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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866.

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Die Fänger. Sperrvögel. Nachtschwalben.
bergen, bei Nacht aber Waldpfade und Waldblößen aufsuchen oder dicht über den Kronen der Bäume
ihre Jagd betreiben.

Unbedingtes Erforderniß zu einem Ruheorte, welcher der Nachtschwalbe behagen soll, ist
möglichster Schutz gegen die Strahlen der Sonne. Deshalb zieht sich der kaum gehfähige Vogel mit
Aufbietung aller seiner Kräfte in dünn bestandene Waldungen, stets bis in die Stammnähe eines
Baumes oder Busches zurück, auch wenn derselbe seine Aeste bis tief auf den Boden herabbeugt.
Man darf annehmen, daß die große Anzahl aller Nachtschwalben auf dem Boden ruht und nur aus-
nahmsweise auf Baumzweigen sich niederläßt. Nachts bäumen alle Arten viel häufiger auf, als
während des Tags, obgleich immerhin einzelne in dieser Zeit auf Baumästen zubringen. Der Grund
dieser entschiedenen Bevorzugung des flachen Bodens ist unschwer zu erkennen: der Nachtschatten
macht besondere Ansprüche an den Zweig, auf welchem er sich niederlassen will; er verlangt einen, ihm
in jeder Hinsicht bequemen Ruhesitz. Was ich oben bereits bemerkt habe, setzt sich kein einziger dieser
Vögel, nach anderer Art, querüber auf einen Zweig, sondern stets der Länge nach, sodaß Ast und Leib
in dieselbe Richtung kommen und letzterer auf ersterem ruht. Die gezähnelten Nägel der Mittelzehe
und die nach innen gestellten Hinterzehen machen ein sicheres Festhalten in dieser Lage möglich; aber
es gehört doch schon ein ziemlich starker, auf eine Stelle hin astfreier und im gewissen Grade rauher
oder gabeliger Ast dazu, um dem Vogel bequem zu erscheinen.

"Da ihnen", erzählt Naumann, "ganz zusagende Sitzplätze nicht eben sehr häufig vorkommen
mögen, so sieht man selbige in der Zugzeit fast regelmäßig wieder von andern besetzt, wenn man die
ersten auf ihnen niedergeschossen hatte. Ein Apfelbaum in meinem Garten hatte einen wagerechten
Zacken, welcher, obwohl noch zu schwach für den Sitz eines solchen Vogels, sich in eine sehr enge
Gabel theilte, deren ebenfalls wagerecht stehende beide Zinken nur wie ein Finger dick waren. Gleich-
wohl gaben sie, wenn der Vogel der Länge nach jeden Fuß einzeln auf die Zinken der Gabel setzte und
Hinterkörper und Schwanz auf dem hinter dem Spalte noch in Eins verwachsenen Theile des Astes
ruhen ließ, einen sehr bequemen Sitz ab, welcher soviel Beifall zu finden schien, daß ich in der Zugzeit
mehrere Jahre nach einander beständig Nachtschwalben darauf antreffen konnte, ja einstmals drei Tage
nach einander auch drei solcher Vögel, nämlich alle Tage einen davon herabschoß." Nur wenn ein
Ziegenmelker aus seinem tiefsten Schlafe aufgeschreckt wird, und sich einem Baume zuwendet, setzt er
sich nach anderer Vögel Art auf Zweige nieder; ein solches Sitzen ist ihm aber so zuwider, daß er
baldmöglichst einen neuen, bequemeren Platz aufsucht. Während des Schlafes schließt er die großen
Augen gänzlich; sein feines Gehör scheint ihm jedoch annahende Gefahr rechtzeitig zu verrathen.
Dann blinzelt er nach Eulenart zwischen den kaum geöffneten Lidern hervor, versucht sich einige
Aufklärung zu schaffen und fliegt dann entweder auf und davon oder drückt sich auch wohl noch fester
und platter auf den Boden nieder, indem er auf die Gleichfarbigkeit seines Gefieders mit einem alten
Rindenstück oder der Erde selbst vertraut.

Naumann behauptet, daß man den Nachtschatten niemals gehen sehe, falls man nicht eine
Bewegung so nennen wolle, welche er macht, wenn er, aufgescheucht, eben wieder aufbäumt, sich in
seine gewöhnliche Stellung dreht, und dann durch ein paar schrittartige Bewegungen zurecht setzt.
Dies ist nicht ganz richtig; ich wenigstens habe sehr oft gesehen, daß die afrikanischen Ziegenmelker
vom Umfang des Schattenraums eines Busches aus bis zu der geeigneten Sitzstelle im Mittelpunkt
zutrippelten und so immerhin einen oder mehrere Fuß Entfernung laufend durchmaßen. Der Flug
ist ungemein verschieden, je nach der Tageszeit und je nach der Erregung, welche der Vogel gerade
kundgibt. Bei Tag erscheint er flatternd, unsicher und in gewissem Grade unbeholfen, auch regellos;
man meint, daß ein vom Wind plötzlich erhobener leichter Gegenstand durch den Luftzug weiter geführt
würde, und schließlich zum Boden wieder herabstürze. Ganz anders fliegt der Ziegenmelker bei Nacht.
Mit dem Verglühen des Abendrothes im Westen tritt er seine Jagdzüge an. Er ist vorher munter
geworden, hat sich minutenlang im Gefieder genestelt, nach dieser und jener Seite umgeschaut und
streicht nun zunächst raschen, behenden, gleitenden Fluges über wenig bewaldete Flächen oder über

Die Fänger. Sperrvögel. Nachtſchwalben.
bergen, bei Nacht aber Waldpfade und Waldblößen aufſuchen oder dicht über den Kronen der Bäume
ihre Jagd betreiben.

Unbedingtes Erforderniß zu einem Ruheorte, welcher der Nachtſchwalbe behagen ſoll, iſt
möglichſter Schutz gegen die Strahlen der Sonne. Deshalb zieht ſich der kaum gehfähige Vogel mit
Aufbietung aller ſeiner Kräfte in dünn beſtandene Waldungen, ſtets bis in die Stammnähe eines
Baumes oder Buſches zurück, auch wenn derſelbe ſeine Aeſte bis tief auf den Boden herabbeugt.
Man darf annehmen, daß die große Anzahl aller Nachtſchwalben auf dem Boden ruht und nur aus-
nahmsweiſe auf Baumzweigen ſich niederläßt. Nachts bäumen alle Arten viel häufiger auf, als
während des Tags, obgleich immerhin einzelne in dieſer Zeit auf Baumäſten zubringen. Der Grund
dieſer entſchiedenen Bevorzugung des flachen Bodens iſt unſchwer zu erkennen: der Nachtſchatten
macht beſondere Anſprüche an den Zweig, auf welchem er ſich niederlaſſen will; er verlangt einen, ihm
in jeder Hinſicht bequemen Ruheſitz. Was ich oben bereits bemerkt habe, ſetzt ſich kein einziger dieſer
Vögel, nach anderer Art, querüber auf einen Zweig, ſondern ſtets der Länge nach, ſodaß Aſt und Leib
in dieſelbe Richtung kommen und letzterer auf erſterem ruht. Die gezähnelten Nägel der Mittelzehe
und die nach innen geſtellten Hinterzehen machen ein ſicheres Feſthalten in dieſer Lage möglich; aber
es gehört doch ſchon ein ziemlich ſtarker, auf eine Stelle hin aſtfreier und im gewiſſen Grade rauher
oder gabeliger Aſt dazu, um dem Vogel bequem zu erſcheinen.

„Da ihnen‟, erzählt Naumann, „ganz zuſagende Sitzplätze nicht eben ſehr häufig vorkommen
mögen, ſo ſieht man ſelbige in der Zugzeit faſt regelmäßig wieder von andern beſetzt, wenn man die
erſten auf ihnen niedergeſchoſſen hatte. Ein Apfelbaum in meinem Garten hatte einen wagerechten
Zacken, welcher, obwohl noch zu ſchwach für den Sitz eines ſolchen Vogels, ſich in eine ſehr enge
Gabel theilte, deren ebenfalls wagerecht ſtehende beide Zinken nur wie ein Finger dick waren. Gleich-
wohl gaben ſie, wenn der Vogel der Länge nach jeden Fuß einzeln auf die Zinken der Gabel ſetzte und
Hinterkörper und Schwanz auf dem hinter dem Spalte noch in Eins verwachſenen Theile des Aſtes
ruhen ließ, einen ſehr bequemen Sitz ab, welcher ſoviel Beifall zu finden ſchien, daß ich in der Zugzeit
mehrere Jahre nach einander beſtändig Nachtſchwalben darauf antreffen konnte, ja einſtmals drei Tage
nach einander auch drei ſolcher Vögel, nämlich alle Tage einen davon herabſchoß.‟ Nur wenn ein
Ziegenmelker aus ſeinem tiefſten Schlafe aufgeſchreckt wird, und ſich einem Baume zuwendet, ſetzt er
ſich nach anderer Vögel Art auf Zweige nieder; ein ſolches Sitzen iſt ihm aber ſo zuwider, daß er
baldmöglichſt einen neuen, bequemeren Platz aufſucht. Während des Schlafes ſchließt er die großen
Augen gänzlich; ſein feines Gehör ſcheint ihm jedoch annahende Gefahr rechtzeitig zu verrathen.
Dann blinzelt er nach Eulenart zwiſchen den kaum geöffneten Lidern hervor, verſucht ſich einige
Aufklärung zu ſchaffen und fliegt dann entweder auf und davon oder drückt ſich auch wohl noch feſter
und platter auf den Boden nieder, indem er auf die Gleichfarbigkeit ſeines Gefieders mit einem alten
Rindenſtück oder der Erde ſelbſt vertraut.

Naumann behauptet, daß man den Nachtſchatten niemals gehen ſehe, falls man nicht eine
Bewegung ſo nennen wolle, welche er macht, wenn er, aufgeſcheucht, eben wieder aufbäumt, ſich in
ſeine gewöhnliche Stellung dreht, und dann durch ein paar ſchrittartige Bewegungen zurecht ſetzt.
Dies iſt nicht ganz richtig; ich wenigſtens habe ſehr oft geſehen, daß die afrikaniſchen Ziegenmelker
vom Umfang des Schattenraums eines Buſches aus bis zu der geeigneten Sitzſtelle im Mittelpunkt
zutrippelten und ſo immerhin einen oder mehrere Fuß Entfernung laufend durchmaßen. Der Flug
iſt ungemein verſchieden, je nach der Tageszeit und je nach der Erregung, welche der Vogel gerade
kundgibt. Bei Tag erſcheint er flatternd, unſicher und in gewiſſem Grade unbeholfen, auch regellos;
man meint, daß ein vom Wind plötzlich erhobener leichter Gegenſtand durch den Luftzug weiter geführt
würde, und ſchließlich zum Boden wieder herabſtürze. Ganz anders fliegt der Ziegenmelker bei Nacht.
Mit dem Verglühen des Abendrothes im Weſten tritt er ſeine Jagdzüge an. Er iſt vorher munter
geworden, hat ſich minutenlang im Gefieder geneſtelt, nach dieſer und jener Seite umgeſchaut und
ſtreicht nun zunächſt raſchen, behenden, gleitenden Fluges über wenig bewaldete Flächen oder über

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[670/0708] Die Fänger. Sperrvögel. Nachtſchwalben. bergen, bei Nacht aber Waldpfade und Waldblößen aufſuchen oder dicht über den Kronen der Bäume ihre Jagd betreiben. Unbedingtes Erforderniß zu einem Ruheorte, welcher der Nachtſchwalbe behagen ſoll, iſt möglichſter Schutz gegen die Strahlen der Sonne. Deshalb zieht ſich der kaum gehfähige Vogel mit Aufbietung aller ſeiner Kräfte in dünn beſtandene Waldungen, ſtets bis in die Stammnähe eines Baumes oder Buſches zurück, auch wenn derſelbe ſeine Aeſte bis tief auf den Boden herabbeugt. Man darf annehmen, daß die große Anzahl aller Nachtſchwalben auf dem Boden ruht und nur aus- nahmsweiſe auf Baumzweigen ſich niederläßt. Nachts bäumen alle Arten viel häufiger auf, als während des Tags, obgleich immerhin einzelne in dieſer Zeit auf Baumäſten zubringen. Der Grund dieſer entſchiedenen Bevorzugung des flachen Bodens iſt unſchwer zu erkennen: der Nachtſchatten macht beſondere Anſprüche an den Zweig, auf welchem er ſich niederlaſſen will; er verlangt einen, ihm in jeder Hinſicht bequemen Ruheſitz. Was ich oben bereits bemerkt habe, ſetzt ſich kein einziger dieſer Vögel, nach anderer Art, querüber auf einen Zweig, ſondern ſtets der Länge nach, ſodaß Aſt und Leib in dieſelbe Richtung kommen und letzterer auf erſterem ruht. Die gezähnelten Nägel der Mittelzehe und die nach innen geſtellten Hinterzehen machen ein ſicheres Feſthalten in dieſer Lage möglich; aber es gehört doch ſchon ein ziemlich ſtarker, auf eine Stelle hin aſtfreier und im gewiſſen Grade rauher oder gabeliger Aſt dazu, um dem Vogel bequem zu erſcheinen. „Da ihnen‟, erzählt Naumann, „ganz zuſagende Sitzplätze nicht eben ſehr häufig vorkommen mögen, ſo ſieht man ſelbige in der Zugzeit faſt regelmäßig wieder von andern beſetzt, wenn man die erſten auf ihnen niedergeſchoſſen hatte. Ein Apfelbaum in meinem Garten hatte einen wagerechten Zacken, welcher, obwohl noch zu ſchwach für den Sitz eines ſolchen Vogels, ſich in eine ſehr enge Gabel theilte, deren ebenfalls wagerecht ſtehende beide Zinken nur wie ein Finger dick waren. Gleich- wohl gaben ſie, wenn der Vogel der Länge nach jeden Fuß einzeln auf die Zinken der Gabel ſetzte und Hinterkörper und Schwanz auf dem hinter dem Spalte noch in Eins verwachſenen Theile des Aſtes ruhen ließ, einen ſehr bequemen Sitz ab, welcher ſoviel Beifall zu finden ſchien, daß ich in der Zugzeit mehrere Jahre nach einander beſtändig Nachtſchwalben darauf antreffen konnte, ja einſtmals drei Tage nach einander auch drei ſolcher Vögel, nämlich alle Tage einen davon herabſchoß.‟ Nur wenn ein Ziegenmelker aus ſeinem tiefſten Schlafe aufgeſchreckt wird, und ſich einem Baume zuwendet, ſetzt er ſich nach anderer Vögel Art auf Zweige nieder; ein ſolches Sitzen iſt ihm aber ſo zuwider, daß er baldmöglichſt einen neuen, bequemeren Platz aufſucht. Während des Schlafes ſchließt er die großen Augen gänzlich; ſein feines Gehör ſcheint ihm jedoch annahende Gefahr rechtzeitig zu verrathen. Dann blinzelt er nach Eulenart zwiſchen den kaum geöffneten Lidern hervor, verſucht ſich einige Aufklärung zu ſchaffen und fliegt dann entweder auf und davon oder drückt ſich auch wohl noch feſter und platter auf den Boden nieder, indem er auf die Gleichfarbigkeit ſeines Gefieders mit einem alten Rindenſtück oder der Erde ſelbſt vertraut. Naumann behauptet, daß man den Nachtſchatten niemals gehen ſehe, falls man nicht eine Bewegung ſo nennen wolle, welche er macht, wenn er, aufgeſcheucht, eben wieder aufbäumt, ſich in ſeine gewöhnliche Stellung dreht, und dann durch ein paar ſchrittartige Bewegungen zurecht ſetzt. Dies iſt nicht ganz richtig; ich wenigſtens habe ſehr oft geſehen, daß die afrikaniſchen Ziegenmelker vom Umfang des Schattenraums eines Buſches aus bis zu der geeigneten Sitzſtelle im Mittelpunkt zutrippelten und ſo immerhin einen oder mehrere Fuß Entfernung laufend durchmaßen. Der Flug iſt ungemein verſchieden, je nach der Tageszeit und je nach der Erregung, welche der Vogel gerade kundgibt. Bei Tag erſcheint er flatternd, unſicher und in gewiſſem Grade unbeholfen, auch regellos; man meint, daß ein vom Wind plötzlich erhobener leichter Gegenſtand durch den Luftzug weiter geführt würde, und ſchließlich zum Boden wieder herabſtürze. Ganz anders fliegt der Ziegenmelker bei Nacht. Mit dem Verglühen des Abendrothes im Weſten tritt er ſeine Jagdzüge an. Er iſt vorher munter geworden, hat ſich minutenlang im Gefieder geneſtelt, nach dieſer und jener Seite umgeſchaut und ſtreicht nun zunächſt raſchen, behenden, gleitenden Fluges über wenig bewaldete Flächen oder über

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 3. Hildburghausen, 1866, S. 670. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben03_1866/708>, abgerufen am 22.11.2024.