsichtlich des Segler- und Kolibrischnabels durchaus nicht der
Fall ist. Soviel ergibt die reine äußere Betrachtung, die Untersuchung des todten Gegenstandes;
das Leben will aber auch in Betracht gezogen sein, wenn es sich darum handelt, Kenntniß eines
Wesens zu gewinnen und Verwandtschaften zwischen ihm und anderen festzustellen. Wenden wir
diese Ansicht auf unsern Fall insbesondere an, so bleibt man wohl kaum in Zweifel, als wessen Ver-
wandte man die Segler zu betrachten hat. Zwischen ihrem Leben und dem der Kolibris läßt sich keine
Aehnlichkeit wahrnehmen, während es bei Betrachtung des Lebens allein oft schwer halten dürfte,
Segler und Schwalben von einander zu trennen.

Die Segler verbreiten sich über alle Erdtheile und bewohnen hier alle Gürtel der Breite mit
Ausnahme des kalten, sowie alle Höhen vom Meeresstrande an bis gegen die Schneegrenze hinauf.
Sie finden sich ebensowohl in Waldungen, wie in waldlosen Gegenden, vorzugsweise aber in Gebirgen
und Städten, weil Felswände und Mauern ihnen die passendsten Nistplätze gewähren.

Mehr als andere Vögel bewohnen sie im eigentlichen Sinne des Worts das Luftmeer. Vom
frühen Morgen an bis in die Nacht hinein sind sie in Thätigkeit, während ihrer Brutzeit so zu sagen
in ununterbrochener. Jhre Kraft scheint niemals zu ermatten und ihre Nachtruhe auf wenige
Stunden beschränkt zu sein. Vortreffliche Flugwerkzeuge setzen sie in den Stand, ohne Beschwerde
tagtäglich Strecken zu durcheilen, welche zusammengerechnet Hunderte von Meilen betragen müssen.
Abweichend von den Schwalben fliegen sie gewöhnlich in sehr hohen Luftschichten dahin, und einzelne
Arten wirbeln und schrauben sich zu solchen Höhen empor, daß sie unserm Auge vollständig ent-
schwinden. Jhr Flug kennzeichnet sie von weitem. Die Flügel gleichen, wenn sie ausgebreitet sind,
einem Halbmonde, und sie werden so rasch und heftig bewegt, daß man mehr an das Schwirren der
Kerbthiere und bezüglich der Kolibris erinnert wird, als an den Flügelschlag anderer Vögel. Zu-
weilen regeln sie ihren Flug minutenlang nur durch verschiedenes Einstellen der Flugwerkzeuge, durch
leichte Drehung der Flügel und des Schwanzes, welches wir kaum oder nicht wahrnehmen. Trotzdem
jagen sie pfeilschnell durch die Lüfte. Wendungen und Drehungen aller Art wissen auch sie meister-
haft auszuführen; an Zierlichkeit und Anmuth der Bewegung aber stehen sie hinter den Edelschwalben
weit zurück. Auf dem Boden erscheinen sie als hilflose Geschöpfe: sie sind unfähig, zu gehen, unfähig
fast, zu kriechen. Dagegen klettern sie, wenn auch nicht geschickt, so doch mit ziemlicher Fertigkeit an
Mauer- oder Felswänden empor und in Höhlungen hin und her.

Jhre ewige Nastlosigkeit bedingt einen bedeutenden Verbrauch der Kraft und demgemäß auch
ungewöhnlich reichen Ersatz. Die Segler sind gefräßiger, als alle übrigen Schwalben und vertilgen

Allgemeines.
der gewöhnlichen Steigerung der Zahl der Zehenglieder, nach welchen der Daumen zwei, die innere
Vorderzehe drei, die mittlere vier und die äußere fünf Glieder hat, iſt die Zahl hier zwei, drei, drei,
drei, indem die äußere Zehe um zwei Glieder, die mittlere um ein Glied ſo zu ſagen verkürzt iſt.
(Hierzu bemerkt Burmeiſter, daß dieſes Zahlenverhältniß nur für die echten Segler Giltigkeit habe,
während bei andern Arten ſich das gewöhnliche Zahlenverhältniß, drei, vier, fünf zeige.) Der untere
Kehlkopf hat nur ein ſchwaches Muskelpaar; die Zunge iſt faſt ſo platt und breit, auch vorn ſo zuge-
ſpitzt wie bei den Schwalben; der Schlund iſt ohne Bauch oder Kropf, der Vormagen klein, der Magen
ſchwachmusklig, der Darmſchlauch kurz und ohne Spur von Blinddärmen.‟

Vergleicht man nun dieſe Merkmale mit denen der Schwalben und der Kolibris, ſo ergibt ſich,
daß man vielleicht ſagen könnte, die Segler ſeien Schwalben mit Kolibriflügeln und Kolibriſchwanz.
Legt man auf das eine Muskelpaar am Kehlkopf ein beſonderes Gewicht, ſo ſollte man auf der andern
Seite die auffallende Entwickelung der Speicheldrüſen, welche Segler und Schwalben mit einander
gemein haben, billiger Weiſe auch nicht vergeſſen und findet man, daß die Verdauungswerkzeuge der
Segler und Kolibris übereinſtimmen, ſo darf man nicht außer Acht laſſen, daß dieſe Uebereinſtimmung
ebenſogut auch zwiſchen Seglern und Schwalben bemerkt wird. Man kann ferner gern zugeben, daß
die Aehnlichkeit zwiſchen dem Schnabel des Seglers und der Schwalbe eine mehr ſcheinbare, als
wirkliche iſt; immerhin wird man feſthalten müſſen, daß hier doch noch von einer Aehnlichkeit geſprochen
werden kann, während Dies hinſichtlich des Segler- und Kolibriſchnabels durchaus nicht der
Fall iſt. Soviel ergibt die reine äußere Betrachtung, die Unterſuchung des todten Gegenſtandes;
das Leben will aber auch in Betracht gezogen ſein, wenn es ſich darum handelt, Kenntniß eines
Weſens zu gewinnen und Verwandtſchaften zwiſchen ihm und anderen feſtzuſtellen. Wenden wir
dieſe Anſicht auf unſern Fall insbeſondere an, ſo bleibt man wohl kaum in Zweifel, als weſſen Ver-
wandte man die Segler zu betrachten hat. Zwiſchen ihrem Leben und dem der Kolibris läßt ſich keine
Aehnlichkeit wahrnehmen, während es bei Betrachtung des Lebens allein oft ſchwer halten dürfte,
Segler und Schwalben von einander zu trennen.

Die Segler verbreiten ſich über alle Erdtheile und bewohnen hier alle Gürtel der Breite mit
Ausnahme des kalten, ſowie alle Höhen vom Meeresſtrande an bis gegen die Schneegrenze hinauf.
Sie finden ſich ebenſowohl in Waldungen, wie in waldloſen Gegenden, vorzugsweiſe aber in Gebirgen
und Städten, weil Felswände und Mauern ihnen die paſſendſten Niſtplätze gewähren.

Mehr als andere Vögel bewohnen ſie im eigentlichen Sinne des Worts das Luftmeer. Vom
frühen Morgen an bis in die Nacht hinein ſind ſie in Thätigkeit, während ihrer Brutzeit ſo zu ſagen
in ununterbrochener. Jhre Kraft ſcheint niemals zu ermatten und ihre Nachtruhe auf wenige
Stunden beſchränkt zu ſein. Vortreffliche Flugwerkzeuge ſetzen ſie in den Stand, ohne Beſchwerde
tagtäglich Strecken zu durcheilen, welche zuſammengerechnet Hunderte von Meilen betragen müſſen.
Abweichend von den Schwalben fliegen ſie gewöhnlich in ſehr hohen Luftſchichten dahin, und einzelne
Arten wirbeln und ſchrauben ſich zu ſolchen Höhen empor, daß ſie unſerm Auge vollſtändig ent-
ſchwinden. Jhr Flug kennzeichnet ſie von weitem. Die Flügel gleichen, wenn ſie ausgebreitet ſind,
einem Halbmonde, und ſie werden ſo raſch und heftig bewegt, daß man mehr an das Schwirren der
Kerbthiere und bezüglich der Kolibris erinnert wird, als an den Flügelſchlag anderer Vögel. Zu-
weilen regeln ſie ihren Flug minutenlang nur durch verſchiedenes Einſtellen der Flugwerkzeuge, durch
leichte Drehung der Flügel und des Schwanzes, welches wir kaum oder nicht wahrnehmen. Trotzdem
jagen ſie pfeilſchnell durch die Lüfte. Wendungen und Drehungen aller Art wiſſen auch ſie meiſter-
haft auszuführen; an Zierlichkeit und Anmuth der Bewegung aber ſtehen ſie hinter den Edelſchwalben
weit zurück. Auf dem Boden erſcheinen ſie als hilfloſe Geſchöpfe: ſie ſind unfähig, zu gehen, unfähig
faſt, zu kriechen. Dagegen klettern ſie, wenn auch nicht geſchickt, ſo doch mit ziemlicher Fertigkeit an
Mauer- oder Felswänden empor und in Höhlungen hin und her.

Jhre ewige Naſtloſigkeit bedingt einen bedeutenden Verbrauch der Kraft und demgemäß auch
ungewöhnlich reichen Erſatz. Die Segler ſind gefräßiger, als alle übrigen Schwalben und vertilgen

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[645/0681] Allgemeines. der gewöhnlichen Steigerung der Zahl der Zehenglieder, nach welchen der Daumen zwei, die innere Vorderzehe drei, die mittlere vier und die äußere fünf Glieder hat, iſt die Zahl hier zwei, drei, drei, drei, indem die äußere Zehe um zwei Glieder, die mittlere um ein Glied ſo zu ſagen verkürzt iſt. (Hierzu bemerkt Burmeiſter, daß dieſes Zahlenverhältniß nur für die echten Segler Giltigkeit habe, während bei andern Arten ſich das gewöhnliche Zahlenverhältniß, drei, vier, fünf zeige.) Der untere Kehlkopf hat nur ein ſchwaches Muskelpaar; die Zunge iſt faſt ſo platt und breit, auch vorn ſo zuge- ſpitzt wie bei den Schwalben; der Schlund iſt ohne Bauch oder Kropf, der Vormagen klein, der Magen ſchwachmusklig, der Darmſchlauch kurz und ohne Spur von Blinddärmen.‟ Vergleicht man nun dieſe Merkmale mit denen der Schwalben und der Kolibris, ſo ergibt ſich, daß man vielleicht ſagen könnte, die Segler ſeien Schwalben mit Kolibriflügeln und Kolibriſchwanz. Legt man auf das eine Muskelpaar am Kehlkopf ein beſonderes Gewicht, ſo ſollte man auf der andern Seite die auffallende Entwickelung der Speicheldrüſen, welche Segler und Schwalben mit einander gemein haben, billiger Weiſe auch nicht vergeſſen und findet man, daß die Verdauungswerkzeuge der Segler und Kolibris übereinſtimmen, ſo darf man nicht außer Acht laſſen, daß dieſe Uebereinſtimmung ebenſogut auch zwiſchen Seglern und Schwalben bemerkt wird. Man kann ferner gern zugeben, daß die Aehnlichkeit zwiſchen dem Schnabel des Seglers und der Schwalbe eine mehr ſcheinbare, als wirkliche iſt; immerhin wird man feſthalten müſſen, daß hier doch noch von einer Aehnlichkeit geſprochen werden kann, während Dies hinſichtlich des Segler- und Kolibriſchnabels durchaus nicht der Fall iſt. Soviel ergibt die reine äußere Betrachtung, die Unterſuchung des todten Gegenſtandes; das Leben will aber auch in Betracht gezogen ſein, wenn es ſich darum handelt, Kenntniß eines Weſens zu gewinnen und Verwandtſchaften zwiſchen ihm und anderen feſtzuſtellen. Wenden wir dieſe Anſicht auf unſern Fall insbeſondere an, ſo bleibt man wohl kaum in Zweifel, als weſſen Ver- wandte man die Segler zu betrachten hat. Zwiſchen ihrem Leben und dem der Kolibris läßt ſich keine Aehnlichkeit wahrnehmen, während es bei Betrachtung des Lebens allein oft ſchwer halten dürfte, Segler und Schwalben von einander zu trennen. Die Segler verbreiten ſich über alle Erdtheile und bewohnen hier alle Gürtel der Breite mit Ausnahme des kalten, ſowie alle Höhen vom Meeresſtrande an bis gegen die Schneegrenze hinauf. Sie finden ſich ebenſowohl in Waldungen, wie in waldloſen Gegenden, vorzugsweiſe aber in Gebirgen und Städten, weil Felswände und Mauern ihnen die paſſendſten Niſtplätze gewähren. Mehr als andere Vögel bewohnen ſie im eigentlichen Sinne des Worts das Luftmeer. Vom frühen Morgen an bis in die Nacht hinein ſind ſie in Thätigkeit, während ihrer Brutzeit ſo zu ſagen in ununterbrochener. Jhre Kraft ſcheint niemals zu ermatten und ihre Nachtruhe auf wenige Stunden beſchränkt zu ſein. Vortreffliche Flugwerkzeuge ſetzen ſie in den Stand, ohne Beſchwerde tagtäglich Strecken zu durcheilen, welche zuſammengerechnet Hunderte von Meilen betragen müſſen. Abweichend von den Schwalben fliegen ſie gewöhnlich in ſehr hohen Luftſchichten dahin, und einzelne Arten wirbeln und ſchrauben ſich zu ſolchen Höhen empor, daß ſie unſerm Auge vollſtändig ent- ſchwinden. Jhr Flug kennzeichnet ſie von weitem. Die Flügel gleichen, wenn ſie ausgebreitet ſind, einem Halbmonde, und ſie werden ſo raſch und heftig bewegt, daß man mehr an das Schwirren der Kerbthiere und bezüglich der Kolibris erinnert wird, als an den Flügelſchlag anderer Vögel. Zu- weilen regeln ſie ihren Flug minutenlang nur durch verſchiedenes Einſtellen der Flugwerkzeuge, durch leichte Drehung der Flügel und des Schwanzes, welches wir kaum oder nicht wahrnehmen. Trotzdem jagen ſie pfeilſchnell durch die Lüfte. Wendungen und Drehungen aller Art wiſſen auch ſie meiſter- haft auszuführen; an Zierlichkeit und Anmuth der Bewegung aber ſtehen ſie hinter den Edelſchwalben weit zurück. Auf dem Boden erſcheinen ſie als hilfloſe Geſchöpfe: ſie ſind unfähig, zu gehen, unfähig faſt, zu kriechen. Dagegen klettern ſie, wenn auch nicht geſchickt, ſo doch mit ziemlicher Fertigkeit an Mauer- oder Felswänden empor und in Höhlungen hin und her. Jhre ewige Naſtloſigkeit bedingt einen bedeutenden Verbrauch der Kraft und demgemäß auch ungewöhnlich reichen Erſatz. Die Segler ſind gefräßiger, als alle übrigen Schwalben und vertilgen

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 645. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/681>, abgerufen am 22.11.2024.